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Verpackung 2020: Mehrwert statt Convenience-Müll

Packaging-Design-Experte Uwe Melichar erklärt, warum Verpackungen nicht verzichtbar sind.

Zum Erzfeind des aufgeklärten Konsumbürgertums ist seit kurzer Zeit die Plastiktüte aufgestiegen. Stigmatisiert von Kinderfernsehen, Schulen und kunstgewerblichen Museen, scheinen ihre Tage gezählt. Doch ist sie nur der kleinste Teil einer wesentlich komplexeren Debatte, die die Kritik an Verpackungeninsgesamt betrifft. Coffee-to-go-Becher müssen nicht sein, gar keine Frage. Doch durch die grenzenlose Mobilität der Menschen entstehen entsprechende Verpackungsformen. Nach Minis kommen Snack-Bits, alles jederzeit verfügbar, alles einzeln verpackt, alles convenient. Aber müssen wir unbedingt im Bus essen oder auf einer einstündigen Flugreise ein einzeln verpacktes Käsebrot verzehren? Und steckt nicht andererseits im Bemühen, mit der Tupperdose vom Markt lose Ware schützend nach Hause zu tragen, eine Konsumkritik, die den Mehrwert von Verpackungen so gleich mehrfach verkennt?

Erstens: Der traditionalistische Verzichtsansatz glaubt nicht an Materialinnovationen. Schade, denn auch Verpackungen und die Stoffe, aus denen sie bestehen, unterliegen einer Evolution und werden immer besser, nachhaltiger und digital-kommunikativer. Der Soziologe Norbert Elias, der den »Prozess der Zivilisation« analysiert hat, hätte womöglich im nackten, schutzlosen »Produkt an sich« eine Art Entzivilisierungsschub erkannt.

Zweitens: Teile der aktuellen Verpackungskritik unterstellen eine Zweiteilung in ein substanzielles, nützliches Produkt und eine ästhetisch orientierte Hülle ohne wirklichen Nutzen. Schade, denn gerade intelligent ausgedachte Verpackungen tragen zu einer Gestaltungshöhe bei, die das Produkt mit seiner Hülle zu einer Einheit verschmelzen lässt. Wer freut sich nicht über das Unboxing-Erlebnis beim neuen iPhone, wenn der Deckel mit diesem einmaligen Pffft nach oben gleitet, oder wenn die Nintendo-Switch schrittweise ihre Verpackung entblättert und dabei das Produkt didaktisch sinnvoll erklärt wird?

 

»Intelligent ausgedachte Verpackungen tragen zu einer Gestaltungshöhe bei, die das Produkt mit seiner Hülle zu einer Einheit verschmelzen lässt«

 

Drittens: Nichts trennt so sehr wie der Geschmack. Primärverpackungen sind insofern Katalysatoren der gesellschaftlichen Abgrenzung oder eben Verbindung, indem sie ästhetische Muster aufnehmen, in denen sich die einen wiedererkennen, die anderen jedoch gerade nicht. So tragen sie zur weiteren Ausdifferenzierung bei und damit meist auch zu einer Uptrading- Bewegung. Kaffee, Tee und Chips sind Segmente, in denen das aktuell sehr deutlich zu sehen ist. »Beruhigender Abendgruß« im Teebeutel erzeugt eben gegenüber der losen Kamillenblüte einen größeren Mehrwert. Ist doch gut für alle! Aber Jammern nutzt nichts. Es gibt genug Ansatzpunkte, um auf unnötige Verpackungselemente zu verzichten oder mittels Reduzierung von Materialstärken und Einsatz alternativer Werkstoffe die notwendigen Produkthüllen zu optimieren. »Vermeiden, vermindern, verändern« sind die Schlagworte – wobei insbesondere das Vermindern in Verbindung mit light engineering, also einer neuen Konstruktion beziehungsweise Statik, sowie auch der Einsatz von Hybridlösungen, die Materialien klug kombinieren, äußerst vielversprechende Lösungsansätze im Structural Packaging bieten.

Uwe Melichar arbeitet seit 1995 bei der Markenagentur Factor, seit 1999 als geschäftsführender Partner Packaging. Er ist Mitglied im Type Directors Club New York und Präsident der European Brand & Packaging Design Association (epda). Der Verband bringt Produkthersteller, Designer und Verpackungsindustrie zusammen und veranstaltet pro Jahr zwei größere Konferenzen und einige regionale Events.

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Richtig rasend machen Uwe Melichar sogenannte Clamshell-Verpackungen: »Um eine kürzlich bei Ikea gekaufte Glühbirne aus der bösen Plastikpackung zu befreien, brauchte ich viel Zeit und schweres Gerät. Das muss nicht sein!«

 

Aus den USA kommt das Superwerkzeug zum öffnen solcher Plastikhüllen – in einer ebensolchen verpackt!

 

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