Zwiebelfische im Museum der Arbeit
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ine kleine Druckerei in Glückstadt schrieb international Geschichte. Erstmals ist jetzt ihr »Chinesischer Zirkel« zu sehen.
Der Betrieb J.J. Augustin war in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Ein engagiertes Unternehmen, das 1935 Jimmy Ernst, den Sohn von Max Ernst, unter seine Fittiche nahm, ihn mit einer Schriftsetzerlehre vor der Verfolgung der Nationalsozialisten schützte – und ihm später zur Flucht in die USA verhalf. Und das sich in einer Zeit, in der Deutschland sich vor allem Fremden verschloss, weit öffnete: mit einer Setzerei, die weltberühmt dafür war, auch arabische und chinesische Schriftzeichen drucken zu können. Das ermöglichte die Entwicklung des »Chinesischen Zirkels«, einem runden Setzkasten mit unglaublichen 12.000 Schriftzeichen in dessen Mitte der Setzer stand.
Um die verschiedenen Zeichen unterscheiden und finden zu können, entwickelte Augustin ein komplexes und wohl durchdachtes System, das die Schriftzeichen ihrer Gestalt nach in einer nummerierten Liste anordnete … Später kamen griechische und hebräische Lettern und Fremdalphabete wie das äthiopische, koptische, tamilische, tibetische und das japanische hinzu.
In der Ausstellung »Zwiebelfische« ist der »Chinesische Satzzirkel« jetzt im Hamburger Museum der Arbeit zu sehen. Ebenfalls ausgestellt werden Fotos von Candida Höfer, die für den Kinofilm »Zwiebelfische – Jimmy Ernst, Glückstadt – New York« (siehe PAGE) entstanden sind. Während der Ausstellung ist er täglich um 13 Uhr zu sehen. Ergänzt wird die Schau von Aufnahmen von August Sander und WOLS und historischen Fotografien der Druckerei J.J. Augustin.
Noch heute steht das Gebäude an der Elbe, ist ein verwunschener Ort und öffentlich nicht zugänglich. Die amerikanische Dependance hingegen, die JJ Augustin Inc, druckt weiterhin in Locust Valley nahe New York.
Der chinesische Satzzirkel, Aufnahme um 1938, Archiv Druckerei J.J. Augustin © Museum der Arbeit
Monotype-Tastatur zur Erzeugung eines Lochstreifens für eine Einzelbuchstaben-Gießmaschine mit äthiopischen Zeichen, Filmausschnitt 2010 © Museum der Arbeit
Jimmy Ernst 1939, Fotoalbum der Leonora Carrington, Max-Ernst Museum Brühl © Museum der Arbeit
Abb. oben: Chinesisches Zeichen für »Buch« oder »schreiben«, symbolisiert eine Hand mit fünf Fingern und einer Papierfläche darunter, zweifarbiger Holzschnitt von Artur Dieckhoff, 2010 © Museum der Arbeit
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