Nicht zuletzt die Qualität der Zusammenarbeit von Agentur und Auftraggeber! Genau dieses Thema beleuchtete die CXI Konferenz am 8. Juni in Bielefeld.
Zum zweiten Mal fand die von Prof. Robert Paulmann (FH Bielefeld) organisierte CXI Konferenz in Bielefeld statt, davor hatte sie ihre Heimat an Paulmanns alter Wirkungsstätte Mainz. Das Konzept: Agenturvertreter und Kunde stehen gemeinsam auf der Bühne und präsentieren nicht nur ihr gemeinsames Projekt, sondern berichten auch von ihrer Zusammenarbeit. Die Projekte reichten diesmal von einer Stadt-CI über Audio Branding bis hin zu einem Startup-Branding. Die Moderation übernahm in diesem Jahr Karin Schmidt-Friedrichs vom Verlag Hermann Schmidt Mainz.
Gruppenarbeit
Den Auftakt machte eine große Runde: Fünf Vertreter der Gruppe Bochum berichteten gemeinsam mit Andreas Bentler, Leiter Stadtmarketing, wie sie Bochum ein sympathisches, stimmiges Erscheinungsbild verpassten – und damit das Selbstbewusstein der ganzen Stadt pushten. Die Gruppe besteht insgesamt aus neun Agenturen, die sich mit einem gemeinsamen Entwurf im Wettbewerb durchsetzten. Da bedurfte es ein paar Regeln bei der Zusammenarbeit. Allen voran: Die beste Idee gewinnt – egal von wem sie kommt.
Die beste Idee gewinnt – egal von wem sie kommt.
Autarke Gruppen arbeiteten an einzelnen Elementen, kommuniziert wurde viel über Facebook. Wenn es mal Streit gab, wurde demokratisch entschieden – »obwohl Design an sich nicht demokratisch sein kann«. Am Ende waren alle Beteiligten sehr zufrieden mit dem Ergebnis – und ziemlich stolz darauf, die Herausforderung gemeinsam bewältigt zu haben. Die finanzielle Belohnung war dagegen verschwindend gering (50.000 Euro geteilt durch 9) – und ging zu einem Großteil für die gemeinsame Feier drauf.
Sprint!
Die nächsten Speaker reisten aus London und Zürich an: Terry Stephens von moving brands und Sascha Weishaupt, Head of Brand Strategy & Management bei Swisscom. Die beiden Partner arbeiten bereits seit 9 Jahren zusammen. Zentrales Thema ihres Talks: der Paradigmenwechsel im Brand Management.
»Wer heute abwartet, bis alles perfekt ist, ist viel zu langsam«
»Wer heute abwartet, bis alles perfekt ist, ist viel zu langsam«, so Weishaupt. Brand Manager müssten sich an iteratives Denken gewöhnen, die Marke ständig hinterfragen und immer offen für neue Ansätze sein. Gerade für große Unternehmen eine große Herausforderung. Moving Brands und Swisscom arbeiten daher in Sprints zusammen: in kurzen Abständen mit ganz viel Kommunikation. Ihre abschließenden Tipps:
Embrace Change
Do Things differently
Be One Team
Was ist wirklich wichtig?
Im Anschluss berichteten Sven Ritterhoff, Creative Director beim Hamburger Designstudio Mutabor, und Barbara Tischhauser Bandli, Head of Brand Management beim Chemiekonzern Clariant, von einer sehr harmonischen Kunde-Agentur-Beziehung (»Die Chemie stimmt«). Dabei ist Tischauser Bandlis Hintergrund als Industriedesignerin hilfreich: Sie kennt sich mit Kreativprozessen aus und ist den Vorschlägen der Kreativen gegenüber immer aufgeschlossen und bereit, neue Wege zu gehen.
Ebenso hilfreich – wenn nicht noch wichtiger – ist das Engagement des Clariant-CEO Hariolf Kottmann: Er rief nach der Lektüre eines FAZ-Artikels höchstselbst bei Mutabor an und vereinbarte ein Treffen. Nix Pitch. Gemeinsam erarbeiteten die Agentur und der Konzern eine neue Brand Identity, wobei sie die Mitarbeiter weltweit miteinbezogen. Daraus entstand etwa ein emotionaler Film aus Videoaufzeichnungen, in denen die Mitarbeiter berichten, was ihnen wirklich wichtig ist – gemäß dem Clariant-Claim: »What is precious to you?«
Gesang und Tanz
Nach der Mittagspause machten Markwald Neusitzer Identity und die Deutsche Oper am Rhein so richtig Lust auf einen Oper- und Ballettbesuch. Voller Begeisterung berichtete Heide Koch, Leiterin Marketing und Kommunikation des großen Konzerthauses, von der Hands-on-Arbeit mit der in Frankfurt und Düsseldorf ansässigen Designagentur. Der Kontakt entstand übrigens über ein Gesuch, das sie in PAGE schaltete und auf das sich über 100 Agenturen gemeldet hatten. Nur fünf Tage hatte Markwald Neusitzer Zeit, um den Entwurf für ein Signet vorzulegen – und überzeugte damit so sehr, dass es nun das neue Logo des Opernhauses ist.
Bei der regelmäßigen Produktion des Spielzeitheftes und der Werbemittel denken sich die Partner immer wieder Neues aus – Fotoserie vom Rhein, abstrakte Wasser-Darstellungen oder Porträtfotos von Balletttänzern, bei denen nur deren Füße zu sehen sind, zum Beispiel. Die Herausforderung dabei: Das eigentliche Produkt (also das fertig inszenierte Stück) existiert zu dem Zeitpunkt der Produktion noch nicht. Die Redner waren so begeistert von ihrem Projekt (und steckten damit das Publikum an), dass die Moderatorin einschreiten musste, um den Zeitplan einzuhalten.
Was auf die Ohren
Nach den vielen visuellen Eindrücken sorgten why do birds und Gore-Tex im Anschluss für Abwechslung: Bei der Vorstellung des Audio-Brandings für die Marke war der Gehörsinn der Zuschauer gefordert. Alexander Wodrich, Managing Director der Berliner Agentur für Audio Branding und Design, und Katrin Berlet, Brand Managerin Gore-Tex, berichteten anschaulich, wie man Markenattribute in Klang übersetzt.
Dabei gebe es keine Blaupause oder direkte Übersetzung, sondern es gehe vielmehr darum, ob die Töne die Markenmerkmale wirklich treffen. Für Gore-Tex, Hersteller eines Kunststoffs, der gleichzeitig wasserabweisend und atmungsaktiv ist, spielt der Verwendungsbereich in Outdoor- und Sportklamotten naturgemäß eine große Rolle. Um diese Klangwelt zu schaffen, formulierte why do birds drei Sound-Prinzipien:
Inside-Outside (innen ist es warm und trocken)
Soundscape (Natur in Töne übersetzt)
Rhythmus (durch Schritte erzeugt)
Daraus entstand ein dreisekündiges Audio Logo, das den Sound eines Reißverschlusses, Windgeräusche und Herzklopfen kombiniert. Anschließend zeigte Wodrich Ausschnitte aus dem Style Guide für den Brand Sound – denn so etwas gibt es nicht nur für visuelles Design.
Flyiin high
Zum Abschluss berichteten Marco Spies, Managing Partner bei think moto, und Stéphane Pingaud, CEO von flyiin, von ihrem Konzept des Minimum Viable Brandings. Um das Startup flyiin auf die Beine zu stellen, eine Flugbuchungsplattform, über die sich Flügen und Zusatzservices direkt bei den Airlines buchen lassen, entwickelten sie die Marke Schritt für Schritt, wobei sie sich stets auf den Design-Thinking-Prozess stützten. Spies war von Pingauds Idee übrigens so begeistert, dass er als Mitgründer einstieg.
Die drei Schritte des Minimum Viable Brandings:
1.Brand = Product, to be
Am Amfang stand ein rougher Entwurf, ein Moodboard, um Airlines, Partner und Mitarbeiter zu finden. Hier wurden die grundsätzlichen Markenwerte (simple, transparent, exciting) formuliert. Zudem entwickelte das Team Personas, User Journeys und erste Entwürfe für eine visuelle Sprache.
2. Brand = Company, to be
Als eine Person wäre flyiin… In diesem Schritt wurde die Markenpersönlichkeit festgeklopft sowie vier Gestaltungsansätze entworfen. Während dieser Phase stagnierte die Entwicklung, was auf das mangelnde Engagement des damaligen CTO zurückzuführen war. Nachdem dieser das Projekt verlassen hatte, platzte der Knoten und flyiin nahm finale Formen an. Learning: Bei einer Startup-Gründung läuft nicht immer alles rund. Man muss immer hinterfragen, ob man auf dem richtigen Weg ist und warum etwas eventuell nicht klappt – und dann reagieren.
3. The final route, so far
Die Entscheidung für das Logo ist gefallen, die Plattform steht, Investoren sind an Bord. Es kann los gehen.
Fazit: Minimum Viable Branding hilft dabei, die Produktvision zu schärfen, eine Unternehmenskultur zu schaffen und Investoren und Mitarbeiter zu finden. Wichtige Voraussetzung dabei: Die Agentur muss auf Augenhöhe mit dem Kunden arbeiten können (auch wenn sie nicht selbst beteiligt ist) und als Sparringspartner die Unternehmensstrategie mit entwickeln dürfen.
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