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Schriften auf Trikots: Darauf kommt es an!

Christoph Koeberlin ist nicht nur Type­designer und Font Engineer, sondern auch Experte in Sachen Schrift und Sport. Auf Twit­ter zeigt er regelmäßig eigene Entwürfe, aber auch Be­obachtungen zu gelungenen und weniger gelungenen Trikotbeschriftungen. Wir sprachen mit ihm über die Faszination von Ziffern im Fußball.

Beispiel für schlecht lesbare Schrift auf Trikot
Christoph Koeberlin (  @sportsfonts_com  ) twitterte zwanzig Möglichkeiten, den Namen Draxler zu lesen. Mehr braucht man zur Schrift auf unseren WM-Trikots nicht zu sagen

»Schriften auf Trikots sieht man oft an, dass sie von Grafik­designern gemacht worden sind: gute Idee, aber nicht professionell umgesetzt«

Warum fasziniert dich das Thema Zahlen auf Trikots so?
Christoph Koeberlin: Schrift und Ziffern sind im Sport wahnsinnig präsent, aber gleichzeitig immer noch völlig unterschätzt. Applikationen, Farben und Muster stehen bei Trikotpräsentationen im Vordergrund, während der Rücken oft einfach leer bleibt. Dabei haben Fans ein großes Interesse am Thema und reagieren oft sehr emotional. Das zeigen die vielen Diskussionen in den sozialen Medien.

Gibt der Trikotsponsor die Schrift für Namen und Zahlen auf den Textilien vor, oder kann der Verein das selbst bestimmen?
Normalerweise macht das der Ausrüster oder es ist von der Liga vorgegeben, etwa in Spanien oder England. Da gibt es ein großes Interesse an Wiedererkennbarkeit, das bei Vereinen offensichtlich noch nicht so da ist, sonst würden sie eher mal aufbegehren. Was mich wirklich wundert, ist, dass die meis­ten Vereine noch nicht die großen Vorteile einer eigenen Schrift sehen: Das Trikot wird auch von hinten unverwechselbar, und keiner kann es originalgetreu beflocken, ohne die Schrift vom Verein zu lizenzieren – sie amortisiert sich quasi von selbst!

Was zeichnet eine gute Schrift für Trikots aus?

Typografisch geht es im Grunde um klassische Regeln der Leserlichkeit, wenn der Spieler weit weg und in Bewegung ist, und der Stoff Falten wirft. Also beispielsweise offene und gut unterscheidbare Buchstaben, die nicht zu eng gesetzt sind. Dem entgegen steht aber oft, dass eine gewisse Ästhetik bedient werden muss, etwa der übliche Versalsatz.

Die Ästhetik ist ja sehr vorgegeben: eckig, bold, condensed. Warum ist das so?
Eigentlich würde man mit einer »sportlichen« Schrift ja eher Begriffe wie Dynamik, Bewegung, Geschwin­digkeit verbinden und vielleicht kursive, geschwungene Buchstaben erwarten. Aber die archetypische Sportschrift ist tatsächlich eckig und ohne Dynamik, wahrscheinlich weil sich das leichter schneiden und nähen ließ. Ihrer Sportassoziation hat das bis heute keinen Abbruch getan.

Sollte man bei der Gestaltung eines Corporate Fonts für einen Fußballklub immer auch die Trikots im Hinterkopf haben oder zeichnet man dafür lieber eine eigene Schrift?
Das hängt vom Briefing ab. Man kann eine Type entwickeln, die sowohl auf Trikots als auch in der sons­tigen Kommunikation gut funktioniert, aber man kann es auch getrennt sehen. Dafür würde sprechen, dass eine Hausschrift auf lange Zeit angelegt ist, wäh­rend Trikots häufig nur für eine Saison gestaltet werden – und die Schrift mit.

Welches waren die absurdesten Trikot­nummern, die du je gesehen hast?
Absurd finde ich, wenn die türkische Liga eine Standardschrift für alle Vereine vorgibt und das dann Arial ist. Oft sieht man Schriften an, dass sie von Grafikdesignern gemacht sind: gute Idee, aber nicht professionell umgesetzt. Ein negativer Höhepunkt war hier der adidas Font 2018, der sehr viel Interpretationsspielraum beim Lesen der Namen zuließ …

Und welche haben dir gut gefallen?
Mich freuen unerreichte Klassiker wie adidas’ Drei-Streifen-Schrift aus den Siebzigern (man kann keine Schrift aus drei Linien machen, die nicht nach adidas aussieht), oder wenn es der niederländische Typedesigner Sander Neijnens schafft, auf den Trikots seines Heimatvereins Willem II Tilburg holländische Antiquaziffern frisch aussehen zu lassen. Gut gefallen haben mir auch die St.-Pauli-Trikots von 2016. Die Schrift passte toll zum Verein und war auch technisch gut gemacht.

Typo & Fußball PAGE 10.2021

  • Links: Mit der Nummer 7 sehen Sie Julian … Oaaxlea? Darkler? Orahlea? Ah, Draxler! Die Schrift auf den adidas-Trikots 2018 war hinsichtlich ihrer Lesbarkeit ein ziemlicher Reinfall
    https://twitter.com/sportsfonts_com Bild: © adidas
  • Mitte: Was hat sich Real Madrid bloß bei den Trikots für die Saison 2021/2022 gedacht? Bei einem Topspieler wie Benzema mag das »Lesen« noch funktionieren, bei weniger bekannten Namen wird es schwierig
    https://is.gd/benzema Bild: © Real Madrid
  • Rechts: Wohl dem, der etwas von Spacing versteht. Dann wäre hier kein neuer Verein entstanden: BR Aunschweig
    https://is.gd/twittereintrachtbsnews Bild: © Eintracht Braunschweig/Finn Beek
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Bild: Lars Wiedemann

Christoph Koeberlin ist einer der gefragtesten Fonttechniker Europas, gestaltet aber auch selbst Schriften |

 

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