Nach finanziellen Schwierigkeiten und Rassismus-Vorwürfen schließt der Type Directors Club New York nach 74 Jahren seine Türen.
Abbildung: courtesy Bobby Martin Jr.
Es war schon ein Paukenschlag, als Juan Villanueva, zwei Jahre lang Boardmember des Type Directors Club, am 23. Juni auf medium.com seine Mitgliedschaft aufkündigte, weil der TDC seiner Meinung nach eine rassistische Organisation sei.
»Today I resigned from the Type Directors Club. I joined the TDC in 2013 when I was in college and I’ve been on the board of directors for the past two years. I came to the TDC because I love type and building community. But after two years, I’m stepping down because the TDC is a racist organization.«
Zwei Tage später entschuldigte sich der TDC bei Juan Villanueva:
»First and foremost, we, the TDC board, apologize to Juan. His commitment and contribution to the TDC during his tenure was invaluable. His leaving is a huge loss, and his experience as a board member, which left him feeling, as he said in his statement, “steamrolled, suppressed, silenced and condescended to” is our failure.«
Und nun, am 30. Juni 2020 gab der TDC bekannt, seine Türen endgültig zu schließen. Der Grund seien aber keineswegs die Rassismus Vorwürfe, sondern schon länger bestehende finanzielle Schwierigkeiten, die – verstärkt durch Covid-19 – nun zur Insolvenz geführt hätten.
Von hier aus ist es unmöglich zu beurteilen, ob die Vorwürfe von Juan Villanueva berechtigt sind, mutig war der Schritt von ihm auf jeden Fall. Trotzdem finde ich das Verschwinden des TDC schade. Seit nunmehr fast 30 Jahren schreibe ich für PAGE und der jährlich stattfindende TDC Award gehörte von Anfang an dazu. Anfangs kam eine große Kiste von New York über den Atlantik nach Mainz zum Verlag Hermann Schmidt, wo ich einige Male dabei sein konnte, wenn Karin und Bertram Schmidt-Friderichs die Kiste mit den tollen Arbeiten auspackten.
Später kamen Wechseldatenträger per FedEx, noch später in Sekundenschnelle die Daten per Wetransfer.
Es gab Jahre, da waren die Arbeiten durchweg fantastisch, in anderen gab es nur wenige Highlights. Immer aber war es eine Bereicherung und unglaublich inspirierend, auf diese Art einen Blick in andere Gestalterwelten werfen zu können.
Noch dieses Jahr schrieb ich bei unserem Bericht über den TDC Award, dass ich neugierig sei, wie Covid-19 die Arbeiten im nächsten Jahr beeinflussen würde. Daraus wird nun nichts.
Es ist aber nicht nur schade um das Stück Tradition, das mit dem TDC verschwindet, der Type Directors Club war auch der einzige Wettbewerb, der einen Schwerpunkt auf Typografie legte. Das wird der Branche fehlen.
Klar ist aber auch, dass der TDC es in den 74 Jahren seines Bestehens versäumt hat, sich ab und an zu erneuern und auf neue Zeiten einzustellen. Statt dessen wirkte die recht überschaubare Organisation mit nur etwa 900 Mitgliedern und einem winzigen Büro in New York oft etwas unstrukturiert und chaotisch.
Der ehemalige Schatzmeister Bobby C. Martin Jr. schreibt in einem Artikel auf Fast Company, der Grund für das Ende des TDC läge eben darin begründet, dass es ein Club sei.
»You might ask, if I had all of that opportunity, how could the TDC be a racist organization? It’s in the name. The TDC is a club.
By-laws require that a board member has to have been a dues-paying TDC member for at least one year before being eligible to serve. Laws like this are where racism lives. They make active recruitment to the board impossible.«
Bleibt der Wunsch, dass das TDC Board den Willen aufbringt, sich zu erneuern und von vorne anzufangen. Die Mitglieder und die vielen Typofreaks dieser Welt würden es sicher begrüßen. In einem Statement des Vorstandes klingt es so, hoffen wir, dass etwas daraus wird.
Schon seltsam, wenn immer dann, wenn irgendwo das Wort „Rassismus“ auftaucht, es sofort einige gibt, die den Begriff relativieren, negieren oder abstreiten wollen, dass das Genannte überhaupt Rassismus bzw. rassistisch ist, bis hin zum Versuch, die Autoren der Beiträge selbst als rassistisch zu bezeichnen. Dass sie sich damit zu einem Helfershelfer des Rassismus machen, ist ihnen dabei offensichtlich gar nicht bewusst.
Leider muß ich dem Kommentar von Jens zustimmen. Der Artikel weißt einige sehr kritische Formulierungen auf, die im schlimmsten Fall rassistische Paradigmen befördern. Neben den oben genannten Formulierungen trägt dazu auch der Gesamtinhalt und Aufbau des Artikels bei.
Es war nicht meine Absicht, Misstrauen gegenüber dem Artikel von Juan Villanueva zu suggerieren. Im Gegenteil, ich finde seinen Schritt äußerst mutig. War vielleicht ein bisschen unglücklich formuliert, sagen wollte ich, dass sein Text von hier aus unmöglich zu beurteilen ist.
“… weil der TDC seiner Meinung nach eine rassistische Organisation sei” und “Ganz unabhängig davon, ob die Vorwürfe von Juan Villanueva berechtigt sind, …” sind wirklich unglückliche bis böswillige Formulierungen, die ein Misstrauen gegenüber Juan Villanuevas Erfahrungsbericht suggerieren, das absolut unangebracht ist. Anstatt Villanuevas Bericht Raum zugeben, werden seine Erfahrungen argumentativ von der vermeintlich altehrwürdigen Institution abgespalten und der Satz “der TDC [hat] es in den 74 Jahren seines Bestehens versäumt hat, sich ab und an zu erneuern” bildet den kritischen Höhepunkt des Artikels. Hinterwäldlerischer Journalismus ohne Problembewusstsein!