Digitale Schriftmuster: 5 tolle Tools, um Types zu checken
Mit interaktiven Type Specimens lassen sich Schriften in allen Formaten nach Herzenslust testen und ausprobieren
fontspecimen.com: Mehr als eine
In Olli Meiers fontspecimen.com lassen sich beliebig viele Schriften gleichzeitig laden
- Name fontspecimen.com
- Entwickler Olli Meier (mit Support von Monotype)
- Unterstützte Fontformate OTF, TTF, WOFF, WOFF2, Variable Fonts
- Best in Chrome, läuft aber auch gut mit Safari und Firefox
Umfangreiche Schriftfamilien zeitgleich laden zu können, ist das Alleinstellungsmerkmal des One-Pagers. Dabei ist fontspecimen.com sehr flott, selbst Riesenfamilien oder auch CJK(Chinese, Japanese, Korean)-Fonts mit mehreren Tausend Zeichen benötigen nur wenige Sekunden. Zieht man seine gewählten Schriften in das Startfenster, erscheinen die »Impressions«, einzelne Buchstaben in verschiedenen Größen, die rotieren – so zeigen sie sich aus unterschiedlichen Perspektiven. Wer die zufällig ausgewählten Lettern nicht leiden kann, überschreibt sie einfach. Mit Klick auf das A (»Adjustments«) in der Menüleiste ganz rechts öffnen sich typografische Einstellungen, mit denen man Größe, Farbe, Zeilenabstand, Ausrichtung und Schriftschnitt sowie ein OpenType-Feature und bei Variable Fonts auch die Schieberegler für die Achsen verändern kann.
Bestes Feature, um zwei Schriften oder auch mehr direkt zu vergleichen, ist der dann folgende Bereich »Weights«, denn hier kann man jedem Font eine andere Größe, Ausrichtung oder Farbe geben. Nächste Station beim Scrollen ist »Paper«, eine Leerfläche zum Tippen und Probieren von Text. Durch Ziehen oder Schieben an der rechten unteren Ecke verändert sich die Größe der Fläche – so sieht man auch mal, wie sich die Schrift etwa in einer schmalen Spalte macht. Allerdings ist es noch nicht möglich, zwei oder mehr Textblöcke aufzuziehen, um Schriften oder Schnitte zu mischen, daran arbeitet Olli Meier gerade.
»Column View« bietet noch einmal eine andere Form der Übersicht. Insbesondere wenn man umfangreiche Familien mit vielen Schnitten geladen hat, lässt sich hier sehr schön der Grauwert eines Texts bewerten. »Character Set« stellt alle Glyphen dar: Sind mehrere Schnitte oder Schriften geladen, ist in dem kleinen Auswahlfeld per Default »Intersection« eingestellt. Das heißt, gezeigt werden nur die Zeichen, die in allen geladenen Fonts enthalten sind. Natürlich kann man sich auch alle Glyphen der verschiedenen Schriften anzeigen lassen.
Der letzte Punkt des One-Pagers ist »Font Infos« mit sämtlichen in der Schriftdatei enthaltenen Angaben. Von der Versionsnummer über vorhandene OpenType-Features und die Glyphenanzahl bis zu den Lizenzbedingungen. Mit einem Klick auf das T (für Tools) in der Menüleiste ganz rechts lässt sich ein PDF erzeugen, mit dem man seine Schrift auch ausgedruckt bewerten kann.
Fontspecimen.com bietet wirklich viele Möglichkeiten zum Testen und Spielen. Wenn es künftig noch eine Refresh-Funktion gibt, sodass man nicht für jeden Neuanfang das Programm wieder laden und die Schriften erneut ins Fenster ziehen muss, sind keine Wünsche mehr offen. Wer doch welche hat: Olli Meier freut sich über jedes Feedback.
Font Gauntlet Laut = fett
Mit Font Gauntlet der Schweizer Foundry Dinamo kann man Variable Fonts per Stimme steuern
- Name Font Gauntlet
- Entwickler Dinamo
- Unterstützte Fontformate OTF, TTF, WOFF, WOFF2, Variable Fonts
- Best in Chrome (auch als App downloadbar), dort läuft es am flüssigsten. Safari und Firefox funktionieren aber auch gut
Variable Fonts sind das Spezialgebiet dieses Tools, und so stehen beim Öffnen auch gleich die neun momentan von Dinamo angebotenen variablen Schriften zur Auswahl. Aber natürlich lassen sich auch eigene Fonts laden, egal ob statisch oder variabel. Im Menü links kann man die Größe sowie den Zeilen- und Buchstabenabstand mit Zahlenwerten oder per Schieberegler verändern und andere Einstellungen wie Textausrichtung, versale oder gemischte Schreibweise, OpenType-Features oder Farbe vornehmen.
Wer keine Lust hat, eigene Beispieltexte einzugeben, kann aus Textvorschägen wählen: Title, Pangram, Paragraph oder Wikipedia-Artikel. Da diese andauernd wechseln, gibt es beim Schrifttesten gleich noch eine Lerneinheit . . . Sofern es sich bei der geladenen Schrift um einen Variable Font handelt, kann man an den Schiebereglern für die Achsen ziehen oder sich mittels Klick auf »Play« von Font Gauntlet berieseln lassen. Hier lässt sich zwischen fünf Darstellungsgeschwindigkeiten wählen, und man kann den Rhythmus der Animation steuern.
Neu und ein nettes spielerisches Element ist die Funktion »Audio«: Hier richtet sich die Variable-Font-Achse nach der Stimme – je lauter man spricht, desto weiter nach rechts bewegt sich der Schieberegler. Ist man mit seinen variablen Experimenten zufrieden, lässt sich – sofern man die Schrift lizenziert oder Trial Fonts heruntergeladen hat – ein statischer Font generieren. Wer sich beim Herumspielen verzettelt hat, setzt mit einem Klick auf Home unten links auf dem Screen alles wieder auf Anfang.
Will man mehr als eine Schrift betrachten, gibt es neuerdings die Möglichkeit, mit einem Klick auf das gelbe Pluszeichen oben rechts Tabs hinzuzufügen und so weitere Schriften zu laden. Insgesamt ist Font Gauntlet eine leicht verständliche Spielwiese, insbesondere für Gestalter, die viel mit Variable Fonts arbeiten. Als netten Service bietet das Tool an, Screenshots zu erzeugen und den CSS-Code des Fonts ins Clipboard zu kopieren.
Wakamai Fondue Zungenbrecher
Wakamai Fondue liefert alle CSS-Befehle, die man zum Arbeiten mit einer Schrift braucht
- Name Wakamai Fondue
- Entwickler Roel Nieskens
- Unterstützte Fontformate OTF, TTF, WOFF, WOFF2, Variable Fonts
- Best in Funktioniert in jedem modernen Browser
Der niederländische Entwickler Roel Nieskens will mit Wakamei Fondue vor allem Web Developer ansprechen und beantwortet die Frage »What can my font do?« so: Einfach eine Schriftdatei in den Kreis ziehen, und das Tool erstellt in Sekundenschnelle eine Übersicht über alle im Font enthaltenen OpenType-Features und Glyphen. Darüber hinaus liefert es die CSS-Befehle, die man für die Aktivierung der Features im Web braucht, als Stylesheet zum Download. Öffnet man Wakamai Fondue in verschiedenen Browsern, kann man so zum Beispiel auf Anhieb sehen, welche OpenType-Features von welchen Browsern unterstützt werden.
Vor Kurzem veröffentlichte Roel Nieskens eine neue Version – derzeit noch als Beta –, in der er vor allem den Check der Sprachunterstützung erweiterte. Es gibt eine Übersicht über den Unicode-Support, und man sieht nicht nur, ob ein Font kyrillische Zeichen enthält, sondern auch, ob zum Beispiel bestimmte lateinische Glyphen oder die Interpunktion so angepasst wurden, dass sie zu den kyrillischen passen. Auch die Anzeige der OpenType-Features ist jetzt umfangreicher. Welche gibt es? Welche sind in den Voreinstellungen der Browser ein- oder ausgeschaltet? Welche funktionieren nur in bestimmten Sprachen?
Wer sich jetzt fragt, was es mit dem seltsamen Namen Wakamai Fondue auf sich hat, braucht nur zehnmal ganz schnell hintereinander »What can my font do?« zu sagen ;–).
FontDrop! Vergleichbar
Mit FontDrop! lässt sich blitzschnell herausfinden, was in einer Schriftdatei steckt
- Name FontDrop!
- Entwickler Viktor und Clemens Nübel
- Unterstützte Fontformate OTF, TTF, WOFF, Variable Fonts
- Best in Chrome und Firefox, etwas weniger gut mit Safari
Um Basisinformationen wie den Namen, die Benennung der Schnitte sowie Versionsnummer, Copyright oder Lizenzbedingungen geht es in diesem Tool. FontDrop! stellt außerdem alle Glyphen des Fonts dar – die unterstützten OpenType-Features und den Sprachensupport. Mit Klick auf den »Type Yourself«-Reiter öffnet sich ein Rechteck, in das man eigenen Text tippen kann. Veränderbar sind Schriftgröße und Zeilenabstand.
Mit Klick auf das FontDrop!-Logo öffnet sich ein neuer Tab, in den sich dann eine weitere Schrift laden lässt. Wer zwei Fonts vergleichen möchte, geht ganz am Ende der Seite auf »Compare«. In dem dann erscheinenden Fenster kann man zwei Schriften öffnen und nebeneinander betrachten.
Bulletproof Auch für GIFs
Die Darstellung von Text in vielen Sprachen ist eine wichtige Funktion von Bulletproof
- Name Bulletproof
- Entwickler Adam Jagosz
- Unterstützte Fontformate OTF, TTF, WOFF, Variable Fonts
- Best in Firefox und Chrome unter Windows. Unter macOS am besten mit Chrome und Firefox
Von einem Typedesigner für Typedesigner ist Bulletproof von Adam Jagosz aus Zywiec in Südpolen. Kerning, OpenType-Features und die Sprachsupport einer Schrift werden ebenso dargestellt wie die Achsen eines Variable Fonts. Anwender:innen können vorgegebene Texte formatieren und in verschiedenen Sprachen anzeigen lassen oder eigene Textmuster erstellen. Im Editormodus lassen sich mit den Funktionen in der Seitenleiste Keyframes für einfache Animationen, zum Beispiel für GIFs, erzeugen.
Dieser Artikel ist in PAGE 09.2021 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.