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Behavioural Design: Wie wir mit Design Verhalten gezielt verändern können

Design kann Verhalten lenken und ändern. Das gilt nicht nur für E-Commerce und Werbung, sondern auch für politische und soziale Entscheidungen. Wir erklären Mechanismen des Behavioural Designs – und dessen ethischen Einsatz.

BehaviouralDesign The Deep Bench Schlüsselanhänger
Heute mal Fahrrad? Wenn der Autoschlüssel viel schwerer wäre als der fürs Fahrradschloss, würde man dann mehr Rad fahren? Solche Überlegungen und Methoden sind Teil von Behavioural Design.

Warum trennen wir im Büro keinen Müll? Wieso kaufen wir ständig Salat in Plastikschalen? Und muss die Kaffeemaschine eigentlich immer auf Stand-by stehen? Solche Fragen stellte sich die Münchner Innovationsberatung The Deep Bench und startete ein einmonatiges Experiment, bei dem sie alles trackte, was den Energieverbrauch, CO2-Ausstoß und Müllberg im Büroalltag anging. »Allein diese Selbstbeob­achtung hat schon zu einer Veränderung des Verhaltens geführt«, so Agenturmitgründerin Christiane Wenhart. »Die Mitarbeiter ha­ben zum Beispiel miteinander gewetteifert, wer weniger Müll verursacht. Und es wurden viele Gewohn­heiten hinterfragt und gebrochen.«

Redaktioneller Hinweis: Dieser Artikel ist erstmals in PAGE 02.20 erschienen – also knapp vor der Pandemie. Die grundsätzlichen Prinzipien des Behavioural Designs sind aber gerade in dieser Situation äußerst hilfreich und finden ihre Anwendung, zum Beispiel wenn es darum geht, Leute zum Abstand halten zu bewegen.

Allerdings war damit zum Ende des Experiments größtenteils Schluss. Das veranlasste die Agentur, weiterzudenken: Wie verändert man Verhalten nachhaltig? Schließlich entwickelte sie ein »Behavioural Change Kit«, das zwölf Ansätze umfasst – sechs, um aus der Komfortfalle herauszukom­men, und weitere sechs, um nicht wieder darin zu landen.

Get up & carry on! Ein Selbstexperiment gab der Agentur The Deep Bench den Anstoß, ein »Behavioural Change Kit« zu entwerfen. Es ist unterteilt in zwei Phasen: Menschen dazu bringen, etwas zu ändern – und es dann auch langfristig durchzuhalten.

Was The Deep Bench mit ihrem Nachhaltigkeitsexperiment und dem daraus folgenden Toolkit betrieb, nennt man Behavioural Design: Auf der Basis von Beobachtung und psychologischen Modellen erarbeitete die Agentur Methoden, um mensch­li­ches Verhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken und langfristig zu verändern. Natürlich kann man argumentieren, dass letztlich jede Form von Design ein bestimmtes Verhalten bewirken will – in den meis­ten Fällen: »Kauf das!«. Der Unterschied zum Behavioural Design ist, dass dieses sich explizit damit beschäftigt, wie und warum Menschen Entscheidun­gen treffen – und daraufhin Mittel konzipiert, um Verhalten aktiv zu steuern.

Behavioural Design: Lass das! Tu das!

Viele dieser Methoden wenden gute Designer be­reits intuitiv an, aber eine bewusste Beschäftigung mit den dahinterliegenden Mechanismen erlaubt es, diese gezielt einzusetzen – vor allem, wenn mal etwas klemmt. »Manchmal hat man eine gute Idee, aber irgendetwas fehlt oder funktioniert noch nicht richtig. Da kann es helfen, sich die Modelle aus dem Behavioural Design anzuschauen«, erklärt Peter Post, Geschäftsführer bei Scholz & Volkmer in Wiesbaden, der das Behavioural-Design-Konzept in die Digital­agentur hineinträgt und Kurse für Mitarbeiter gibt. Seit 2018 veranstaltet Scholz & Volkmer gemeinsam mit der Innovationsberatung supernju und der Kom­munikationsagentur giinco einmal im Jahr ein Behavioural Design Camp in Wiesbaden, zu dem sich jeder anmelden kann.

Gutes tun: sozial verträgliches Verhalten fördern

Während sich die Begründer des Behavioural De­signs vor allem für die Gesetzmäßigkeiten menschlichen Handelns interessierten (mehr dazu sowie zu Grund­begriffen wie Bias und Nudge unten), ging es in der Anwendung schnell darum, mit den Erkennt­nissen Geld zu verdienen: Wie bringe ich Menschen dazu, sich für meine Produkte und Services zu entscheiden? Auch im heutigen Web- und UX Design werden Nudges vornehmlich unter diesem Aspekt gesehen und eingesetzt.

Aber es gibt ein Umdenken. Behavioural Design wird zunehmend für »das Gute« angewendet – also dafür, nachhaltiges und sozial verträgliches Verhalten zu fördern. So widmet sich etwa das Behavioural Design Camp von Scholz & Volkmer Themen wie Umweltschutz und Kommunalpolitik. »Die Welt braucht kein weiteres Seminar dazu, wie man besser verkauft«, sagt Peter Post. Der Einsatz im E-Commerce ist für ihn der »Todesstern des Behavioural Designs«. Stattdessen geht es bei den Camps zum Beispiel darum, wie man Autofahrer dazu bringt, schlauer zu parken, oder Gastwirte dazu, Steuern zu bezahlen.

Behavioural Design Scholz & Volkmer
Was ist okay? Was nicht? Auf der Frankfurter Buchmesse 2019 machte Scholz & Volkmer mit einem Stand auf das Thema Behavioural Design aufmerksam. Die Besucher wurden gefragt, welche Methoden sie angemessen fänden, um »besseres« Verhalten zu bewirken – und welche zu weit gehen.

Im ersten Jahr war dort neben weiteren Speakern Jorn Craeghs zu Gast, Co-Gründer der Behavioural Design Academy in Amsterdam (hier im Interview). In seiner Tätigkeit als selbstständiger Berater legt er seinen Schwerpunkt auf Projekte, bei denen es darum geht, Menschen zu helfen, ein gesundes, nachhaltiges und glückliches Leben zu führen. Ein wichtiges Bias – so nennt man kognitive Verzerrungen, die unser Verhalten bestim­men – im Bereich Nachhaltigkeit ist laut Craeghs die Verlustaversion: »Menschen geben ungern etwas auf. Sie schätzen Dinge, die sie schon besitzen, als wesentlich wertvoller ein als Dinge, die sie gewinnen könnten. Deshalb kommen Verzichtsaufforderungen bei Autos, Fleisch und Fliegen nicht sonderlich gut an.«

Derzeit arbeitet Craeghs gemeinsam mit der Katholischen Universität Leuven in Belgien an einem Forschungsprojekt mit dem Ziel, Menschen dazu zu bewegen, ihre CO2-Bilanz zu verbessern. »Dafür ana­lysieren wir den CO2-Fußabdruck von 100 Personen und erstellen für jeden einen maßgeschneiderten Plan, wie er ihn reduzieren kann. Dabei versuchen wir, die größte Reduktion bei kleinstem Aufwand zu erzielen«, erklärt Craeghs. Anschließend will das Team die Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Teilnehmer erheben. »Das gibt uns Aufschluss über die mentalen Barrieren, die Menschen von einem nachhaltigen Lebensstil abhalten – und wie wir sie überwinden können.«

Sanf­te Beeinflussung oder Manipulation: Darf man das?

Aber auch wenn es für gute Zwecke eingesetzt wird, weckt Behavioural Design bei vielen moralische Bedenken. Tatsächlich scheint der Grat zwischen sanf­ter Beeinflussung und Manipulation schmal. Die meis­ten Behavioural Designer berufen sich auf die Integrität ihrer Ziele: Schließlich hätten sie das Bes­te im Sinn. Richard Thaler und Cass Sunstein (die Erfinder des Nudges, siehe unten) bezeichnen ihren Nudging-Ansatz als »Libertären Paternalismus«: Letztlich helfe man Menschen nur dabei, Entscheidungen zu treffen, die sie im Grunde selbst wollten (etwa: sich gesund zu ernähren). Wichtig sei dabei, die Optionen nicht einzuschränken – die Pommes muss es in der Kantine weiterhin geben. Sonst wäre es ja reiner Paternalismus. Gerade im po­litischen Kontext kann diese Art der Bevormundung aber auch Unwillen hervorrufen. Der Designforscher Dan Lockton warnt vor einem »Nanny State«, in dem Regierungen überfürsorglich in die Entscheidun­gen der Bevölkerung eingreifen.

Dennoch: Für viele Zwecke ist Behavioural Design durchaus legitim. »Dem Planeten läuft die Zeit davon«, sagt Peter Post. »Über Kommunikation und Informationen hat es bisher nicht geklappt, ein Um­denken zu erzeugen. Deshalb probieren wir es jetzt mit Behavioural Design. Unser Ziel ist es, es Leuten leichter zu machen, sich nachhaltig zu verhalten.« Jorn Craeghs ist sogar der Meinung, es sei heuchlerisch, erst bei der Umsetzung von Maßnahmen ethi­sche Bedenken zu äußern: »Die Moralfrage sollte ganz am Anfang stehen: Ist das geplante Projekt gut für die Menschheit oder nicht? Wenn nicht, lassen Sie es gleich! Aber wenn Sie wirklich davon überzeugt sind, nutzen Sie alle Methoden und Tools, die Ihnen zur Verfügung stehen.«

Im Behavioural Design geht es darum, Dinge klarer zu machen und die Aufmerksamkeit zu lenken. Manipulation findet nur dann
statt, wenn man die Wahrheit verbiegt. Niemals lügen! Das ist mein ethischer Kompass

Jorn Craeghs, Kommunikationsberater in Antwerpen

Aber nicht nur die Ziele sind entscheidend, auch die Herangehensweise trägt dazu bei, wie Behavioural Design wahrgenommen wird. So sollte man stets transparent und ehrlich vorgehen und Menschen nicht täuschen oder drängen. »Bei den meis­ten Methoden geht es darum, Dinge klarer zu machen und die Aufmerksamkeit zu lenken. Manipulation findet nur dann statt, wenn man die Wahrheit verbiegt. Niemals lügen! Das ist mein ethischer Kompass«, so Jorn Craeghs.

Unpleasant Design: an der Grenze zu fragwürdi­gen Methoden

Ein Bereich an der Grenze zu ethisch fragwürdi­gen Methoden ist das sogenannte Unpleasant Design. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Maß­nah­men im öffentlichen Raum, die bestimmtes Ver­hal­ten unterdrücken sollen, etwa das Schlafen auf Bänken, Drogenmissbrauch, Skaten oder Herumlungern. Da­zu gehören unbequeme Sitzbänke oder pinkfarbe­nes Licht an unerwünschten Teenager-Treffpunkten, weil darin Hautunreinheiten besonders hervortreten. Maß­nahmen wie diese haben nichts mehr mit sanftem Nudging zu tun. Sie machen den öffentlichen Raum für manche Gruppen bewusst unbequem bis nicht nutzbar – im Interesse anderer Gruppen.

Wie alle Techniken kann auch Behavioural Design für böse Zwecke verwendet werden – etwa von rechts­extremen Parteien, um Angst in der Bevölkerung zu schüren. Das macht aber nicht die Methoden an sich schlecht. »Letztlich muss jeder Desig­ner für sich ent­scheiden, ob er Behavioural Design einsetzen möchte oder nicht. Es braucht einen morali­schen Kompass, den man haben oder entwickeln muss. Sonst sollte man besser die Finger davon lassen«, sagt Peter Post.

Behavioural-Design-Konzept: Selbst aktiv werden

»Um Behavioural Design für nachhaltiges Verhalten zu machen, muss man als Agentur sehr nah an der Produktentwicklung sein. Das ist im Digitalbereich leichter«, sagt Peter Post. Dennoch sind solche Aufträge auch bei Scholz & Volkmer noch spärlich gesät. Deshalb startet die Agentur viele eigene Initiativen in dem Bereich, wie das Kiezkaufhaus für nachhaltigen und regionalen Konsum. Post sieht die öffentliche Hand in der Pflicht, solche Projekte in Auftrag zu geben. Ein großes Vorbild sind England und die Niederlande: »Dort gibt es einen ganz anderen Zugang zu Design im öffentlichen Bereich.« Die Verbreitung des Behavioural-Design-Konzepts könnte dabei helfen, dieses Bewusstsein für Design auch in Deutschland zu verbreiten, glaubt Christiane Wenhart von The Deep Bench: »Der Begriff könnte das Re­framing von Design als ganzheitliche und wirksame Disziplin vorantreiben.«

Nicht zuletzt hilft die Kenntnis dieser Methoden und Mechanismen auch im eigenen Alltag. So wird man wesentlich feinfühliger dafür, wann man selbst in eine bestimmte Richtung gelenkt wird – und kann sich auch selbst dazu bringen, Gewohnheiten aufzu­nehmen oder abzulegen. »Letztlich handelt es sich um Kulturtechniken, die man lernen sollte, um sie im positiven Sinne einzusetzen – aber auch um zu merken, wenn sie an einem selbst angewendet werden«, so Peter Post. Und wer denkt, dass er nicht so einfach zu beeinflussen ist: Diese kognitive Verzerrung trägt den Namen »Bias Blind Spot« (die Tendenz, sich für unbeeinflusst zu halten).

Grundlagen zu Behavioural Designs: Schnelles Denken und sanfte Stupse

Die Ursprünge des Behavioural Designs liegen in der Psychologie und den Wirtschaftswissenschaften. Eine kurze Einleitung für alle, die mehr über die Entstehung der Disziplin und ihre Grundbegriffe wissen wollen

Ein wichtiger Grundstein des Behavioural Designs liegt in der Arbeit des Psychologen Daniel Kahneman. Er entwickelte die Theorie, dass Menschen auf zwei Weisen denken: schnell und langsam. 98 Prozent des menschlichen Denkens verlaufen laut Kahneman schnell, also automatisch, unbewusst und ohne Aufwand. Nur die restlichen 2 Prozent sind bewusst, kontrolliert und rational. Das bedeutet: Men­schen treffen den Großteil ihrer Entscheidungen irrational. Dabei helfen ihnen Heuristiken, also Faustregeln, mit denen sie schnell und unkompliziert Schlüsse ziehen können, meist auf Basis vorheriger Erfahrungen. So praktisch diese Heuristiken sind, in komplexen Situationen können sie zu Urteilsfehlern führen. Zu solchen kog­nitiven Verzerrungen – Bias genannt – gehört zum Beispiel der Bestätigungsfehler: Die Neigung, Informationen so aus­zuwählen und zu interpretieren, dass sie die eigenen Erwar­tungen erfüllen. Auf Wikipedia findet sich eine lange Liste kognitiver Bias, die einen guten Einblick in die mensch­li­che Urteilsfindung gibt.

Ein weiterer wichtiger Grundstein für Behavioural Design ist die Arbeit von Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und Rechtswissenschaftler Cass Sunstein. Mit ihrem Buch »Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth and Happiness« (2008) führten sie den heute sehr gängi­gen Begriff ein. Unter einem Nudge (deutsch: Stups oder Schubs) versteht man eine Methode, die das Verhalten von Menschen ohne Verbote beeinflusst – nur dadurch, dass man bestimmte Aktionen leichter und andere schwerer macht. Berühmt ist die Fliege im Pissoir, die Männer zum besseren Zielen verleitet. Das Lieblingsbeispiel von Thaler und Sunstein ist die Anordnung von Essen in der Schulkantine: Sobald gesundes Essen gut sichtbar auf Augen­höhe platziert, ungesundes dagegen unten versteckt wird, greifen mehr Schüler zur gesunden Variante. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Nudges, die man je nach Kontext und gewünschtem Verhalten einsetzen kann.

Ein weiterer Mitbegründer des Behavioural Designs ist der Verhaltenswissenschaftler BJ Fogg, auf dessen Modell sich so gut wie alle Behavioural Designer stützen. Er begründete 1997 das Persuasive Tech Lab in Stanford, das er später in Behavior Design Lab umbenannte. Foggs einfache Formel: Verhalten = Fähigkeit + Motivation + Auslöser. Dieses Modell hilft sowohl bei der Analyse von Verhalten als auch bei dessen Veränderung: Sind die Personen physisch und psychisch in der Lage, etwas zu tun? Sind sie ausreichend motiviert? Brauchen sie vielleicht einen Anreiz – oder muss man eine Hürde entfernen? Auf dieser Basis ent­warf Fogg eine Matrix, die fünfzehn Verhaltensänderungsstrategien umfasst. Eine umfang­reiche Sammlung an Methoden samt Beispielen hat auch der Designforscher Dan Lockton vorgelegt:

Design mit Absicht: Toolkit zur Anwendung von Behavioural Design

Der Interaction Designer und Designforscher Dan Lockton hat ein frei nutzbares Toolkit entwickelt, das bei der Anwendung von Behavioural Design hilft

Unter dem Titel »Design with Intent« hat Dan Lockton eine umfangreiche Methodensammlung für Behavioural Design erarbeitet, die er mit vielen Beispielen aus der Realität anschaulich erklärt. Auf die Gestaltung des öffentlichen Raums lassen sie sich ebenso anwenden wie im Produkt-, Kommunikations- und Interaction De­sign. Derzeit arbeitet Lockton als Assistenzprofessor und Vorsitzender des Instituts für Designforschung an der Carnegie Mellon University School of Design.

Pinball, Shortcut oder Thoughtful User?

Dan Lockton definiert drei Perspektiven auf die Nutzer, die auf unterschiedlichen Annahmen über die menschliche Natur beruhen:

Pinball User. In diesem Modell werden Nutzer wie Kugeln in einem Flipper betrachtet. Man treibt sie mittels Design in bestimmte Richtungen und zu Handlungen, oft ohne dass sie es bemerken. Das geschehe meist aus Effizienz- oder Sicherheitsgründen, etwa beim räumli­chen Abstand zwischen Geldautomaten. Dieser Ansatz sei nicht unbedingt negativ zu bewerten, so Lockton, da er den Nutzern ermögliche, sich sinnvoll zu verhalten, ohne viel darüber nachdenken zu müssen.

Shortcut User. Dieses Modell geht davon aus, dass Nutzer etwas so schnell und mit so wenig Aufwand wie möglich erledigen wollen. Entsprechend nehmen sie Ab­kürzungen und treffen schnell Entscheidungen auf Basis bisheriger Erfahrungen und Gewohnheiten. Ziel sind also möglichst intuitive, einfach zu nutzende Produkte und Services. Dieses Modell liegt dem Nudge-Konzept zugrunde.

Thoughtful User. Dieses optimistische Modell definiert den Nutzer als engagiert, motiviert und nachdenklich, als jemanden, der jede Möglichkeit wahrnimmt, um mehr über die Welt und seine Wirkung auf sie zu erfahren. Es geht davon aus, dass Menschen analytisch darüber nach­denken, was sie warum tun – und entsprechend offen sind für Informationen und Argumente. Ob und wann Nutzer tatsächlich so rational sind, hängt laut Lockton stark vom jeweiligen Kontext ab.

Die Methoden und ihre Anwendung

Die einzelnen Methoden ordnet Dan Lockton acht verschiedenen Betrachtungsperspektiven zu, die er »Len­ses« nennt: Architectural, Errorproofing, Interaction, Ludic, Perceptual, Cognitive, Machiavellian, Security. Die vorgestellten Techniken beeinflussen das Verhalten, entweder indem sie die Umgebung gestalten oder indem sie den Verstand ansprechen. Die Methoden selbst formuliert Lockton als Fragen. Damit will er zum Nachdenken anregen, statt Wenn-dann-Lösungen anzubieten wie andere Methodenkarten. Drei Beispiele:

Falscher Nutzwert. Hier täuscht man ein nützli­ches Feature vor, das entweder einen anderen oder gar keinen Nutzen hat. Als Beispiel verweist Lockton auf den »Türen schließen«-Button in Aufzügen, der oftmals nur der Illusion dient, den Prozess zu beschleunigen.

 

Schuldgefühle lindern. »Wenn Sie unser Produkt nut­zen, verursachen Sie nicht ganz so viel Schaden wie mit anderen«: Mit solchen Botschaften kann man User beeinflussen, die zu schlechtem Gewissen neigen. Gera­de in Anbetracht der Klimakatastrophe ein nützliches Tool.

 

Einschränkende Atmosphären. Sensorische Elemen­te wie Licht, Klang, Geruch oder Haptik werden so eingesetzt, dass sie bestimmte Verhaltensweisen erschweren. Ein Beispiel dafür ist blaues Licht in Clubtoiletten, um Drogenmissbrauch zu verhindern, weil man darin die Venen nicht sieht. Diese Methode ist auch ein Beispiel für Unpleasant Design.

Insgesamt umfasst Dan Locktons Toolkit über neunzig Metho­den. Hier kann man es sich gratis herunterladen.

Behavioural Design: »Sprechen Sie immer das irrationale Hirn an«

Jorn Craeghs ist Experte für Behavioural Design. Wir fragten ihn, wie er Behavioural Design definiert, wie man es am besten einsetzt und was es von Manipulation unterscheidet. Hier ein Ausschnitt aus dem Interview.

Jorn Craeghs
Jorn Craeghs

Weiterführende Links zum Thema Behavioural Design

Für alle, die noch tiefer einsteigen wollen, haben wir hier einige weiterführunde Links zusammengestellt:

Wissenschaftler und Experten

Quellen und Material

Behavioural Design lernen:

 

Dieser Artikel ist in der PAGE 02.20 erschienen, die Sie als PAGE+-Abonnent hier kostenlos herunterladen können.

PDF-Download: PAGE 02.2020

Fotografie: Comeback in Kommunikation, Branding und UX Design ++ Behavioural Design: Wie wir mit Design Verhalten gezielt verändern können ++ Vegan drucken – so geht’s ++ Creative Coding für Designer ++ Framing als Kreativmethode ++ Dos & Don’ts: Mit UX an die Spitze ++ John Maeda im Interview

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