Harald Geisler erklärt im Interview, wie er seinen typografischen Wandkalender aus alten Computer-Tastaturen gestaltet hat und warum seine Idee so erfolgreich ist.
Harald Geisler erklärt im Interview, wie er seinen typografischen Wandkalender aus alten Computer-Tastaturen gestaltet hat und warum seine Idee so erfolgreich ist.
Den typografischen Wandkalender von Harald Geisler stellten wir bereits vergangenes Jahr vor. Für dieses Projekt zerlegt der Frankfurter Typograf alte Computertastaturen in ihre Einzelteile und kreiert aus den Tasten einen Kalender, indem er sie so arrangiert, dass sie Monate und Tage ergeben. Das fertige Arrangement fotografiert Harald Geisler und verkauft Abzüge als großformatige Drucke.
In den vorigen Jahren war sein »Typographic Wall Calendar« so erfolgreich, dass er wohl gar nicht umhin kam, auch für das Jahr 2012 einen zu gestalten. Wie schon zuvor finanzierte er sein Projekt über die Crowdfunding-Plattform »Kickstarter«. Das Unglaubliche: Der Kalender für 2012 hat sein gesetztes finanzielles Ziel bereits um ein 16-faches übertroffen, und die Aktion ist noch nicht beendet.
Wir sprachen mit Harald Geisler über das Projekt:
Der Typo-Kalender geht dieses Jahr in seine dritte Runde. Auf Kickstarter ist das gesetzte Ziel schon um ein vielfaches übertroffen. Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Der »Typographic Wall Calendar« ist eine ungewöhnlich große Arbeit, die zwar direkt aus der Arbeit mit dem Computer hervorgeht, sich umgekehrt aber ganz schlecht in ihm darstellen lässt. Das liegt an der Größe von 70 x 100 cm und dem Detailreichtum, das bei einer Größenreduzierung verloren geht. Dieses Jahr habe ich mich deshalb dafür entschieden, die Arbeit gleich in einem Video in Form eines Interviews vorzustellen, um das komplexe Projekt verständlich zu machen. Das Video kann neugierig machen und im günstigen Fall zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung verführen.
Mir schreiben aber auch immer wieder Käufer, dass sie das Projekt nicht verstanden haben, sich aber trotzdem einen Kalender bestellt haben, weil sie fasziniert sind. Das gefällt mir besonders, denn was der »Typographic Wall Calendar« vor allem bietet, ist nicht etwas, das man versteht, wenn man Verstehen als Nutzbarkeit begreift. Effektiv wird der Kalender erst im Auseinandersetzen mit dem Wie oder Was er vorgibt zu sein.
Sie sagen, die Idee für den Kalender kam ihnen 2009, als Sie eine Karte nach dem selben Prinzip gestalteten. Wie kamen Sie darauf, alte Computer-Tastaturen zu verwenden?
Es gibt viele Dinge die mich speziell an der Arbeit mit dem »Typographic Wall Calendar« interessieren. Lassen sie mich zwei Motive aufgreifen. Als Typograf interessiert mich nicht nur das Geschriebene, sondern auch das Aufschreiben als Tätigkeit. Die Tastatur oder im Einzelnen die Taste ist der Gegenstand mit dem sich das Schreiben vollzieht. Wenn ich die Tasten des Kalenders zeige, tritt der Text des Kalenders nicht sofort in Erscheinung. Die Taste liegt ihrem Gebrauch nach einen Moment vor dem Erscheinen des Textes. Auf diese Weise verharrt das Bild aus Tasten vor dem Text-Werden und weist auf das Aufschreiben an sich.
Das zweite wichtige Motiv beim »Typographic Wall Calendar« ist ein Tagtraum, der mit Schreiben zu tun hat. In meiner Vorstellung malte ich mir jemanden aus, der in einem Büro arbeitet und zum Beispiel Rechnungen an Kunden sendet. In jeden Brief wird das Datum eingegeben. Ich stellte mir vor, wie es aussehen würde, wenn die dabei gedrückten Tasten Tag für Tag, Monat für Monat, abgetragen werden würden. Ein gigantischer Berg von Tastaturtasten würde so über die Jahre zustande kommen. Der »Typographic Wall Calendar« ist sozusagen die verkleinerte und geordnete Variante dieses Berges.
Wie schaffen Sie es, beim Gestalten des Kalenders nicht durcheinander zu kommen?
Ich schaue mir das Bild nicht an, wenn ich es mache. Um nicht durcheinander zu kommen, fertige ich mir einen Plan an, der mir genau vorgibt, an welcher Stelle welches Teil zu liegen hat. Dabei lese ich den Text nicht nur von links nach rechts, sondern in alle Richtungen auch nach oben und unten. Es gibt einfache Kontrollmöglichkeiten: Die Wochentage zum Beispiel folgen einer gleichmäßigen Struktur. Dadurch ergeben sich im fortlaufenden Text Muster. Verfolgen Sie z.B. den Montag von der obersten Zeile so wird er Zeile für Zeile gleichmäßig verschoben. Nur der Wechsel der Monate verursacht eine Verschiebung. Da diese aber regelmäßig auftritt, ist sie auch wieder als Muster erkennbar. Folgt man diesen Regelmäßigkeiten, kann man sehr leicht feststellen, ob man einen Fehler gemacht hat.
Trotzdem bin ich mir nie wirklich sicher. Die vier- und fünffache Kontrolle ist zwar mühsam, aber ich mache das ja auch nur einmal im Jahr.
Wie lange haben Sie insgesamt an dem Kalender für 2012 gearbeitet?
Das ist sehr schwer zu berechnen, es ist ja ein Projekt, das ganz viele verschiedene Arbeitsbereiche einschließt. Nicht nur den Kalender, sondern auch Texte müssen geschrieben werden, ein Video gedreht, Druckabwicklung und Logistik geplant. Es ist ein kleines Unternehmen geworden. Es gibt zum Glück genug Freunde, die angeboten hatten, Poster zu rollen und zu verpacken. Dieses Jahr habe ich einen Vertriebspartner gefunden und kann zumindest die Verantwortung für die Logistik nach dem Druck abgeben.
Für das reine Erstellen des Kalenders habe ich 2009 noch über einen Monat gebraucht. In 2010 nur noch zehn Tage. Der 2012 Print wird etwa eine Woche brauchen.
Welche Arbeitsschritte sind erforderlich bis der Kalender-Print fertig ist?
Wenn ich den Prozess auf das Handwerkliche reduziere, dann sind es folgende Schritte: Zuerst demontiere ich die Keyboards und sortiere die Tasten. Hierfür habe ich einen speziellen Sortierkasten gebaut, ähnlich wie die Setzkästen, die man aus dem Bleisatz kennt. Dann erstelle ich einen schriftlichen Plan, wo genau welche Taste hinkommt. Anschließend baue ich ein kleines Fotostudio auf und mache mich an die genaue ungenaue Arbeit – ich fasse die Tasten in unregelmäßigen Quadranten zusammen und fotografiere Stück für Stück mit einem Reproobjektiv. Da das fertige Bild aus vielen Einzelteilen zusammengefügt wird, muss ich große Sprünge und Verzerrungen in der Perspektive vermeiden. Schließlich korrigiere ich die fertigen Bilder und montiere sie zu einem Ganzen.
Wie hoch ist die Auflage des Kalenders für 2012?
Bis jetzt sind zwei Tausend Stück geplant. Das wird aber am 7. November, wenn das Projekt bei Kickstarter endet, genau entschieden.
Erhältlich ist der Kalender über die Webseite von Harald Geisler, zum Preis von 25 Euro pro Exemplar.
Bild: Harald Geislers Plan fürs Erstellen des Kalenders.
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