New Business: Branding für Schulen
Brandings für Schulen – ein riesiger neuer Markt für Designer? Die Agentur Ben & Jan teilt Erkenntnisse aus drei wegweisenden Projekten.
Branding für die Grundschule Wöhrendamm
Schöner lernen: Schlagen Erscheinungsbilder wie dieses für die Grundschule Wöhrendamm ein neues Kapitel beim Design für Bildungseinrichtungen auf? Der von der Fassade abgeleitete Entwurf lässt an Bauklötze, aber auch an Ziegelbauten denken.
Ausschreibung: Der erste Kunde und die Bürokratie
Wie so oft stand am Anfang eine persönliche Empfehlung. Das Emil-von-Behring-Gymnasium brauchte eine neue Website, eine ehemalige Schülerin – inzwischen Designerin geworden – schlug Ben & Jan vor. Alles super, gleich loslegen? Keineswegs, denn Projekte dieser Größe werden natürlich nur über eine Ausschreibung vergeben.
Da ist es gut, dass Ben & Jan das für Anfänger gewöhnungsbedürftige Prozedere schon kannte. »Es kommt ein bisschen auf die Kommune an, aber das Geld ist in den Jahresbudgets der Schulen meist vorhanden«, so Jan Rosenstock, einer der beiden Agenturgründer. »Sie müssen nur entscheiden, wofür sie es ausgeben, ob für neues Equipment, einen Kleintierzoo oder eben Design.« Ist die Entscheidung gefallen, heißt es Geduld haben, denn die Ausschreibung kann sich über viele Monate hinziehen.
Geht es bei solchen Wettbewerben mit rechten Dingen zu, oder ist eh von Anfang an klar, wer den Zuschlag bekommt? »Es war zum Schluss doch eine echte Zitterpartie, denn natürlich engagierten sich auch andere Bewerber, vor allem lokale Unternehmen aus dem Landkreis«, berichtet Jan Rosenstock. »Aber wir bekamen den Job zum Glück, durften zeigen, was wir können, und wurden dann in Großhansdorf vom Gymnasium an die Grundschule empfohlen.« Was eine neue Ausschreibung und wieder langes Warten bedeutete, aber auch den Stein ins Rollen brachte. Aktuell entsteht das neue Design für die große Otto-Hahn-Gesamtschule im Hamburger »Problemstadtteil« Jenfeld.
»Anfangs heißt es nur: Wir brauchen eine neue Website, weil die alte nicht auf Smartphones funktioniert. Dann erklären wir, dass man dafür erst mal ein Designkonzept benötigt und das vorhandene, meist verpixelte illustrative Logo nicht reicht«
Jan Rosenstock
Design-Nachhilfe für Lehrer
Nicht nur die Bürokratie, auch mangelndes Know-how seitens des Auftraggebers ist eine Herausforderung. »Anfangs heißt es immer nur: Wir brauchen eine neue Webseite, weil die alte nicht auf Smartphones funktioniert«, berichtet Rosenstock. »Dann erklären wir, dass man dafür erst mal ein Designkonzept benötigt und das vorhandene, meist verpixelte illustrative Logo nicht reicht.« Es folgt gründliche Kunden-Education darüber, was ein Logo, eine Wort- oder eine Bildmarke überhaupt sind und dass man aus einem USP abgeleitet Farben und Schriften festlegen muss, um alles am Ende auf die Website anzuwenden. »Das wird meist schnell verstanden. Ah, wir könnten das auch bei Broschüren nutzen? Klar, das sind dann die Werbemittel. Und das neue Logo könnten wir größer als A4 drucken? Natürlich, weil wir es als Vektor bauen. Können wir draußen auch ein neues Schild anbringen? Ja, denn als Vektordatei kann man es fräsen lassen. Wenn die Schulen merken, dass sie wirklich etwas Hilfreiches bekommen, sind alle begeistert – sogar die Kollegen, die anfangs skeptisch waren.«
Schul-Brandings: Vom Leitbild zum USP
Jede Bildungseinrichtung hat ihre Werte, doch seltenst sind diese so klar formuliert wie an der Otto-Hahn-Schule in Hamburg-Jenfeld. Dort hatte man schon vor Auftauchen der Designer ein Fünf-Punkte-Leitbild ausgearbeitet – ein echtes Manifest, das in jedem Klassenzimmer hängt und auf dem jetzt das Branding aufbaut. »Oft ist den Schulen selbst nicht bewusst, wofür sie stehen«, sagt Diara Jongue. »Besonderheiten werden nicht in den Vordergrund gerückt, etwa dass das Emil-von-Behring-Gymnasium eine Europaschule ist oder die Grundschule Wöhrendamm Patenkinder in Afrika hat.« Am Ende findet das Kollegium es bereichernd, wenn die Agentur der Schule beim Herausarbeiten eines Alleinstellungsmerkmals quasi den Spiegel vorhält. Und das Thema Europaschule ist beim EvB-Gymnasium natürlich in Design und Farbgebung eingeflossen.
Eigene Bildwelt: Fotoshooting statt Stockfotos
Gute Fotos sind auf Schulwebsites rar – dabei sind sie Christoph Sündermann, Artdirektor bei Ben & Jan, besonders wichtig: »Du kannst ein noch so tolles Design entwerfen – ein echtes Bild vermittelt immer viel mehr. Die Schulen sind begeistert, wenn wir mit unseren Fotografen zum Shooting kommen, für sie eine eigene Bildwelt schaffen und am Ende einen Stock an Fotos bereitstellen.«
Doch Achtung! Schüler dürfen nur mit einer elterlichen Einverständniserklärung fotografiert werden. Bei Ben & Jan hat es sich bewährt, wenn die Verantwortlichen an der Schule einen Pool an Kindern als Statisten organisieren und die Agentur mit dem Fotografen einen Zeitplan erarbeitet, nach dem bestimmte Gruppen dann bei bestimmten Motiven zum Einsatz kommen.
Neues Erscheinungsbild: Emil-von-Behring-Gymnasium
Vogelperspektive: Der Grundriss des Gymnasiums mit verschieden eingefärbten Gebäudetypen wurde zur dynamischen Bildmarke. Dazu ein erster Entwurf für die Website, die Ben & Jan am Ende nicht selbst realisierte. Auch das Wandbild blieb ein Mock-up. Unten ein als Alternative entwickelter Designvorschlag, basierend auf der Idee von Orientierungs-, Mittel- und Oberstufe.
Branding für Schulen: Die Designentwicklung
Bei beiden Schulen in Großhansdorf inspirierte die Location das Branding. Beim Gymnasium aus den 1960er Jahren spiegelt die Bildmarke den Grundriss der verschiedenen Gebäudetrakte wider. Bei der Grundschule wiederum – vor über hundert Jahren vom berühmten Chile-Haus-Architekten Fritz Höger gebaut – kamen Elemente aus der markanten Fassade zum Einsatz. Das Logo im Backstein-Look ist ebenfalls vom Klinkerbau inspiriert.
In der Otto-Hahn-Schule waren zum Redaktionsschluss bei der Auswahl der vorgeschlagenen Varianten die Würfel noch nicht gefallen. »Man ist an dieser Schule sehr darum bemüht, dass auch die Schüler und 160 Mitarbeiter sich in dem Design wiederfinden«, sagt Sündermann. »Auf einer Stellwand mit unterschiedlichen Entwürfen wird sogar eine Strichliste geführt. Auch die Schülervertreter sind stimmberechtigt.«
Was gehört zum Branding bei Schulen?
Natürlich wäre es sinnvoll, Gestaltungselemente der Website vor Ort wiederzufinden. Geklappt hatte das bisher nicht, obwohl die Präsentationen von Ben & Jan immer Mock-ups zur Inspiration enthielten. Die Otto-Hahn-Schule plant eine Wandbemalung direkt am Eingang und ein Leitsystem. »Schulen haben oft das Problem, dass durch Umbaumaßnahmen die Wege vor Ort nicht klar erkennbar sind«, so Jan Rosenstock. Im Gegensatz zu Schleswig-Holstein erlaubt das Hamburger Schulgesetz auch die Nutzung von Social Media, die Otto-Hahn-Schule hat einen gut laufenden Instagram-Kanal. Ben & Jan entwickelte Vorlagen sowie Ideen für die Bildsprache.
Realisiert & nicht realisiert: Brandings der Otto-Hahn-Schule
Nicht realisiert: Erste Entwürfe für die Otto-Hahn-Schule, mal im Keith-Haring-Look, mal mit schlichten Streifen, die für die fünf Grundwerte des Leitbilds stehen.
Zwischen- oder Endstand? Aus einem Punktraster entwickelte Ben & Jan Typo diverse Designvarianten, inklusive eines Bildzeichens. Wird dies das endgültige Design?
Brand-Design-Manual für Schulen: Umsetzung durch den Kunden
Das Brand-Design-Manual muss so eindeutig wie möglich sein, damit die Schulen es auf Dauer nutzen. Meistens werden Anwendungen wie Veranstaltungsplakate ja von einzelnen Lehrern oder Mitarbeitern mit viel Engagement in Überstunden umgesetzt. Für sie richtet die Agentur einen Canva-Account mit Vorlagen und Masken ein, in die sich Bilder und Texte einspeisen lassen. »Wir können uns dann auch einloggen und schnell am Telefon Tipps geben«, so Jan Rosenstock. »Berechnet wird das nicht – wir sind zu sehr Fans dieser Projekte, als dass wir jedes Mal die Uhr einschalten.«
Schulen: Tausende neue Designkunden?
Über 15 000 Grundschulen gibt es in Deutschland, mindestens ebenso viele weiterführende Schulen – spannende mögliche Auftraggeber. »Identities für Schulen sind echte Spaßprojekte«, findet Jan Rosenstock. »Es geht mal nicht darum, bloß Absatzzahlen zu steigern, sondern etwas Gemeinnütziges zu tun. Die Schulen sind für diese Hilfe wirklich dankbar. Allerdings ist viel Aufklärung beim Kunden nötig, den man auch in der schwierigen Ausschreibungsphase unterstützen muss – alles sehr zeitintensiv. Das Tracking-Tool darf man da nicht einschalten, Nachverhandeln geht nicht.«
Bei der Auftragsakquise sei ein hohes Maß an Sensibilität geboten. »Erfolgreichen Schulleitern zu sagen, dass ihre Website nicht gut aussieht, ist nicht der richtige Weg. Besser ist es, potenziellen Kunden Informationen darüber zuzuspielen, wie sich ihre Arbeit mit Design verbessern lässt.« Sollten solche Einsichten sich durchsetzen, könnte eine Lawine ins Rollen kommen …
Auftraggeber Schule: Was in der Präsentation stehen sollte
Mit diesen Informationen und Argumenten überzeugt Ben & Jan schulische Auftraggeber
- Mögliche Alleinstellungsmerkmale von Schulen.
Warum müssen Schulen sich als Marke gegenüber dem Wettbewerb positionieren?
- Eltern, Schüler, Lehrer.
Was ist für die einzelnen Zielgruppen wichtig?
- Wie ticken die Wettbewerber?
Welche anderen Schulen gibt es, und wie stellen sie sich im Internet dar?
- Was genau ist an den Websites der Mitbewerber gut, was schlecht?
Übersichtlichkeit, responsives Design, Bildsprache et cetera
- Was macht eine gelungene Website aus?
Intuitive Benutzerführung, Mobile First et cetera
- Die wichtigsten Funktionen von Corporate Design für Schulen.
Schul-CDs sorgen für Wiedererkennungswert und Differenzierung und erlauben Rückschlüsse auf die Atmosphäre und den Grad der Professionalität der Einrichtung
- Umsetzung des Corporate Design.
Welche Themen und Werte sollen das Design und die Website vermitteln? Wo soll der der Fokus liegen?
Interview mit Schulleiter: »Design aus einem Guss«
Claus Schilke, Leiter der Otto-Hahn-Schule in Hamburg, verrät, warum ihm ein neues Branding für die Schule wichtig war und es nicht ausgereicht hat, einfach eine neue Website zu gestalten. Zum Interview: Warum Schulen ein Corporate Design brauchen
Und noch ein Link zum Thema: Mehr Corporate Design für Schulen!