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Schriften finden: Die besten Tipps von Designer:innen

Wie und wo finden Kreative unverbrauchte und qualitative Schriften? Gestalter:innen verraten ihre Quellen für neue Types.

Simon Malz, Partner des Designstudios Lichtsig­na­leBild: © Simon Malz

»Sich auf vertraute Schriften neu einzulassen und neue Schriften kennen zu lernen macht für mich den Reiz beim Gestalten aus«

Simon Malz, Partner des Designstudios Lichtsig­na­le, Offenbach am Main

Während ich mir Namen von Pflanzen kaum merken kann, habe ich ein recht gutes Schriftgedächtnis. Mich interessieren die Überlegungen der Typedesigner:innen, ihre Motivationen für den Entwurf und die histori­schen Bezüge. Über die Hintergrundgeschichte einer Schrift öffnen sich viele Zugangspunkte, über die ich mich daran erinnern kann. Ich verfolge zum Beispiel die Arbeit von Jonathan Barnbrook, Peter Bilak, Zuzana Licko oder Kris Sowersby. Social Media oder Newsletter scheinen da heute üblicher zu sein als gedruckte Schriftmuster, die rar geworden sind. Das erinnert mich daran, meine Schriftmuster-PDFs ordentlicher abzulegen – für später.

Bei jedem neuen Projekt durchforste ich meine Samm­lung und Quellen nach einer passenden Schrift, bei einem neu entdeckten Font suche ich nach einem passenden Projekt. Ich freue mich, eine unverbrauchte Type zu finden, die etwas Zeitgemäßes hat und gleichzeitig gut altern wird. Dafür schaue ich mich bei undercon­sideration.com/brandnew ebenso um wie bei fonts­in­use.­com, fontstand.com oder typographica.org. Von Foundries wünsche ich mir eine gute Galerie mit ihren Schriften in einer Anwendung. Das hilft dabei, sie einzuschätzen und ihren Charakter abzulesen.

Momentan hat es mir die Signifier von Kris Sowersby angetan. Ein weiterer Liebling ist New Rail Alphabet, die in den 1960er Jahren von Margaret Calvert entworfen und 2009 von Henrik Kubel in enger Zusammen­arbeit mit Calvert digitalisiert wurde. Bei den Klassikern kommt für mich wenig an die Univers von Adrian Frutiger heran. Sich auf vertraute Schriften neu einzulassen und neue Schriften kennen zu lernen, das macht für mich den Reiz beim Gestalten aus.

Götz Gramlich

»Ich habe meine Liebe zu Serifenschriften wiederentdeckt«

Götz Gramlich, Gründer von gggrafik, Heidelberg 

Vorab mache ich mir Gedanken, was ich brauche. Welche Schrift in welchem (zeitlichen, künstleri­schem) Kontext zu welchem Zweck (Aufmerksamkeit erregen und/oder Informationsvermittlung). Danach suche ich auf verschiedene Arten. Gezielt in Datenbanken, die ich mir selbst angelegt habe, oder im Web – da lasse ich mich auch gerne mal treiben. Bei Pinterest beispielsweise zu etablierten und jüngeren Foundries, futurefonts.xyz ist so eine, mit recht interessanten, teils sehr experimentellen Fonts. Die­se sind gerade in Bezug auf frische Plakativität spannend – und bezahlbar. Von solchen Funden mache ich Screenshots und würde mir wünschen, das etwas öfter zu tun und etwas stringenter zu sortieren. Wenn ich eine bestimmte Schrift suche, deren Namen ich nicht weiß, benutze ich immer noch WhatTheFont, das spart Zeit bei der Recherche.

In den letzten Jahren habe ich viel mit Druk ge­arbeitet, eine wunderbare Type mit vielen, teils sehr schmal laufenden Schnitten, perfekt für große Typo auf Postern. Aktuell habe ich meine Liebe zu Serifen­schriften, insbesondere zur GT Alpina, wiederentdeckt. Grilli Type ist generell einen Klick wert. Mein all time favourite ist allerdings die Akzidenz Grotesk, dicht gefolgt von der Neuen Haas Grotesk und der Univers in all ihrer Schnittpracht.

Lukas DiemlingBild: © Dominic Erschen

»Ich suche Projekte, die zu Schriften passen, die ich spannend finde«

Lukas Diemling, Designer und Art Director, Graz

Anstatt Schriften spezifisch für ein Projekt zu suchen, gehe ich andersherum vor: Ich suche Projek­te, die zu Schriften passen, die ich spannend finde. Sehe ich interessante Fonts, behalte ich sie so lange im Hinterkopf, bis die passende Anwendung da ist. Momentan werde ich da vor allem bei Foundries wie Displaay, Think Work Observe, Klim Type oder CoType fündig. Prinzipiell sind mir reduzierte und zeit­lose Schriften lieber, gelegentlich gestalte ich auch ganz gerne selbst einen Headlinefont für ein spezifisches Projekt. Das Know-how dazu habe ich in der Ausbildung und mit Learning by Doing erworben.

Ich habe eine recht große Sammlung an Fonts auf meinem Rechner und eine große Kollektion an anlogen Type Specimens. Außerdem liebe ich es, auch in der Freizeit Schriften zu analysieren und mir die Merkmale einzuprägen. Kollegen fragen mich regelmäßig um Rat, wenn sie eine bestimmte Type nicht finden. Meine momentane Lieblingsschrift ist die RM Neue von CoType, sie ist eine spannende Mischung aus Helvetica und DIN und lässt sich sehr vielseitig anwenden und setzen. Und auch die Reck­less Neue von Displaay mag ich gerade sehr.

Christine Krawinkel

»Lieber die eine, besondere Schrift kaufen, die es gerade sein MUSS«

Christine Krawinkel, freie Artdirektorin bei PAGE, Hamburg

Ich sitze bei PAGE natürlich an privilegierter Stelle. Jeden Monat werden neue Schriften vorgestellt. Bekom­men sie einen eigenen Artikel, kann ich sie sogar auf Herz und Nieren testen. Das führt dann hin und wieder zu einer innigen Liebe, wie zum Beispiel bei der Aidos von Alexander Rütten oder der SangeBleu von Swiss Typefaces, die ich mir gekauft habe, immer wieder benutze und wahnsinnig gerne kombiniere, wie zuletzt für ein Charityprojekt. Auch die Baryton von Coppers and Brasses hat es mir angetan, für mein nächstes privates Projekt habe ich einen der Schnitte schon eingeplant.

Sehe ich Schriften, die ich toll finde, etwa in Magazinen, sammle ich die Beispiele und hefte sie in mei­nem Ordner »Schönes Design« ab. Etwas Ähnliches habe ich in meinen Ablagefächern und auf meinem Rechner . . . Das ist nicht ganz stringent, aber es findet sich dann doch alles wieder. Um Schriften zu erkennen, nutze ich WhatTheFont von MyFonts. Dort habe ich auch ein paarmal Fonts gekauft, die im Angebot waren, aber ich habe festgestellt, dass es für mich besser ist, gezielt zu kaufen, die eine, besondere Schrift, die es gerade sein MUSS, und dann eben nicht die ganze Familie, sondern zum Beispiel nur zwei Schnitte. Das macht mehr Spaß als zu große Kompromisse.

Schriften finden: Tools, Plattformen und Trends

Dieser Beitrag ist in PAGE 08.2021 erschienen. Lesen Sie auch die anderen Teile unserer Story:

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Schriften finden: Types & Trends ++ Diversity: Illustrieren mit Respekt ++ Arbeiten im Kollektiv ++ SPECIAL Kiel Mutschelknaus ++ Tutorial: Walk-Cycle-Animationen ++ Designstudium im Umbruch

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