uli Gudehus über den von ihr geplanten, nicht unumstrittenen Ehrenpreis für gute Gestaltung
Vor sechs Jahren sorgte die Berliner Gestalterin Juli Gudehus für Aufsehen mit ihrer Kritik am Designpreisder Bundesrepublik Deutschland (siehe PAGE 08.06, Seite 15). Jetzt plant sie einen Gegenentwurf: den Ehrenpreis, der im nächsten Frühjahr erstmals vergeben werden soll. Die wichtigsten Unterschiede zu den gängigen Designauszeichnungen: Der Ehrenpreis ist kein Wettbewerb, er ist offen für sämtliche Gestaltungsdisziplinen und die Teilnahme ist kostenlos. Scouts schlagen herausragende Arbeiten vor, von Juli Gudehus ausgewählte Gutachter und Juroren vergeben die Auszeichnungen. Der Ehrenpreis soll Tugenden würdigen wie Unabhängigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Neugier und Humor. In disziplinunabhängigen Kategorien sollen zum Beispiel Arbeiten ausgezeichnet werden, »die sich mit einem besonders unliebsamen oder delikaten Thema befassen«.
Während Juli Gudehus von vielen bekannten Gestaltern Unterstützung bekommt, gibt es auch kritische Stimmen. So sagt etwa ochen Rädeker, Geschäftsführer von Strichpunkt und ADC-Präsidiumssprecher: »Juli Gudehus ist fraglos eine ehrenhafte Gestalterin mit vielen guten Ideen. Ihre neueste gehört nicht dazu: Denn Ehrungen sind in der Designbranche alles andere als Mangelware. Wohl keine andere Branche zeichnet sich lieber aus als wir eitlen Kreativen, und in keinem anderen Bereich gibt es mehr Ehrungen, die vor allem dem finanziellen oder ideellen Wohl ihres Veranstalters dienen. Dass sich Juli Gudehus als ›Geschäftsführerin des Ehrenpreises‹ vorstellt, lässt da nichts Gutes ahnen. Unserer Branche täte statt noch eines Preises viel eher eine Konzentration auf einige wenige, seriös und umfassend jurierte Wettbewerbe gut.« Auch die Ernennung der Jury durch eine Person sieht Jochen Rädeker kritisch. Wir sprachen mit Juli Gudehus über den Stand der Dinge.
Wie weit sind Sie mit der Planung? Juli Gudehus: Im Moment arbeite ich das Konzept aus. Ich führe Gespräche mit klugen und erfahrenen Leuten, deren Kritik und Rat das Ganze stärken und präzisieren. Im Zuge dessen werden mir die Dimensionen dieses Vorhabens erst richtig klar. Und ich staune, wie der Ehrenpreis in kürzester Zeit bereits derartigen Zuspruch findet – und tatkräftige Unterstützung. Ich habe zwar den Stein ins Rollen gebracht und bin darum die Frontfrau, aber ich bin schon jetzt nicht mehr allein. Das Ganze steht und fällt mit den Personen, die daran beteiligt sind. Meine wichtigste Aufgabe besteht derzeit darin, nicht nur die besten Mitstreiter, sondern auch die spannendsten, sympathischsten, integersten Leute für die Jury und für die Runde der Gutachter zu gewinnen.
Wer soll das alles bezahlen?
Momentan investieren alle Beteiligten ihre unbezahlte Arbeitszeit. Und das nicht zu knapp. Ohne Geld kann es allerdings, auch als Non-Profit-Organisation, auf Dauer nicht gehen. Darum ist schon jetzt jede Spende höchst willkommen. Sobald Jury und Gutachterrunde stehen und die eigentliche Website funktionsfähig ist, können potente Sponsoren gewonnen und Fördermittel beantragt werden. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob es uns gelingt zu vermitteln, dass auch Design eine sponsoringbedürftige, förderungswürdige Kulturleistung ist.
Es gibt bereits Dutzende Designpreise. Was wollen Sie mit dem Ehrenpreis erreichen? Design ist im Unterschied zu Theater oder Kunst sehr alltäglich. Fast alles, was uns umgibt, ist gestaltet. Um Design zu erleben, muss man nirgendwo hingehen, es steht auf keinem Podest. Darum nehmen es vermutlich die wenigsten bewusst wahr. Was Laien als Design auffällt, ist ja nur ein winziger Ausschnitt des gesamten Schaffens. Der Ehrenpreis soll die Wahrnehmung entsprechend schärfen. Wie beim Bundesverdienstkreuz wird darum jeder Bürger Arbeiten nominieren können, die er für preiswürdig hält. Ich will erreichen, dass vor allem solche Gestalter geehrt und gefördert werden, die dazu beitragen, unsere Welt zu verbessern, uns Ärger ersparen, uns aufmuntern, uns helfen. Ich will erreichen, dass sie Preisgelder erhalten, die ihnen erlauben, unabhängig von Zeitdruck und Erwerbszwang mehr solcher Arbeiten zu erschaffen.