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20 Jahre PAGE: Jubiläumsausgabe »PAGE XXL«

20 Jahre PAGE – 20 Jahre Desktop Publishing: In unserer Jubiläumsausgabe »PAGE XXL« erinnern sich die Protagonisten an die Anfänge der Medienrevolution und schärfen den Blick auf Kommendes. Darunter Erik Spiekermann, Stefan Sagmeister, Ruedi Baur, Bertram Schmidt-Friderichs, Prof. Kurt Weidemann, Mario Lombardo, Fons Hickmann, Mirko Borsche

Desktop

 

Editorial: Desktop 20.06

1986 fing alles an: Mit dem Mac Plus, dem LaserWriter und PageMaker wurde die Idee des Desktop Publishing geboren, PAGE machte sich ans Werk und …

… und schon sind wir mittendrin in der Revolution, welche die Medien- und Kreativbranche nach wie vor in Atem hält: Ich studiere Kommunikationsdesign – ganz klassisch, versteht sich, mit Sprühkleber, Bleisatz, Reißschiene und so – und jobbe nebenbei in einem kleinen Designstudio, das nicht nur den Seitenumbruch am Mac erledigt und über den Fotosatzbelichter Linotronic 300 druckfertige Filme ausgibt, sondern als DTP-Schulungsunternehmen und Apple-VAR-Vertriebspartner auch zu den ersten Anzeigenkunden von PAGE zählt.

Fantastische Perspektiven tun sich auf! Ja, ich sehe alles noch ganz genau vor mir – auf meinem Schreibtisch im Wandel der Zeit: Die Startausgabe der PAGE, die ich auf der Orgatech in Köln ergattere; den Aldus-Pin, den ich trage, während ich auf der Messe aufgebrachten Schriftsetzern die Seitengestaltungssoftware PageMaker vorführe; meine Diplomarbeit »DESKTOP DE?!GN«, mit der ich beim ersten PAGE-DTP-Wettbewerb den Hauptpreis gewinne, nämlich einen LaserWriter II; meine erste in Eigenregie gestaltete PAGE, die – welch Fauxpas! – ohne Logo erscheint; einen Fotoabzug von dem Nachmittag, an dem uns Quark-Chef Fred Ebrahimi in den Redaktionsräumen an der Elbe XPress 2.0 präsentiert; ein Farbmuster für vorliegende PAGE XXL, das im Dunkeln wie ein Monitor leuchtet; und, und, und …

Bewegte Zeiten liegen hinter uns – Hypes, Sites und Terabytes. Als dann der Dotcom-Traum zerplatzte, schien die alte Ordnung wiederhergestellt. Und tatsächlich, heute, fünf Jahre nach dem großen Crash, meldet die »Zeit« Verkaufsrekorde, die »WirtschaftsWoche« verdreifacht ihre Kioskauflage, und die Übernahme von ProSiebenSat.1 durch die Axel Springer AG ist vereitelt. Keine Frage, die Old Economy versteht ihr Geschäft. Und dann gibt es da ja auch noch jene Behörde, die allzu große Machtkonzentrationen zu verhindern weiß. Doch machen wir uns nichts vor: Die Medienwelt steht Kopf. Eine ganze Generation wendet den klassischen Kommunikationskanälen den Rücken zu und verlagert ihre Interessen in die virtuelle Welt. Von Eingeborenen des Internets ist sogar schon die Rede.

Sicher, werden Sie denken, das haben uns die Gurus schon immer prophezeit. Aber, Hand aufs Herz, haben wir es auch für möglich gehalten? Als wir 1986 allesamt lautstark die DTP-Revolution ausriefen, haben wir damals wirklich schon gewusst, was da auf uns zukommen würde? Nein, wir hatten allenfalls eine vage Ahnung davon. Zuerst glaubten wir, die Demokratisierung der Gestaltungstools würde lediglich die Druck- und Satzbranche umkrempeln. Aber dann entstanden da plötzlich ganz neue Medien und Ausdrucksformen. Heute hat sich das Netz längst als globale Plattform der Massen durchgesetzt. Und wir Kreativprofis beginnen gerade erst die gesamten Auswirkungen auf unser Business zu erfassen.

Zwanzig Jahre DTP, das ist nicht nur der Wandel des digitalen Gestaltens und Kommunizierens, das ist die Liberalisierung der Medien. Und da stehen uns die gravierendsten Umwälzungen noch bevor. In den kommenden Jahren werden uns bislang unmöglich geglaubte Allianzen auf Trab halten. Apples Einstieg in die Unterhaltungselektronik machte hier bloß den Anfang. Derzeit in den RSS-Feeds: Telekom und Microsoft in Sachen IPTV. Oder Google. Gar nicht auszumalen, was geschieht, wenn das Online-Unternehmen tatsächlich eine der größten global agierenden Werbeagenturen übernimmt.

Der gewaltige Knall zum Jahrhundertwechsel war nicht das Ende, sondern der Beginn einer neuen Ära, unbestritten – der Paradigmenwechsel geht in die nächste Runde, und die Parole lautet: Kreativbranche 2.0. Bleibt die Frage, ob wir unsere Lektion auch wirklich gelernt haben. Und so werfen wir in unserer Jubiläumsausgabe denn auch bewusst noch einmal den Blick zurück nach vorn: 20 Jahre PAGE, das ist die Geschichte des Desktop Publishing, der Individualisierung der Medien – doch halt! In PAGE XXL resümiere und revidiere nicht ich, sondern Sie, liebe Leser. Schließlich sind Sie es, die zwei Jahrzehnte lang spannende Design-, Werbe- und Mediengeschichte geschrieben haben und die Ideen von Morgen kreieren. Der Glückwunsch gebührt Ihnen!

Wir danken Ihnen von Herzen. Mögen Sie uns auch in Zukunft reichlich Anlass geben, über originelle Ideen zu berichten und entscheidende Technologien zu forcieren – uns weiter loben, kritisieren und vor allem mitgestalten! Auf die nächsten Dekade!

Gabriele Günder,
Chefredakteurin/Publisher

(im Mai 2006)

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