PAGE online

Exhibition Design: Neue Aufgaben und Chancen für Designer:innen

Nicht zuletzt durch Corona schreitet die Digitalisierung im Ausstellungsbereich auf allen Ebenen voran, aber auch die Zielgruppen werden wesentlich vielfältiger. Ein spannendes Aufgabenfeld für Designer:innen unterschiedlichster Disziplinen

Ausstellungen PAGE 01.2022
Romantik mit Augenzwinkern Für die Dauerausstellung des neu eröffneten Deutschen Romantik-Museums in Frankfurt gestaltete Stefan Matlik unter anderem einen Animationsfilm über die »Romantiker-WG« um 1800 in Jena

Einen langen Atem braucht man schon, Ausstellungen gestalten sich nicht von heute auf morgen. Das Studio Sounds of Silence arbeitete drei Jahre an der Dauerausstellung im neuen Romantik-Museum, facts and fiction sogar fünf Jahre an »Berlin Global« – was allerdings auch Corona geschuldet war, denn die Schau im Humboldt Forum hatte eigentlich schon zwei Jahre früher eröffnen sollen.

Auf rund 4000 Quadratmetern geht »Berlin Global« anhand von acht Themenkomplexen der Frage nach, wie Berlin mit der Welt verbunden ist und umgekehrt. »Die Konzeption stand auf sehr breiten Füßen, für jeden Themenraum gab es mindestens zwei Kurator:innen, die wiederum verschiedenste Krea­ti­ve zur Ausgestaltung hinzuzogen«, erklärt Jörg Kraut­häuser, der mit seiner auf Aufstellungskonzeption und Szenografie spezialisierten Agentur facts and fiction für das Exhibition Design verantwortlich war.

Die einzelnen Abschnitte des »Berlin Global«-Par­cours unterscheiden sich hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer At­mo­späre stark voneinander. Während »Weltdenken« – das Wand­bild der Urban Artists How and Nosm – his­torische Ereignisse in eine poppig-bunte Landschaft einbettet, herrscht unter der Über­schrift »Krieg« eine düstere Stimmung. »Damit diese Verschiedenartigkeit richtig zum Tragen kommt, durfte das Design nicht diktatorisch sein, sondern musste dem Thema dienen. Unsere Lösung bestand darin, anstelle einer ausstellungsübergreifenden Gestaltung jedem Raum seine eigene zu geben«, sagt Krauthäuser. Jeder der Räume wurde von einem anderen Szeno­gra­f:in­nen­team entwickelt, mit einer je­weils ganz spezifi­schen Atmosphäre.

Ausstellungen PAGE 01.2022
Wissen in Comicform Die Männerfreundschaft zwischen den romantischen Schriftstellern Achim von Armin und Clemens Brentano ließ die Agentur Sounds of Silence in einem Comic erklären – eine wunderbare Idee | Foto: Alexander Englert
Ausstellungen PAGE 01.2022
Märchenhaft Der Berliner Künstler Henrik Schrat malte die Märchen der Gebrüder Grimm auf die Wand. Ziemlich wild und mit vielen Details, sodass man immer wieder Neues entdecken kann – Schönes und auch Übles, wie Märchen eben so sind | Foto: Alexander Englert
Ausstellungen PAGE 01.2022
Zauberworte Rund zwanzig zentrale Begriffe genügten Joseph von Eichendorff, um daraus Hunderte von Gedichten zu verfassen. Das visualisiert Stefan Matlik mit einer umfangreichen Projektion im Frankfurter Romantik-Museum, in der sich aus bestimmten Wörtern unterschiedliche Gedichte immer wieder anders zusammenfügen | Foto: Alexander Englert
Ausstellungen PAGE 01.2022
Alleine im Wald Die gefaltete Wand mit dem von desres design studio illustrierten Märchenmotiv hat zwei Seiten. Die Stimmung kippt vom hier zu sehenden Waldidyll in eine bedrohliche Szene in Schwarzweiß auf der Rückseite, wo einen viele böse Augen anstarren | Foto: Alexander Englert

Ausstellungen designen: Mehr Demokratie wagen

Unabhängig vom Inhalt ist es facts and fiction wichtig, das Angebot so weit wie möglich zu individualisieren. »Die Besucher:innen sollen die Möglichkeit haben, eine Ausstellung auf ihre Art und aus ihrer Perspektive zu erleben und nicht zwingend so, wie die Kurator:innen es vorgeben«, erklärt Jörg Krauthäuser. Dafür entwickelte die Agentur gemeinsam mit dem Unternehmen mguide das interaktive Museumsassistenzsystem IAMU (gesprochen I am you), das analoge Exponate mit digitalen Inhalten verbindet.

Im Fall von »Berlin Global« erhalten Besucher:in-nen zu Beginn ein Chiparmband, das sie mit der Aus­stellung verbindet: Während des Rundgangs kann man an verschiedenen Stellen auf Fragen antworten und zu Themen abstimmen, die Antworten zeichnet das System über das Token auf. Am Ende gibt man in der Check-out-Station sein Armband ab und erhält mit seinem »Ticket zur Vernetzung« die Auswer­tung sowie die Einladung, sich in der Lounge mit anderen Ausstellungsgästen auszutauschen. Dort kann man sich auf zwei großen Screens auch die Ab­stim­mungsergebnisse von Besucher:innen der vergangenen Tage ansehen. »Menschen miteinander zu ver­net­zen und ins Gespräch zu bringen ist auch eine Aufgabe von Kultur. Warum also nicht eine Art Kultur-Tinder daraus machen«, so Jörg Krauthäuser.

Ausstellungen PAGE 01.2022
Berlin und die Welt Der Raum »Weltdenken« eröffnet mit dem poppigen Wandbild von How and Nosm die große »Berlin Global«-Schau im Berliner Humboldt Forum. Die Besucher:innen erhalten ein Chiparmband und können sich über das interaktive Museums­assis­tenzsystem IAMU mit der Ausstellung verbinden und ihren Rundgang starten | facts and fiction, Foto: Andreas Keller
Ausstellungen PAGE 01.2022
Verspiegelte Kugeln Beim Themenkomplex »Vergnügen« stellen einzelne begehbare Kugel­segmente Aspekte aus der Geschichte der Vergnügungskultur vor. In einem verspiegelten Bereich kann man unter einer gigantischen Diskokugel tanzen | facts and fiction, Foto: Andreas Keller
Ausstellungen PAGE 01.2022
Spuren des Krieges Jeder Abschnitt der Ausstellung entwickelt seine eigene Atmosphäre. Das Thema Krieg visuali­sierten die Szenograf:innen von facts and fiction durch eine fragmentierte Inszenierung, die von einem im Boden verankerten, zentral positionierten Kriegssplitter dominiert wird. So entsteht ein beklemmendes Gefühl, das die mit Filz bespannten, schallschluckenden Wände noch verstärken | Kulturprojekte Berlin und Stadtmuseum Berlin, Foto: Alexander Rentsch

World Wide Museum: virtuelle Führungen ermöglichen

Eine derart demokratisches Herangehen – Ausstellungen so zu gestalten, dass jede und jeder ihren ei­genen, persönlichen Zugang finden –, ist noch relativ neu. Ebenso wie der Ansatz, sie so zu konzipieren, dass sie auch online erlebbar sind – was noch mehr Menschen die Teilhabe ermöglicht. Die­se Neuorien­tierung findet in der internationalen Mu­seums­land­schaft bereits seit Längerem statt, durch Corona hat sie aber noch einmal einen deutli­chen Schub bekom­men. »In der Denke ist schon einiges passiert, in die Szenografie ist davon allerdings noch nicht viel eingeflossen«, meint Jörg Krauthäuser. »Denn würde man die digitale Ausstellung von Anfang an mitden­ken, könnten zum Beispiel die Besu­che­r:in­nen online und die vor Ort miteinander interagieren.« Dass so etwas bislang noch nicht realisiert worden sei, läge auch am großen Vorlauf der Branche.

Die örtliche Bindung von Ausstellungen auf­­zu­lö­sen und virtuelle, individuelle Führungen zu er­mög­lichen, sind Gedanken, mit denen sich facts and fic­tion intensiv beschäftigt. »Ein Museum ist ja nicht nur eine Touristenattraktion, sondern behandelt ein Thema wissenschaftlich umfassend und aus­stellend. Die­ses dann bundes- oder weltweit verfügbar zu machen ist für uns Demokratisierung. Also nicht nur eine begleitende Website anzubieten, son­dern während der Laufzeit Menschen überall auf der Welt die Möglichkeit zu geben, live teilzunehmen«, erklärt Jörg Krauthäuser.

Facts and fic­tion arbeitet mit Hochdruck an dem Konzept Museum-Live@Home, bei dem nach einer Einführung zum Thema – etwa durch einen Film – ein Guide live mit dem Menschen zu Hause vor dem Computer durch die Ausstellung geht. Man könnte ihm Fragen stellen, mit ihm diskutieren oder auch sagen: Da hinten in der Ecke stand doch auch noch ein interessantes Exponat, können wir da noch mal hingehen? »Technisch gesehen kein Hexenwerk, man muss nur die Technologien, die schon da sind, nutzen und sinnvoll einsetzen«, so Krauthäuser.

Ausstellungen PAGE 01.2022
Live dabei So wird es aussehen, wenn das Ausstellungs­erlebnis mittels hybrider Live-Führung nach Hause auf den Bildschirm kommt. Die Agentur facts and fiction arbeitet mit Hochdruck an dem Konzept Museum-Live@Home, das sicher schon ganz bald nicht länger Fiktion sein wird

Ausstellungen: Transfer in die Onlinewelt

Museen und Institutionen weltweit sind inzwischen dabei, ihre Ausstellungen auch digital anzubieten und online zusätzliche Formate auszuprobie­ren. Be­glei­tend zur großen »Alice: Curiouser and Curi­ou­ser«-Schau ließ etwa das Albert & Victoria Museum in London ein tolles »VR Wonderland« entwickeln, in dem man sich durch die schönen surrealen Bilder der isländischen Illustratorin Kristjana S Williams bewegen kann. Realisiert hat das Ganze das Immersive-Games-Studio Preloaded.

Ebenso elegant wie userfreundlich hat Morpho­ria Design Collective aus Düsseldorf bei der Großen Kunstausstellung NRW den Transfer in die digitale Welt bewerkstelligt. Die Kreativen gestalteten zwei Versio­nen: einen schlichten, ganz auf Funktion und Effizienz aus­gerichteten Onlinekatalog sowie einen virtuel­len Rundgang. Der Parcours bildete die physi­sche Ausstellung nicht eins zu eins nach, sondern wurde von Morphoria eigens kuratiert: »Die Unterschiede und jeweiligen Vorteile der digitalen und realen Welt auszuschöpfen empfinden wir als einen viel größeren Mehrwert als eine der beiden in der anderen zu simulieren.« Mehr dazu unter  www.page-online.de/morphoria_dieGrosse.

Rein virtuell fand aufgrund von Corona die Gra­du­iertenausstellung am Central Saint Martins College of Art and Design in London statt. Morphoria präsentierte die Werke der Absolventen des Masterstudiums »Contemporary Photography; Practices and Philosophy« sowohl klassisch in Form eines gedruck­ten Katalogs als auch in einer interaktiven digitalen Tour durch die Ausstellung. Dank der eingebetteten Videos und Verlinkungen profitierten vor allem die digitalen Abschlussarbeiten von diesem Format.

Ausstellungen PAGE 01.2022

Ausstellungen PAGE 01.2022

Ausstellungen PAGE 01.2022
Typografisch inszeniert Da die Graduierten­aus­stellung 2020 pandemiebedingt ausfiel, entwickelte Morphoria Design Collective einen virtuellen Rundgang und setzte die Arbeiten des Fotografie-Masterkurses mit Videos und den Schriften Black Mamba Venom und Suisse Int’l, beide von Swiss Typefaces, sehr schön in Szene

Exhibition Design: Permanent oder wandernd

Ein anderer Weg, den Zugang zu erleichtern, ist, die Ausstellungen zu den Menschen zu bringen. Entwe­der indem man sie von Museum zu Museum touren lässt oder indem man die Schau gleich im öffentlichen Raum stattfinden lässt. Was sich natürlich besonders bei politischen und gesellschaftlichen Themen anbietet. Beispielsweise fragte die Initiative Of­fene Gesellschaft e. V. 2019: »Welches Land wollen wir sein?« – und begab sich mit einer von facts and fic­tion kon­zipier­ten und umgesetzten Wanderausstel­lung auf Deutsch­landtour. Modulare Räume ließen in der jeweiligen Stadtmitte das Laufpublikum verweilen, das eingeladen war, die interaktive Ausstellung mit Ideen und Geschichten zu füllen.

Im Superwahljahr 2021 gab es eine Neuauflage der Initiative als Pop-up-Begegnungsraum in ver­schie­de­nen deutschen Städten. Die Besucher:innen erwartete ein Angebot für politische Bildung, das – co­ronakompatibel unter freiem Himmel – Platz für örtliche Debatten schuf und dabei auch gleich manche verödete Innenstadt vorübergehend wiederbelebte. »An die Gestaltung einer Wanderausstellung muss man ganz anders herangehen«, erläutert Jörg Krauthäuser. »Die Materialien brauchen Stabilität, um häufiges Auf- und Abbauen zu verkraf­ten, man muss die oft begrenzte technische Ausstattung berücksichtigen und alles so konzipieren, dass Leute vor Ort die Schau aufbauen können.«

Eine etwas andere Wanderausstellung entwickel­te die Agentur Event aus London und Dublin für das Van Gogh Museum in Amsterdam. Die dort präsentierten Werke sind wertvoll und empfindlich und sollten besser nicht auf Reisen gehen. Um trotzdem Menschen in aller Welt einen Zugang zu bieten, entstand die »Meet Vincent van Gogh«-Experience. Ver­schiedene audiovisuelle Techniken stel­len die Wer­ke und die Welt des Künstlers nach, mit dabei sind auch Reproduktionen einiger Gemälde, die man sogar an­fassen darf, um den Pinselstrich zu spüren. Museen und Institutionen können die interaktive Ausstellung mieten, sie war schon in vielen Städten der Welt zu sehen und beschert dem Van Gogh Museum so willkommene Einnahmen.

Ausstellungen PAGE 01.2022

Ausstellungen PAGE 01.2022
Bitte Platz nehmen! Mit mehreren von facts and fiction gestalteten modularen Räumen ging die Initiative Offene Gesellschaft e. V. mit der Ausstellung »Welches Land wollen wir sein?« auf Tour und fragte die Menschen nach ihren Vorstellungen von Deutschland

Animationen mit Augenzwinkern

Rund achtzig Mitarbeiter:innen hat facts and fiction in ihren Büros in Köln und Berlin, da kann man gro­ße Projekte wie »Berlin Global« stemmen. Aber auch kleine Studios und Einzelkämpfer:innen sind im Aus­stellungsdesign tätig. Stefan Matlik aus Essenheim etwa, der vor allem Erklärfilme und Typoanimatio­nen entwickelt. Für das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden, das Europäische Hansemuseum in Lübeck, für die Arno Schmidt Stiftung oder für Wan­der­ausstellungen wie »Was glaubst du denn?! Muslime in Deutschland« oder »Frieden machen«.

Bei der Entwicklung seiner Animationen arbeitet Matlik hauptsächlich mit Illustrator, Photoshop und After Effects. »Weil ich mit 3D nicht so viel am Hut habe, bin ich bei 2,5D gelandet, mache viel mittels Cut-out- und Stopptrick-Animation und vermische alle möglichen Techniken«, so der Gestalter. Spannung erzeugt er durch richtige Proportio­nen, eine gute Raumaufteilung und passende Dramaturgie – ein Hauptaugenmerk liegt stets auf der Typografie. Drehbücher oder ein Storyboard braucht Matlik nicht, er bekommt Texte von den Kurator:innen, an denen er sich inhaltlich entlanghangelt. »Ich lasse sie einsprechen, auch um die Länge beurteilen zu können. Denn länger als vier, allerhöchstens fünf Minuten sollen die Filme nicht sein. Gibt es sehr viele, müssen sie sogar noch kürzer werden.« Er arbeitet auch eng mit den Ausstellungsdesigner:innen zusammen. »Ich adap­­tie­re oft deren Gestaltung, übernehme Typografie und Bildgestaltung, damit alles aus einem Guss ist.«

Sein letztes Projekt entstand für das kürzlich eröffnete Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt am Main. Dazu gehört »Die Wünschelrute«, eine große Projektion und zugleich raumbildendes Element im dritten Stock des Museums. Außerdem zwei Filme, die sich auf einem interaktiven Tisch abrufen lassen, sowie die Animation einer alten Karikatur, die sich spöttisch mit der Epoche beschäftigt. Und dann gibt es noch einen kleinen Film über die »Romantiker-WG« in Jena, für den Matlik Figuren ausschnitt und animier­te. Dass da schon mal ein Pizzakarton zwischen Goethe-Bänden im Regal liegt, ist typisch für Stefan Matlik: Wann immer es geht, sind seine Arbeiten augenzwinkernd und gerne auch ein bisschen ironisch.

Ausstellungen PAGE 01.2022
© Dominik Gruss
Ausstellungen PAGE 01.2022
Meet Vincent Damit möglichst viele Menschen weltweit den niederländischen Maler kennenlernen können, entwickelte das Van Gogh Museum in Amsterdam die »Meet Vincent Van Gogh«-Experience, die andere Museen mieten können. Mittels VR und anderer audiovisueller Techniken ermöglicht es die interaktive Ausstellung, tief in das Leben und Werk des Künstlers einzutauchen | © Dominik Gruss

Romantische Inszenierungen

Die Gestaltung der Dauerausstellung des Romantik-Museums lag in den Händen von Sounds of Silence. Das sind die Architektin Petra Eichler und die Regis­seurin Susanne Kessler aus Frankfurt. Fünfunddrei­ßig Expo­nate sollten sie für das Publikum attraktiv inszenieren, dabei half es den beiden, sich immer wie­der die Frage zu stellen: Wie würden wir selbst ger­ne an das Thema Romantik herangeführt werden? Auf zwei Etagen schufen die beiden in enger Zusammenarbeit mit den fünf Kurator:innen und der Museumsdirektorin ganz unterschiedliche, zauberhaf­te Szenerien – wobei sie zum Teil noch Freelancer:in­nen ins Boot holten.

An der Station »Aus Wassers Kühle trink’ ich Glut« etwa ging es nicht nur um das Exponat an sich – ein Theaterplakat, auf dessen Rückseite Clemens Brentano ein Gedicht geschrieben hat –, sondern auch um die Männerfreundschaft zwischen Brentano und Achim von Armin und ihre Reise auf dem Rhein. Das Ausstellungsstück selbst legten Petra Eichler und Susanne Kessler in eine Vitrine, deren Form an ein Schiff erinnert. Als eine Art Segel hängt darüber ein Bild aus einem von Barbara Yelin gezeichneten Comic, der die Geschichte erzählt. Im Gebrüder-Grimm-Raum malte der Berliner Künstler Henrik Schrat Mär­chenmotive an die Wand. Der kom­plette grafische Part, also etwa die Wandgestaltung oder das Setzen der Texte, lag in den Händen des Frankfur­ter Designstudios desres.

Ausstellungen PAGE 01.2022

Ausstellungen PAGE 01.2022

Ausstellungen PAGE 01.2022
Große Kunst »Greater Toronto Art ’21« bringt 21 der angesagtesten Künstler:innen zusammen – und fragte sie: »Was ist für dich momentan dringend und wichtig?« Blok Design gestaltete die Ausstellung selbst, aber auch diese tolle Printpublikation, die man momentan leider nur vor Ort im Museum of Contemporary Art Toronto kaufen kann

 

Voller Überraschungen

Ausstellungsdesign ist ein unglaublich vielseitiges kreatives Spielfeld. Wer sich dort tummeln möchte, braucht nicht unbedingt ein Architekturstudium – wohl aber ein Verständnis für den Raum und ein gewisses Maß an Erfahrung. »Man betritt immer wieder Neuland«, erklärt Andreas Koop, der mit seiner designgruppe Koop schon lange in diesem Bereich arbeitet. »Bei der Gestaltung einer Broschüre oder eines Buches weiß man, welche Auswirkungen bestimmte Entscheidungen zum Beispiel auf das Aufschlagverhalten haben. Bei Ausstellungen wissen wir anfangs oft nicht, wie wir es hinkriegen, unsere Ideen zu realisieren, auch weil jedes Gebäude, jeder Raum anders ist.« Durch Vorgaben wie: »Sie können hier alles machen, aber dürfen nichts an der Decke, den Wänden oder dem Boden befestigen«, wird die Sache auch nicht einfacher.

Aber gerade solche Herausforderungen machen diese Disziplin so spannend, zusammen mit der schö­nen Aufgabe, Wissen interessant zu vermitteln. Und wem das eine Nummer zu groß ist, der kann ja zunächst mit Stückchen anfangen: einer Graphic Novel, einem Animationsfilm, der begleitenden Publi­ka­tion oder der Website. Eigentlich ist für jede und jeden etwas dabei. 

Ausstellungen PAGE 01.2022
Foto © Boumediene Belbachir
Ausstellungen PAGE 01.2022
Echo erzeugen Die alte Kohlemine C-mine im belgischen Genk ist heute ein Industriemuseum und Kulturzentrum. Letzten Sommer war dort eine tolle Ausstellung zu sehen: »Shout«, mit Arbeiten von Anthony Burrill (rechts), Eike König, Marco Oggian, James Joyce und Morag Myerscough. Debora Lauwers und Daan Linsen von Alley Design, die »Shout« zugleich kuratierten und gestalteten, nutzten die Strenge des Industrie­gebäudes, um die Arbeiten so zu präsentieren, dass sich die verschiedenen Stile der fünf Designgrößen zwar begegnen, aber nicht konkurrieren. Entstanden ist ein großer Spielplatz aus Farbe und Typografie, konfrontativ und mit wichtigen Botschaften, vor allem aber mit sehr viel Spaß | Foto © Boumediene Belbachir

»Barrierefreiheit und Inklusion ist viel zu oft noch eine reine Pflichtübung«

 

Ausstellungen PAGE 01.2022

Von Anfang an auch an Menschen mit Handicap zu denken ist für Andreas Koop, Gründer von designgruppe koop in Marktoberdorf, beim Design von Ausstellungen ein wichtiges Anliegen.

 

 

 

 

 

 

 

Was ist der Unterschied zwischen Barrierefreiheit und Inklusion?
Andreas Koop: Barrierefrei ist eher technisch, Inklusion ist eine andere Haltung. Gibt es für Rollstuhlfahrer einen Zugang mit Rampe hinter dem Haus, ist das barrierefrei. Inklusiv wäre es, den Haupteingang für alle herzurichten, sodass dann auch jemand mit einem Kinderwagen den Nutzen und den Komfort der Rampe hätte.

Wie haben Sie das in der Ausstellung »Steinreich« im Fränkischen Freilandmuseum gelöst?
Das war gar nicht so einfach, weil die Ausstellung in ei­nem histori­schen Gebäude gezeigt wird – das bedeutet schmale Türen, Schwellen, niedrige Decken. Zunächst ha­ben wir die Schwelle am Eingang eliminiert, sodass jeder hineinkommen und sich dort bewegen kann. Aus diesem Grund sind auch sämtliche Informationsebenen und Objekte unterfahrbar.

Und für Sehbehinderte gibt es Texte in Brailleschrift?
Nicht nur. Wir hatten uns vorgenommen, Blinde und Menschen mit Sehschwäche von Anfang an zu führen. Direkt vom Eingang leitet eine Art Geländer die Besu­cher:innen – diese greifbare Führungslinie ist in Regale und Infoträger integriert und bringt die Hände zu taktilen Tafeln und Infografiken, zu Podesten mit Werkstücken und Werkzeugen. Die wiederum haben Taster für Audiosequenzen, sodass man hören kann, wie die Bearbeitung der jeweiligen Steine klingt.

Und was ist der inklusive Aspekt bei »Steinreich«?
Dass die Konzeption allen zugutekommt. Tasten ist nicht nur für Blinde wichtig, sondern auch für Kinder, die in Museen oft genug nichts anlangen dürfen. Und letztlich auch für uns Erwachsene.

Wie ist es um Barrierefreiheit und Inklusion in deutschen Museen und Ausstellungen bestellt?
Leider ziemlich schwach. Selbst wenn die Anforderungen erfüllt werden, sind die einzelnen Elemente oft einfach nicht gut gestaltet. Ziemlich hässlich sind auch die Piktogramme, die in Texten in Leichter Sprache zum Einsatz kommen.

Woran liegt das?
Viele Kuratorinnen und Kuratoren machen sich zu wenig Gedanken und geben sich zu schnell zufrieden. Für sie ist das Thema eher eine Pflichtübung. Sie erfüllen, was gefordert ist, aber ohne groß darüber nachzudenken, wie man es vielleicht besser machen oder was Inklusion alles leisten könnte. Da ist noch jede Menge Luft nach oben.

Ausstellungen PAGE 01.2022

Ausstellungen PAGE 01.2022

Ausstellungen PAGE 01.2022
Anfassen erwünscht In der Ausstellung »Steinreich« sind nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen zum Tasten aufgefordert, sondern auch alle anderen Besucher

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren