PAGE online

New Business: Branding für Schulen

Brandings für Schulen – ein riesiger neuer Markt für Designer? Die Agentur Ben & Jan teilt Erkenntnisse aus drei wegweisenden Projekten.

Branding für Schulen Otto Hahn Schule
Otto-Hahn-Schule in Hamburg-Jenfeld

Eigentlich sollen Schulen Kinder ja für die Zukunft vorbereiten. Doch ihre Onlineauftritte scheinen teilweise in der Internetsteinzeit festzustecken. Viele Websites wirken, als hätte eine IT-AG sie vor Jahren gestaltet. Bei ihren Recherchen fanden die Designer von Ben & Jan erstaunlich oft sogar museale Besucher-Counter oder GIFs, die über die Seite laufen . . . »An vielen Schulen scheint man zu denken: Wir sind ja im Internet, das reicht«, sagt Diara Jongue, bei der Hamburger Agentur zuständig fürs Konzeptionelle. »Die nötigen Informationen sind zwar meist vorhanden, aber die Wege dahin viel zu unübersichtlich. Nicht überzeugend für junge Eltern, die überlegen, wo sie ihre Kinder anmelden wollen, und einen zeitgemäßen Auftritt erwarten.«

»An vielen Schulen scheint man zu denken: Wir sind ja im Internet, das reicht«

Diara Jongue

Schulen müssen sich besser verkaufen

Ein Problem, das den Veranwortlichen allmählich däm­mert, denn der Wettbewerb um neue Schüler wächst. Gerade kleine Schulen oder solche in der Provinz müssen für ihr Überleben um Nachwuchs rin­gen. Generell schicken Eltern ihre Kinder nicht mehr einfach zur nächsten Lehranstalt um die Ecke, sondern sind wählerisch geworden. Dabei geht es ihnen nicht nur ums Bildungsangebot als solches, sondern auch um Atmosphäre, die jeweils gepfleg­ten Werte, smarte Organisation und so fort.

Dasselbe gilt für Lehrer, an denen gegenwärtig ja eklatanter Mangel herrscht. Laut Lehrerverband blie­ben zu Beginn des laufenden Schuljahrs 15 000 Stellen unbesetzt, besonders an Grund- und Berufsschulen. Und natürlich schauen auch die umworbenen jungen Lehrer auf die Websites möglicher Arbeitgeber. Es ist kein Zufall, dass die ersten Schulkunden von Ben & Jan nicht aus den auch bei Lehrern als Wohnort beliebten Hamburger Stadtteilen, sondern aus Groß­hansdorf kamen, einer 9000-Einwohner-Gemeinde aus dem Umland.

Branding für die Grundschule Wöhrendamm

Branding für Schulen Grundschule Wöhrendamm

Branding für Schulen Grundschule Wöhrendamm

Branding für Schulen Grundschule Wöhrendamm

Branding für Schulen Grundschule Wöhrendamm

Branding für Schulen Grundschule Wöhrendamm

Branding für Schulen Grundschule Wöhrendamm

Branding für Schulen Grundschule Wöhrendamm

Schöner lernen: Schlagen Erscheinungsbilder wie dieses für die Grundschule Wöhrendamm ein neues Kapitel beim Design für Bildungseinrichtun­gen auf? Der von der Fassade abgeleitete Entwurf lässt an Bauklötze, aber auch an Ziegelbauten denken.

Ausschreibung: Der erste Kunde und die Bürokratie

Wie so oft stand am Anfang eine persönliche Empfehlung. Das Emil-von-Behring-Gymnasium brauch­te eine neue Website, eine ehemalige Schülerin – inzwischen Designerin geworden – schlug Ben & Jan vor. Alles super, gleich loslegen? Keineswegs, denn Projekte dieser Größe werden natürlich nur über eine Ausschreibung vergeben.

Da ist es gut, dass Ben & Jan das für Anfänger gewöhnungsbedürftige Prozedere schon kannte. »Es kommt ein bisschen auf die Kommune an, aber das Geld ist in den Jahresbudgets der Schulen meist vorhanden«, so Jan Rosenstock, einer der beiden Agenturgründer. »Sie müssen nur entscheiden, wofür sie es ausgeben, ob für neues Equipment, einen Klein­tierzoo oder eben Design.« Ist die Entscheidung gefallen, heißt es Geduld haben, denn die Ausschrei­bung kann sich über viele Monate hinziehen.

Geht es bei solchen Wettbewerben mit rechten Din­gen zu, oder ist eh von Anfang an klar, wer den Zuschlag bekommt? »Es war zum Schluss doch eine echte Zitterpartie, denn natürlich engagierten sich auch andere Bewerber, vor allem lokale Unternehmen aus dem Landkreis«, berichtet Jan Rosenstock. »Aber wir bekamen den Job zum Glück, durften zeigen, was wir können, und wurden dann in Großhansdorf vom Gymnasium an die Grundschule emp­fohlen.« Was eine neue Ausschreibung und wieder langes Warten bedeutete, aber auch den Stein ins Rollen brachte. Aktuell entsteht das neue Design für die große Otto-Hahn-Gesamtschule im Hamburger »Pro­blem­stadt­teil« Jenfeld.

Branding für Schulen

»Anfangs heißt es nur: Wir brauchen eine neue Website, weil die alte nicht auf Smartphones funkti­oniert. Dann erklären wir, dass man dafür erst mal ein De­sign­kon­zept benötigt und das vor­han­de­ne, meist verpixelte illustrative Logo nicht reicht«

Jan Rosenstock

 

Design-Nachhilfe für Lehrer

Nicht nur die Bürokratie, auch mangelndes Know-how seitens des Auftraggebers ist eine Herausforderung. »Anfangs heißt es immer nur: Wir brauchen eine neue Webseite, weil die alte nicht auf Smartphones funktioniert«, berichtet Rosenstock. »Dann erklären wir, dass man dafür erst mal ein Designkonzept benötigt und das vorhandene, meist verpixelte illustrative Logo nicht reicht.« Es folgt gründliche Kunden-Education darüber, was ein Logo, eine Wort- oder eine Bildmarke überhaupt sind und dass man aus einem USP abgeleitet Farben und Schriften festlegen muss, um alles am Ende auf die Website anzuwenden. »Das wird meist schnell verstanden. Ah, wir könnten das auch bei Broschüren nutzen? Klar, das sind dann die Werbemittel. Und das neue Logo könnten wir größer als A4 drucken? Natürlich, weil wir es als Vektor bauen. Können wir draußen auch ein neues Schild anbringen? Ja, denn als Vektordatei kann man es fräsen lassen. Wenn die Schulen merken, dass sie wirklich etwas Hilfreiches bekommen, sind alle begeistert – sogar die Kollegen, die anfangs skeptisch waren.«

Schul-Brandings: Vom Leitbild zum USP

Jede Bildungseinrichtung hat ihre Werte, doch seltenst sind diese so klar formuliert wie an der Otto-Hahn-Schule in Hamburg-Jenfeld. Dort hatte man schon vor Auftauchen der Designer ein Fünf-Punk­te-Leitbild ausgearbeitet – ein echtes Manifest, das in jedem Klassenzimmer hängt und auf dem jetzt das Branding aufbaut. »Oft ist den Schulen selbst nicht bewusst, wofür sie stehen«, sagt Diara Jongue. »Besonderheiten werden nicht in den Vordergrund gerückt, etwa dass das Emil-von-Behring-Gymnasi­um eine Europaschule ist oder die Grundschule Wöh­rendamm Patenkinder in Afrika hat.« Am Ende findet das Kollegium es bereichernd, wenn die Agen­tur der Schule beim Herausarbeiten eines Alleinstellungsmerkmals quasi den Spiegel vorhält. Und das Thema Europaschule ist beim EvB-Gymnasium natürlich in Design und Farbgebung eingeflossen.

Eigene Bildwelt: Fotoshooting statt Stockfotos

Gute Fotos sind auf Schulwebsites rar – dabei sind sie Christoph Sündermann, Artdirektor bei Ben & Jan, besonders wichtig: »Du kannst ein noch so tolles De­sign entwerfen – ein echtes Bild vermittelt immer viel mehr. Die Schulen sind begeistert, wenn wir mit unseren Fotografen zum Shooting kommen, für sie eine eigene Bildwelt schaffen und am Ende einen Stock an Fotos bereitstellen.«

Doch Achtung! Schüler dürfen nur mit einer elterlichen Einverständniserklärung fotografiert werden. Bei Ben & Jan hat es sich bewährt, wenn die Ver­antwortlichen an der Schule einen Pool an Kindern als Statisten organisieren und die Agentur mit dem Fotografen einen Zeitplan erarbeitet, nach dem bestimmte Gruppen dann bei bestimmten Motiven zum Einsatz kommen.

Neues Erscheinungsbild: Emil-von-Behring-Gymnasium

Branding für Schulen Emil Behring Gymnasium

Branding für Schulen Emil Behring Gymnasium

Branding für Schulen Emil Behring Gymnasium

Branding für Schulen Emil Behring Gymnasium

Branding für Schulen Emil Behring Gymnasium

Branding für Schulen Emil Behring Gymnasium

Vogelperspektive: Der Grundriss des Gymnasiums mit verschieden eingefärbten Gebäudetypen wurde zur dynamischen Bildmarke. Dazu ein erster Entwurf für die Website, die Ben & Jan am Ende nicht selbst realisierte. Auch das Wandbild blieb ein Mock-up. Unten ein als Alternative entwickelter Designvorschlag, basierend auf der Idee von Orientierungs-, Mittel- und Oberstufe.

Branding für Schulen: Die Designentwicklung

Bei beiden Schulen in Großhansdorf inspirierte die Location das Branding. Beim Gymnasium aus den 1960er Jahren spiegelt die Bildmarke den Grundriss der verschiedenen Gebäudetrakte wider. Bei der Grundschule wiederum – vor über hundert Jahren vom berühmten Chile-Haus-Architekten Fritz Höger gebaut – kamen Elemente aus der markanten Fassade zum Einsatz. Das Logo im Backstein-Look ist ebenfalls vom Klinkerbau inspiriert.

In der Otto-Hahn-Schule waren zum Redaktions­schluss bei der Auswahl der vorgeschlagenen Va­ri­anten die Würfel noch nicht gefallen. »Man ist an dieser Schule sehr darum bemüht, dass auch die Schü­ler und 160 Mitarbeiter sich in dem Design wiederfinden«, sagt Sündermann. »Auf einer Stellwand mit unterschiedlichen Entwürfen wird sogar eine Strichliste geführt. Auch die Schülervertreter sind stimmberechtigt.«

Was gehört zum Branding bei Schulen?

Natürlich wäre es sinnvoll, Gestaltungselemente der Website vor Ort wiederzufinden. Geklappt hatte das bisher nicht, obwohl die Präsentationen von Ben & Jan immer Mock-ups zur Inspiration ent­hiel­ten. Die Otto-Hahn-Schule plant eine Wandbemalung di­rekt am Eingang und ein Leitsystem. »Schulen haben oft das Problem, dass durch Umbaumaßnahmen die We­ge vor Ort nicht klar erkennbar sind«, so Jan Rosenstock. Im Gegensatz zu Schleswig-Holstein erlaubt das Hamburger Schulgesetz auch die Nutzung von Social Media, die Otto-Hahn-Schule hat einen gut laufenden Instagram-Kanal. Ben & Jan entwickelte Vorlagen sowie Ideen für die Bildsprache.

Realisiert & nicht realisiert: Brandings der Otto-Hahn-Schule

Branding für Schulen Otto Hahn Schule

Branding für Schulen Otto Hahn Schule

Branding für Schulen Otto Hahn Schule

Nicht realisiert: Erste Entwürfe für die Otto-Hahn-Schule, mal im Keith-Haring-Look, mal mit schlichten Streifen, die für die fünf Grundwerte des Leitbilds stehen.

Branding für Schulen Otto Hahn Schule

Branding für Schulen Otto Hahn Schule

Branding für Schulen Otto Hahn Schule

Branding für Schulen Otto Hahn Schule

Zwischen- oder Endstand? Aus einem Punktraster ent­wickelte Ben & Jan Typo diverse Designvarianten, inklusive eines Bildzeichens. Wird dies das endgültige Design?

Brand-Design-Manual für Schulen: Umsetzung durch den Kunden

Das Brand-Design-Manual muss so eindeutig wie mög­lich sein, damit die Schulen es auf Dauer nutzen. Meistens werden Anwendungen wie Veranstaltungsplakate ja von einzelnen Lehrern oder Mitarbeitern mit viel Engagement in Überstunden umgesetzt. Für sie richtet die Agentur einen Canva-Account mit Vorlagen und Masken ein, in die sich Bilder und Texte einspeisen lassen. »Wir können uns dann auch einloggen und schnell am Telefon Tipps geben«, so Jan Rosenstock. »Berechnet wird das nicht – wir sind zu sehr Fans dieser Projekte, als dass wir jedes Mal die Uhr einschalten.«

Schulen: Tausende neue Designkunden?

Über 15 000 Grundschulen gibt es in Deutschland, mindestens ebenso viele weiterführende Schulen – spannende mögliche Auftraggeber. »Identities für Schulen sind echte Spaßprojekte«, findet Jan Rosenstock. »Es geht mal nicht darum, bloß Absatzzahlen zu steigern, sondern etwas Gemeinnütziges zu tun. Die Schulen sind für diese Hilfe wirklich dankbar. Allerdings ist viel Aufklärung beim Kunden nötig, den man auch in der schwierigen Ausschreibungsphase unterstützen muss – alles sehr zeitintensiv. Das Tracking-Tool darf man da nicht einschalten, Nachverhandeln geht nicht.«

Bei der Auftragsakquise sei ein hohes Maß an Sen­sibilität geboten. »Er­folgreichen Schulleitern zu sagen, dass ihre Web­site nicht gut aussieht, ist nicht der richtige Weg. Besser ist es, potenziellen Kunden Informatio­nen darüber zuzuspielen, wie sich ihre Arbeit mit Design verbessern lässt.« Sollten solche Einsich­ten sich durch­set­zen, könnte eine Lawine ins Rollen kommen …

Auftraggeber Schule: Was in der Präsentation stehen sollte

Mit diesen Informationen und Argumenten überzeugt Ben & Jan schulische Auftraggeber

  • Mögliche Alleinstellungsmerkmale von Schulen.

Warum müssen Schulen sich als Marke gegenüber dem Wettbewerb positionieren?

  • Eltern, Schüler, Lehrer.

Was ist für die einzelnen Zielgruppen wichtig?

  • Wie ticken die Wettbewerber?

Welche anderen Schulen gibt es, und wie stellen sie sich im Internet dar?

  • Was genau ist an den Websites der Mitbewerber gut, was schlecht?

Übersichtlichkeit, responsives Design, Bildsprache et cetera

  • Was macht eine gelungene Website aus?

Intuitive Benutzerführung, Mobile First et cetera

  • Die wichtigsten Funktionen von Corporate Design für Schulen.

Schul-CDs sorgen für Wieder­erkennungswert und Differenzierung und erlauben Rückschlüsse auf die Atmosphäre und den Grad der Professionalität der Einrichtung

  • Umsetzung des Corporate Design.

Welche Themen und Werte sollen das Design und die Website vermitteln? Wo soll der der Fokus liegen?

Interview mit Schulleiter: »Design aus einem Guss«

Branding für Schulen Claus SchilkeClaus Schilke, Leiter der Otto-Hahn-Schule in Hamburg, verrät, warum ihm ein neues Branding für die Schule wichtig war und es nicht ausgereicht hat, einfach eine neue Website zu gestalten. Zum Interview: Warum Schulen ein Corporate Design brauchen

Und noch ein Link zum Thema: Mehr Corporate Design für Schulen!

PDF-Download: PAGE 11.2019

Titelthema: So gelingt der Jobwechsel ++ AR-Effekte für Instagram, Snapchat & Co ++ Making-of: Vom 2D- zum 3D-Font ++ New Business: Branding für Schulen ++ Webdesign: Floating Canvas erstel-len mit Webflow ++ After-Effects-Tutorial: Typo-Animation

8,80 €
AGB

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren