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OpenType-Features: Schnickschnack oder nützliche Werkzeuge? Teil 1

In der PAGE 11.2015, die ab dem 7. Oktober am Kiosk ist, stellen wir die Schrift Goodlife vor, die über jede Menge OpenType-Features verfügt. Wir fragten die Community, was sie von diesen Features hält.

»Nutzer wissen oft nicht, was OpenType-Features sind«

Nils Thomsen, Typedesigner Hamburg 

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OpenType-Features sind eine großartige Erfindung. Seit meinem Studium 2005 in Kiel beschäftige ich mich immer wieder mit diesem Thema und war schon damals fasziniert von den Möglichkeiten, die darin stecken.

Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass fast niemand der Nutzer, also Grafik-Designer, weiß, was OpenType-Features eigentlich sind. Und genau da liegt das Problem. Denn sie sind in den Grafik Programmen wirklich gut versteckt .

In Zusammenarbeit mit Absatz und Zeichenformaten in Indesign sind OpenType-Features das Hilfreichste, was sich ein moderner Typograf vorstellen kann. Einfachste typografische Kniffe können somit automatisiert werden.

Ich nutze diese Features sehr gerne und habe in meiner Schrift Jabana über 30 Features eingebaut. Natürlich verliert der User dabei die Übersicht. Aber ich denke, dass die Standard Features bei jeder Schrift ein Muss sind und zusätzliche Stylistic Sets eine Schrift bereichern können, sodass man fast ein komplett neues Schriftbild und Schrifterlebniss erreichen kann.

Auch finden sich in den letzten Jahren immer mehr Handschriften auf dem Markt, hier machen die automatisierten Features natürlich besonders Sinn, um den handgemachten Charakter zu stärken.

Ich freue mich somit über diese Möglichkeiten und wünsche mir von Adobe eine benutzerfreundliche Oberfläche für die User.

 

»Es ist schön, wenn man mit Schriften spielen kann«

Verena Gerlach, Designerin, Berlin

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Ich nutze vor allem alle jeweils passenden Ziffernsets, und, wenn passend, die Kontextbedingten Ligaturen. Bei jeder neuen Schrift probiere ich auch immer alles gleich aus.

Es ist schön, wenn man mit Schriften spielen kann. Nur wenig andere Formen in einigen Zeichen (manchmal reichen hier sogar schon vier oder fünf) können das Schriftbild eines Textes komplett anders erscheinen lassen. Das ist doch toll!

Allerdings finde ich auch, dass der oder die Designer klare Entscheidungen bezüglich des Designs treffen sollte. Manche Alternativformen wirken in manchen Schriften eher unentschieden.

Schade ist es, dass die Features gerade bei Adobe Produkten so unübersichtlich versteckt sind, und viele Grafikdesigner schlichtweg nicht wissen, welche Möglichkeiten ihnen manche Schriften anbieten, beziehungsweise wie sie diese dann anwenden können.

Auch stellen manche Schriftvertriebe in der Übersicht nur die Grundvariante dar, und all die schönen Gestaltungsmöglichkeiten werden kaum erkannt und genutzt.

 

»Für Digital Designer haben OpenType-Features wenig Nutzen«

Burkhard Müller, Kreativdirektor, deepblue networks AG

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Als Designer liebe ich Schriften, die mit einer Menge OpenType-Features daherkommen. Während meines Studiums stand House Industries mit ihren wunderschönen Interpretationen alter Plakatschriften ganz hoch im Kurs. Der Designprozess wird durch solche Schriften und die vielen zusätzlichen Zeichen enorm beschleunigt.

Als Kreativdirektor, der vornehmlich digitale Projekte umsetzt, haben sie für mich aber wenig Nutzen. Klar, in Pitches kann man sie gut einsetzen, aber spätestens wenn es in die Realisierung eines Projektes geht, stößt jede OpenType-Schrift schnell an ihre natürlichen Grenzen. Der Zeit- und Preis-Vorteil ist schnell dahin, wenn man erstmal beginnt Sonderlösungen zu entwickeln. Für meine Projekte hat sich die Kombination aus einer Schriftfamilie, die alle Standardzeichen abdeckt und einem individuell gestalteten Icon-Font bewährt.

 

»Schade, dass Adobe so ein schlechtes User Interface für die Features bietet«

Felix Braden, Grafik-Designer und Schriftgestalter, Köln

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Ich bin ein großer Fan der Opentype-Features, glaube aber nicht, dass man deren Bedeutung pauschal beurteilen sollte. Es gibt sicherlich Schriften, die keine Features brauchen, oder besser gesagt Schriftanwender, die ohne genauso glücklich sind.

Für mich sind einige Typen, wie zum Beispiel Schreibschriften und Fonts mit handgeschriebenem Charakter durch die Opentype-Features allerdings erst interessant geworden. Gerade im Deutschen, wo Paare gleicher Buchstaben keine Seltenheit sind, muss es Buchstaben-Variationen geben, damit das Schriftbild handgemacht aussieht.

Bei gut ausgebauten Fließtext-Schriften wurde die Integration der grundlegendsten und wichtigsten Funktionen wie Kapitälchen, unterschiedliche Zahlensysteme, spezielle Ligaturen und Swashes etc. zwar auch in der Vergangenheit schon über Umwege, wie Expert-Zeichensätze gelöst, mit den Opentype-Features lässt sich das aber alles in einer Schrift unterbringen, besser abrufen und ist viel komfortabler für den Nutzer.

Schade nur, dass Adobe so ein schlechtes User Interface für die Features bietet – InDesign versteckt die Funktionen zum Beispiel in einem Untermenü der Zeichen-Palette. So werden die Features gar nicht gefunden – außer von den wenigen Typografie-Interessierten – und der Komfort bleibt auf der Strecke. Ich bin aber zuversichtlich, dass das Engagement der von Yves Peters und Nadine Chahine ins Leben gerufenen #AdobeTypeUI-Kampagne Früchte trägt und sich dieser Zustand bald ändern wird.

Ich hoffe außerdem, dass das Potenzial der Opentype-Software und der Features über die Jahre erweitert wird. Je mehr Informationen von der Schrift-Software über die Gestaltungssituation abgefragt werden können, desto spezifischer kann die Schrift reagieren: so könnten optische Zeichenanpassungen je nach Schriftgröße automatisch vorgenommen werden oder Ligaturen verwendet werden um Wort-Trennungen am Zeilenende zu vermeiden.

Grundsätzlich glaube ich, dass jede Verbesserung der Schrifttechnologie zur Verbesserung der Typografie im Allgemeinen führt und somit für uns alle mehr Lesekomfort bietet.

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