In den 1960ern zeichnete Matthew Carter für das spektakulär moderne Oceanic-Terminal des späteren Flughafen Heathrow die »Airport«. Der Frankfurter Typograf Lukas Schneider hat ihre vergessene Geschichte recherchiert – und sie digital neu interpretiert.
Die Geschichte der Airport Type begann im Dezember 2023. Da entdeckte Lukas Schneider der Revolver Type Foundry aus Frankfurt am Main ein Spiel, das der Ravensburger Verlag 1979 herausgebracht hatte, um Kindern beim Zählen lernen zu unterstützen.
Ein Retro-Fund, dessen Schrift auf der Schachtel dem Typografen ins Auge fiel – und nicht mehr als dem Kopf ging.
Die Formen der Buchstaben erinnerten ihn an die Helvetica und mit ihren runden Ecken dachte er zuerst an eine Helvetica Rounded.
»Die Schrift hatte jedoch eine wesentlich größere x-Höhe, die Versalien waren weniger breit, und außerdem hatten die Glyphen weiße Tupfen, die einen Glanzeffekt erzeugten«, sagt Lukas Schneider.
Auch eine Letraset-Schrift war es nicht. Sondern es war die Airport Spotlight, wie er dank des Berliner Typografen und Grafikdesigner Florian Hardwig herausfand, der sie in einem Katalog der Stuttgarter Layout-Setzerei Stulle von 1985 aufspürte.
Schrift für das Jet Age
Die Airport Spotlight war eine Variation der Schrift Airport, die Matthew Carter Anfang der 1960er Jahre für die Beschilderung des Londoners Flughafens entwickelt hatte, der 1966 zu London Heathrow wurde.
Allerspätestens hier merkt man, wie viel Leidenschaft in der Airport steckt, die Florian Schneider schließlich zeichnete.
Doch so weit war es noch nicht. Denn dann fing Florian Schneider an, die wenig beleuchtete Grafik-Geschichte des Londoner Flughafens zu recherchieren, der 1961 für Langstreckenflüge eingeweiht wurde – und nahm schließlich Kontakt zu Matthew Carter (*1937) selbst auf, der die Airport einst gezeichnet hatte.
Serifenlos sollte die Schrift sein, die fortan das ultramoderne »Oceanic«-Terminal typografisch auszeichnen sollte. Und, genau wie das Terminal selbst, das Jet Age feiern. Ganz so wie Beschilderung des Designers Colin Forbes (1928–2022) selbst, der Matthew Carter mit dem Airport-Alphabet beauftragte.
Gleichzeitig sollte die Schrift an die Akzidenz-Grotesk angelehnt sein, die Abschlüsse aber waagerecht gehalten werden. Die Arbeit an dem Flughafenalphabet für Colin Forbes soll sehr unkompliziert gewesen sein, erinnerte sich Matthew Carter. Und das auch, als sich in der Entwurfsphase ergab, die x-Höhe der Kleinbuchstaben zu vergrößern, um die Lesbarkeit zu optimieren.
Schließlich wird das Leitsystem eines Flughafens oft mit größerem Abstand und bei höherer Geschwindigkeit gelesen, wie Lukas Schneider den Typografen zitiert.
Ready for the digital Departure!
Die digitale Interpretation der Airport von Lukas Schneider gibt es als Airport und Airport X. Dabei hat er sich jedoch ein paar Freiheiten genommen, die Proportionen und Öffnungen variiert und sich auch für eine gleichmäßigere Modulation entschieden.
Begonnen hat er mit der Entwicklung der Airport Bold, die sehr eng an das Original angelehnt ist und hat sie dann um leichtere Grade ergänzt.
Insgesamt umfassen die Airport und Airport X je sieben aufrechte Schnitte mit übereinstimmenden Zeichensätzen und OpenType-Funktionen.
Die Buchstabenformen der Airport folgen der frühen Version, die auf den Originalschildern verwendet wurden. Die Airport X hingegen hat Lukas Schneider mit einer kleineren x-Höhe wieder näher an die Akzidenz herangerückt, sodass sie sich auch für kleinere Größen eignet.
Sind beide Unterfamilien auch als Variable Font verfügbar, gibt es darüber hinaus noch einen dritten, der sowohl die Airport als auch die Airport X umfasst und über eine zweite Achse zur Feineinstellung der optischen Größe verfügt.
Die Fonts unterstützen mit ihren zahlreichen Akzent- und Sonderzeichen 279 Sprachen, es gibt verschiedene Ziffernarten, Währungszeichen, Symbole – und, ganz im Airport-Style, eine ganze Reihe von Pfeilen.
Sogar eine eigene Minisite hat Lukas Schneider für die Airport eingerichtet. Dort ist die gesamte spannende Recherche zur Airport ebenso zu finden wie zahlreiche typografische Detailinformationen. Und natürlich ist sie in der Revolver Type Foundry zu finden.
Bild: MM Resources GmbH, Switzerland