Führung übernehmen? Tipps für individuelle Karrierewege
Viele Kreative übernehmen irgendwann eine Führungsposition. Aber es gibt auch andere Optionen. Wir beleuchten individuelle Werdegänge und geben Tipps, wie man seinen eigenen Weg findet
Weniger gestalten, mehr Verantwortung
Das Verständnis von guter Führung befindet sich im Wandel. Autoritäre Bestimmer werden seltener – gefragt sind empathische Möglichmacher. »Ich verstehe mich eher als Ansprechpartner oder Back-up, wenn etwas nicht klappt. Das liegt mir mehr«, erklärt Nikolai Dobreff, Art Director bei Karl Anders in Hamburg. »Ich versuche, so wenig wie möglich einzugreifen. Schließlich sind meine Kolleg:innen hier, weil sie andere Skills haben als ich. Warum sollte ich sie nur nach meinen Vorstellungen arbeiten lassen?«
Eine etwas andere Rolle nimmt Dobreff beim Heart Directors Club ein, seinem 2020 gegründeten Wohltätigkeitsprojekt, das jeden Monat limitierte Artworks verschiedener Künstler- und Designer:innen für einen guten Zweck verkauft. Hier genießt er es, nicht selbst Gestalter zu sein, sondern vielmehr Kurator und Organisator. »Ich bin leidenschaftlicher Designer und würde nie eine Position einnehmen wollen, wo ich nur noch die Arbeiten anderer bewerte. Aber die Mischung aus beiden Rollen gefällt mir sehr gut«, so Dobreff.
Genau dieser Punkt ist es, der vielen Kreativen zu schaffen macht: Wer eine Führungsposition übernimmt, wird zwangsläufig weniger selbst gestalten – schon allein, weil viele neue Aufgaben dazukommen. »Führung bedeutet für mich, Verantwortung dafür zu tragen, dass es den Mitarbeiter:innen und dem Unternehmen gut geht«, sagt Alex Schmidtke. »Ich habe den Anspruch, verlässlich zu sein und den Teams Stabilität zu geben. Dazu gehört auch ein gutes Erwartungsmanagement – also keine leeren Versprechungen zu machen. Ich kann sagen: Als Führungskraft schläft man oft etwas schlechter, vor allem während einer Pandemie.« Dafür werde man aber auch belohnt – mit einem motivierten Team und unternehmerischem Erfolg. »Mir macht meine Rolle sehr viel Spaß – ich bereue nichts«, so Schmidtke.
Hör auf dich selbst
Letztlich kann – und muss – jede:r selbst entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Dafür braucht es die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Zudem können Coachings helfen, wie sie unter anderem Mind & Motion in Stuttgart anbietet, und – wenn man sich für die Beförderung entscheidet – natürlich auch Führungskräftetrainings, die von Agenturen allerdings immer noch recht selten vorgesehen sind und entsprechend meist nicht bezahlt werden. »Letztlich ist Führung etwas sehr Individuelles, das jede:r für sich selbst definieren muss«, meint Alex Schmidtke, die 2015 ein Führungsseminar absolviert hat.
Wer statt einer Führungsposition die Selbstständigkeit wählt, sollte allerdings wissen, dass auch dies Führung bedeutet – »zumindest für sich selbst«, so Nikolai Dobreff. Und natürlich in Bezug auf Auftraggeber:innen und gegebenenfalls Freelancer:innen oder Projektpartner:innen. So ganz kommt man um Führung also nicht herum, aber mit wachsender Erfahrung kann jede:r das nötige Standing entwickeln. Und wer weiß, vielleicht macht es ja sogar mehr Spaß als gedacht.
Fachkarriere als Alternative
Seit einiger Zeit hält das Konzept der Fachkarriere in der Kreativbranche Einzug. Es ermöglicht eine berufliche Perspektive jenseits der klassischen Führungslaufbahn. Als Gestalter:in kann man sich so horizontal weiterentwickeln und Expertise in einem Fachgebiet aufbauen, ohne Personalverantwortung und andere Managementaufgaben übernehmen zu müssen. Während diese Option etwa in Großbritannien und den USA schon seit Jahren etabliert ist, ist sie in deutschen Agenturen noch relativ selten. Fachkarrieren sind oft individueller auf Einzelpersonen und ihre Kompetenzen zugeschnitten und fördern so Zufriedenheit und Motivation. Wichtig ist allerdings, dass sie in Sachen Gehalt und Status nicht hinter der Führungslaufbahn zurückbleiben.
»Für mich war klar, dass eine Fachkarriere besser zu meinen Vorstellungen passt«
Ich habe Kommunikationsdesign an der Merz Akademie in Stuttgart studiert und anschließend einen Masterstudiengang an der HTWG Konstanz absolviert. Schon im Studium habe ich mich vor allem für die Konzeption und die Grundideen von Projekten interessiert, weniger für typografische Feinheiten. Nach Abschluss des Studiums fing ich bei Strichpunkt als Konzepterin an – die Jobbezeichnung gab es dort damals in dieser Form noch nicht. Wir haben das gemeinsam ausprobiert, aufgebaut, und es funktioniert bis heute sehr gut.
Ich stieg von der Junior-Konzepterin zum Senior Concept Developer auf und gelangte an einen Punkt, an dem ich mir überlegen musste, wie ich mich und meinen Bereich weiterentwickeln kann. Der Weg der klassischen Führungskraft war für mich allerdings nicht attraktiv, weil die praktische kreative Arbeit und auch die Forschung dabei meiner Ansicht nach zu kurz kommen. Mir war daher schnell klar, dass eine Fachkarriere besser zu meinen Vorstellungen passt. Meine persönliche Stärke ist, mitten im kreativen Prozess zu sein, Ideen zu entwickeln und neue Themenfelder zu entdecken. Der nächste Schritt wird demnach Concept Director sein. In dieser Position werde ich die konzeptionelle Kraft der Agentur weiter vorantreiben können.
Zugleich fühle ich mich nicht an eine Fachkarriere gebunden. Denn am spannendsten finde ich es, nicht in klassischen Karrierewegen zu denken. Warum nicht beides, führen und kreativ arbeiten? Ich denke, am besten ist es, die eigenen Talente zu erkennen, sie frei zu entfalten und dadurch den Weg zu schaffen, der für einen persönlich der Richtige ist.
»Es war zwar nie mein Ziel, Creative Director zu werden – aber ich glaube, das Aufgabengebiet passt ganz gut zu mir«
Nach meinem Studienabschluss 2013 an der HTWG in Konstanz fing ich als erste Mitarbeiterin in dem kleinen Designstudio b.lateral am Bodensee an. Nach gerade mal vier Monaten stieg überraschend ein Partner aus, und ich war von dem Zeitpunkt an allein für den Grafikbereich zuständig. Ich musste also von jetzt auf gleich Verantwortung übernehmen, statt erst mal von jemandem zu lernen. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass es bei dem Job nicht nur um gutes Grafikdesign geht, sondern auch um Strategie und Organisation. Ich bin dann – quasi zwangsweise – schnell in die Rolle hineingewachsen.
Vor fünf Jahren habe ich als Designerin bei Strichpunkt in Stuttgart angefangen und konnte mich seither Schritt für Schritt weiterentwickeln – erst zum Art Director, dann zum Senior Art Director und im letzten Jahr zum Creative Director. Ich hatte nie einen konkreten Karriereplan, das hat sich eher so ergeben. Bevor ich die Unitleitung übernahm, konnte ich die Position im Tandem mit einer Kollegin ein Jahr lang in einer Deputy-Rolle testen – also in leitender Position ohne disziplinarische Führung. Es war immer klar, dass ich auch wieder in meine alte Rolle zurückkehren kann.
Ich arbeite heute weniger operativ als früher und fungiere mehr als Schnittstelle zwischen den Gewerken. Allerdings ist es mir wichtig, auch immer wieder selbst zu gestalten, um nicht aus der Übung zu kommen. In dieser Rolle muss man aber lernen, loszulassen und zu akzeptieren, dass jeder Mensch anders gestaltet. Das Ergebnis sieht dann vielleicht nicht so aus, wie man selbst es sich anfangs ausgemalt hat – aber das ist gut so! Ich finde es außerdem richtig spannend, andere weiterzuentwickeln. Es macht mich total stolz, wenn eine Designerin, die bei uns als duale Studentin angefangen hat, nach einer Kundenpräsentation vom Geschäftsführer gelobt wird.
Woran ich mich erst gewöhnen musste, ist, dass sich das Team gegenüber einer Führungskraft anders verhält. Das eigene Verhalten wird plötzlich ganz anders bewertet. Ich musste zum Beispiel lernen, dass ich spät abends nicht mehr in kollaborativen Dokumenten arbeiten sollte. Denn sonst denken meine Mitarbeiter:innen, dass ich dasselbe von ihnen erwarte. Hier versuche ich ein gutes Vorbild sein – was ich leider nicht immer schaffe. Darüber hinaus ist es mir wichtig, dass mich mein Team offen kritisieren kann. Da schreckt der Titel doch etwas ab – deshalb muss ich das immer wieder einfordern.
Als Creative Director vermittle ich oft zwischen dem Team und der Geschäftsführung. Da muss man manchmal auch forsch und mutig sein. Ich bin als recht junge Frau in eine Führungsriege aufgestiegen, in der die meisten älter und erfahrener sind als ich. Da war ich anfangs schon etwas eingeschüchtert. Geholfen hat mir, mich mit den anderen CDs auszutauschen. Natürlich ist jeder Tipp wertvoll – aber man muss auch seinen eigenen Führungsstil entwickeln. Mittlerweile habe ich meinen Weg gefunden und mich auch das eine oder andere Mal positioniert und durchgesetzt. Es war zwar nie mein Ziel, Creative Director zu werden – aber ich glaube, das Aufgabengebiet passt ganz gut zu mir.
»Führung und Familie schließen sich nicht aus«
Ich habe ursprünglich Design studiert, aber von Anfang an mit einem starken strategischen Fokus gearbeitet. Seit einigen Jahren verantworte ich den Bereich Markenstrategie bei Zeichen & Wunder. Ich bin Teil des Führungskreises, der in engem Austausch mit der Geschäftsführung die Entwicklung der Agentur mitgestaltet. Als zweifache Mutter bin ich ungemein dankbar, dass sich bei Zeichen & Wunder Führung und Familie nicht ausschließen – das ist leider (immer) noch nicht selbstverständlich.
Vorher war ich bei einer großen Netzwerkagentur in Hamburg, wo ich als Senior-Designerin anfing und recht schnell die Chance bekam, zum Team Lead aufzusteigen. Ich wurde ins kalte Wasser geworfen und musste plötzlich Leute anleiten, die vorher meine Teamkolleg:innen waren. Das war eine extrem herausfordernde Zeit – aber ich erlebte dadurch auch eine sehr steile Lernkurve, natürlich mit Höhen und Tiefen. Und letztlich war genau das eine gute Vorbereitung für meine heutige Position.
Ich glaube, dass man sich gar nicht so richtig auf eine Führungsposition vorbereiten kann. Klar kann man das Handwerkszeug durch Coachings lernen – und das rate ich auch jeder und jedem. Aber niemand ist in dieser Rolle von Anfang an perfekt. Deshalb ist es wichtig, sich selbst zu hinterfragen und Feedback einzufordern. Ab einer gewissen Ebene steht man ab und zu etwas allein da. Dann hilft es, sich mit Leuten auszutauschen, die in einer ähnlichen Position sind. Viel hängt an der jeweiligen Agenturkultur, aber generell gibt es zum Glück immer weniger die Mentalität »Entweder du packst das oder du bist hier falsch«.
Der größte Lernprozess besteht für viele Gestalter:innen mit Führungsrolle darin, die eigene Kreation nicht mehr bis zum Ende auszuarbeiten – das fällt anfangs schwer, wird aber mit der Zeit einfacher. Man wird mehr zur Impulsgeberin und zum Coach. Diesen Rollenwechsel muss man wollen. Außerdem braucht es Kommunikationsbereitschaft und ein gewisses Organisationstalent.
»Ich bin sehr zielstrebig und wollte immer den nächsten Schritt machen«
Ich wusste schon früh, dass ich in die Werbung will, und habe deshalb Kommunikationsdesign an der U5 Akademie in München studiert. Danach habe ich verschiedene Positionen in unterschiedlichen Agenturen durchlaufen – Heimat, Scholz & Friends, DDB, Jung von Matt, wieder DDB und jetzt GGH MullenLowe. Dabei bin ich immer weiter aufgestiegen, eine klassische Agenturkarriere also. Ich bin sehr zielstrebig und wollte immer den nächsten Schritt machen. Dabei ging es mir aber nicht um Macht, sondern immer um mehr Freiheit und weniger Hierarchie.
Führung beginnt nach meinem Verständnis mit dem Titel des Creative Directors – also wenn man Teams anleitet und Verantwortung für andere Mitarbeiter:innen übernimmt. Viele unterschätzen den Sprung und die damit verbundenen Aufgaben. In dieser Position geht es nicht mehr vorrangig um die eigene Arbeit, sondern darum, Talente und Interessen zu erkennen und zu fördern und sie vor allem richtig und gezielt einzusetzen. Dazu kommt viel Organisation. Darauf muss man schon Lust haben. Man kann sich auf diese Rolle auch nicht richtig vorbereiten – man muss in die Rolle reinwachsen. Mir hat es von Anfang an viel Spaß gemacht.
Mit der Zeit habe ich meinen eigenen Führungsstil gefunden, basierend auf eigenen Erfahrungen und Erlebnissen. Dabei vertraue ich stark auf mein Bauchgefühl. Mir ist es wichtig, ein modernes, agiles Führungssystem zu schaffen, in dem alle Verantwortung für die Arbeit übernehmen und ich mich aufs Team verlassen kann. Ich möchte keine Chefin sein, die alles abnicken muss, das ist nicht mehr zeitgemäß. Rein demokratische Führung funktioniert für mich aber auch nicht, als CCO muss man schon finale Entscheidungen treffen und die Verantwortung dafür tragen. Wichtig ist, nichts über die Köpfe des Teams hinweg zu entscheiden, sondern immer klar und transparent zu kommunizieren und eine funktionierende Feedbackkultur zu leben.
Ich würde gerne mal an einem Führungskräftetraining teilnehmen, das sich speziell an Frauen richtet. Ich glaube, dass Frauen oft immer noch etwas zurückhaltender in bestimmten Situationen reagieren als Männer. Aber ob man besser oder schlechter führen kann, hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern immer mit der Person.
»Ich wünsche allen Designer:innen, dass sie ihren Weg finden«
Tobias van Schneider arbeitete als Lead Product Designer bei Spotify, gründete – unter anderem – die Portfolio-Plattformen Semplice und Carbonmade sowie das Designstudio House of van Schneider in New York. Er hat eine Menge Erfahrung in unterschiedlichen Unternehmen und Strukturen gesammelt. Hier gewährt er Einblick in seine persönlichen Karriereentscheidungen und gibt Tipps, wie man herausfindet, ob man eine Führungsposition übernehmen sollte.
Bild: © Michael George Photography 2014»Ich war in meiner Laufbahn einige Male mit einer möglichen Karriere als Manager konfrontiert. Gerade in größeren Unternehmen wird dieser Schritt nicht nur erwartet, sondern ist oft die einzige Option. Ich habe mich immer dagegen entschieden, weil ich wusste, dass ich meinen Job sonst irgendwann hassen würde. Und als Mensch, dessen Beruf seine Leidenschaft ist, konnte ich es auf keinen Fall so weit kommen lassen. Ich habe mich also für die Unabhängigkeit entschieden, denn ich wollte mehr Kontrolle darüber haben, was ich jeden Tag tue.
Einer traditionellen Karriereleiter zu folgen ist natürlich leichter. Der Weg ist vorgeschrieben – du weißt genau, wie viel du verdienen wirst, wie weit du kommen und wann du mit einer Beförderung rechnen kannst. Es gibt wenig Unsicherheiten und mehr Garantien. Irgendwann werden alle Manager:innen. Wenn einem das liegt, spricht auch nichts dagegen. Für mich gab es aber nichts, was den Nachteil von Tagen voller Meetings aufgewogen hätte, von einem Arbeitsalltag, in dem ich nicht mehr das tue, was ich liebe – nämlich gestalten. Mir gefällt die Unsicherheit. Klar ist das manchmal anstrengend, aber alles andere würde mich langweilen und frustrieren.
Alle definieren Erfolg und Wachstum auf ihre eigene Weise. Für mich geht es dabei nicht darum, mehr Geld zu verdienen oder in ein größeres Büro umzuziehen, sondern darum, mehr Zeit und Kontrolle über meine eigene Arbeit zu haben und mich als Designer weiterentwickeln zu können. Ob man jetzt den Management-Job hinschmeißt, sich mehr Zeit für freie Herzensprojekte nimmt oder gemeinsam mit einem Unternehmen genau die richtige Rolle für sich definiert – ich wünsche allen Designer:innen, dass sie ihren Weg finden.
Gestalter:innen, die vor der Entscheidung stehen, in eine Führungsposition zu wechseln, sollten sich folgende Fragen stellen:
- Warum hast du dich ursprünglich für den Designberuf entschieden?
- Welche Risiken birgt die Chance – finanziell und privat, jetzt und langfristig?
- Wie würde dein Arbeitsalltag aussehen, wenn du dich für den einen oder den anderen Weg entscheidest?
- Was sagt dein Bauch – nicht deine Familie oder deine Freunde?
- Warum reizt dich diese Möglichkeit – oder auch nicht? Warum bist du unsicher? Frag dich das immer weiter, bis du verstehst, wo deine Motivation liegt.
- Beeinflussen Angst und das Bedürfnis nach Sicherheit deine Entscheidung? Wie würdest du dich entscheiden, wenn sie das nicht täten?
»Führung auf Augenhöhe ist uns wichtig«
Ihr habt Deutsche & Japaner 2010 gemeinsam mit Julian Zimmermann und Moritz Forchow gegründet. Mittlerweile habt ihr zwei Angestellte und meist ein bis drei Praktikant:innen. Was bedeutet Führung für euch?
Ina Yamaguchi: Damals haben wir das Studio gegründet, um selbstständig und unabhängig arbeiten zu können. Bei uns bedeutet Führung daher auch eher, dass jemand ein oder mehrere Projekte im Blick behält und koordiniert. Er oder sie sorgt für Struktur – aber Entscheidungen fällen wir grundsätzlich gemeinsam. Ein autoritärer Führungsstil ist einfach nicht mehr zeitgemäß, schon gar nicht in kleinen Studios wie unserem.
Was ist euch wichtig, wenn ihr eine Führungsrolle übernehmt?
David Wolpert: Führung auf Augenhöhe! Unsere Hierarchien sind sehr flach, jede:r hat Mitspracherecht. Wer die Projektverantwortung trägt, muss natürlich auch mal Ansagen machen – aber es wird immer erklärt und nie diktiert.
Ina: Wir sind zum ersten Mal in diese Rolle geraten, als wir den ersten Praktikanten hier hatten. Das war schon ein komisches Gefühl. Ich finde, man rutscht dann eher in eine Art Lehrtätigkeit und weniger in die Chefposition. Grundsätzlich ist es sehr wichtig, dass man viel und offen kommuniziert. Wenn es in der Vergangenheit Probleme gab, dann lag das fast immer an mangelhafter Kommunikation. Aus diesem Grund achten wir nun darauf, dass wir in regelmäßigen Abständen Feedbackgespräche führen.
David: Wir haben über die Jahre gelernt, den Mitarbeiter:innen mehr Verantwortung zu geben und ihnen Vertrauen zu schenken. Dafür muss man selbst manche Sachen loslassen – das fällt mir persönlich manchmal immer noch schwer. Aber sonst können sich weder die Personen noch die Agentur weiterentwickeln.
Kann jeder Führung lernen oder ist das Typsache?
Ina: Ich glaube, dass es manchen Menschen leichter fällt als anderen. Ich selbst musste in die Führungsrolle reinwachsen. Es braucht schon Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, um Design bewerten und Menschen anleiten zu können und letztlich Entscheidungen zu treffen. Das muss man einfach üben und seinen eigenen Umgang damit finden.
Gab es schon Situationen, die ihr im Nachhinein als Führungsperson lieber anders gelöst hättet?
Ina: Na klar. Manchmal ist man genervt und vergreift sich im Ton oder nimmt sich nicht die Zeit, die jemand verdient hät-te. Das ist nur menschlich. Es wäre natürlich professioneller, private Probleme und Launen auszublenden. Aber so ticken wir hier nicht. Uns ist die Familienatmosphäre sehr wichtig, und da spielen Emotionen eben im positiven wie im negativen Sinne mit rein. Solange man sich nachher entschuldigt, ist alles gut.
Übernehmt ihr gegenüber Kund:innen auch Führung?
David: Ja. Unsere Auftraggeber:innen erwarten von uns zunehmend eine Art Führung, besonders bei größeren Projekten. Sie buchen uns ja für unsere Expertise und Erfahrung – und hören dann entsprechend auch auf unseren Rat.
Ina: Man sollte nicht in Kompetenzfelder reinreden, von denen man keine Ahnung hat – aber wenn man sich besser auskennt, spricht nichts dagegen. Natürlich muss man auch hier auf gute Kommunikation achten.
Dieser Artikel ist in PAGE 09.2021 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.