Ein Gespräch mit Akira Kobayashi, Gestalter der neuen serifenlosen Schriftfamilie Between, die über drei Gemütslagen verfügt.
Technisch-modern, klar, gut lesbar, warm und freundlich. So zeigt sich Monotypes neue Schrift Between, der Akira Kobayashi drei »Gemütslagen« verlieh, die unterschiedliche Dynamik und Bewegung widerspiegeln. Ihre Konstruktion folgt der stabilen, scharfen Perfektion der Sans-Serifs des 20. Jahrhunderts, gepaart mit der Formgebung des humanistischen Type-Designs. Jede der drei Subfamilien ist in acht Schriftstärken plus Kursive lieferbar – insgesamt 48 Schnitte, momentan für knapp 100 Euro über Fontshop zu beziehen. Between eignet sich für die Print und Web Kommunikation, vom Branding bis zu Leitsystemen. Wir fragten Akira Kobayashi nach seinem Gestaltungskonzept.
PAGE: Herr Kobayashi, Ihr neue Schrift heißt Between und soll Lücken in der Schriftwelt stopfen. Gibt es überhaupt noch welche?
Akira Kobayashi: Es geht weniger um Lücken, als um Tonalität. Und um Benutzerfreundlichkeit. Between bietet drei typografische Sans-Serif-Klangfarben, die man entweder separat einsetzen kann, oder auf einfache Art und Weise verknüpft. Dabei ergeben sich unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten, und das wird dann richtig spannend.
Die drei Stimmungen von Between nennen Sie technisch/modern, natürlich/freundlich und fröhlich/dynamisch. Wie kamen Sie auf die Idee, eine Schrift mit Gemütslagen zu entwerfen?
Die Idee entwickelte sich erst in den letzten Monaten des Entwerfens. Am Anfang, das war 2013, stand eine technische Sans Serif mit einem kantigen O aber einem humanistischen Look-and-Feel. Parallel dazu zeichnete ich Buchstaben mit dynamischen, fast verspielten Formen. Ich wusste lange nicht, ob ich an drei Schriftfamilien arbeite oder an einer Superfamilie. Vor einem Jahr brachte mich dann meine Kollegin Nadine Chahine auf die Idee, die unterschiedlichen »Geschmacksrichtungen« meiner Schrift parallel zu entwickeln und als Großfamilie mit drei Stimmungen herauszubringen. Und so entstanden Between 1, 2 und 3.
Sie sprachen gerade von Geschmack – die Visualisierung der drei Ei-Varianten roh, gebraten und aufgeschnitten entstand wie?
Als ich in einem Telefonat mit Abbott Miller von Pentagram die unterschiedlichen Stimmungen meiner Schrift irgendwann mit Essen in Verbindung brachte, kam das bei den Grafikern und Textern dort sofort gut an. Sie spielten mit den ersten Versionen der Schrift herum, schrieben das Wort egg, mit dem kleinen g, in dem sich die unterschiedlichen Typen der Schrift wie in keinem anderen Buchstaben widerspiegeln. Am Ende entschieden wir uns dann für das Ei, in drei verschiedenen Formen, die am besten die Launen meiner Schrift visualisieren.
Mal abgesehen von den kulinarischen Bildern … wie erklären sie einem professionellen Designer den Nutzen Ihrer neuen Schrift?
Ich denke, dass man am Beispiel meiner Between am besten die Klangfarbe einer Schrift erklären kann. Erik Spiekermann sagte mal »Schrift ist sichtbare Sprache.« Unsere Schriften sind demnach die Schauspieler des geschriebenen Wortes, und jeder Schauspieler hat eine andere Stimme: hoch, tief, rau, sanft, verführerisch. Between spricht also mit drei verschiedenen Stimmen, die das geschrieben Wort leise (klein gesetzt), laut (Großbuchstaben), zurückhaltend (Light), nachdrücklich (Bold) und auf vielfältige andere Weise rezitieren können.
Klassisch einsortiert ist ihre Between eine Sans Serif, mit drei verschiedenen Stilen. Die Idee ist nicht neu … man denke an das Bernini-Sans-Paket von Tim Ahrens & Shoko Mugikura, die aus zwei Familien besteht, der Bernina und der Bernino, woraus der Lateiner auch die Charakterisierung weiblich und männlich herauslesen könnte.
Ja, das stimmt. Allerdings kann sich nicht jeder Schriftbenutzer etwas unter einer weiblichen oder einer männlichen Schrift vorstellen. Deshalb gefällt mir die Analogie mit den Eiern. Jeder kennt den Unterschied zwischen einem rohen Ei, einem Spiegelei und einem gekochten Ei. Das beeindruckt mich an den Werbern, wenn sie Parallelen aus dem echten Leben und der kuriosen Welt des Schriftdesigns erkennen. Zum Beispiel die klare Form eines Eies mit der von Buchstaben verbinden, oder im Eigelb eines halbierten Eies einen Buchstabeninnenraum sehen. Wir Schriftentwerfer leben viel zu sehr unserer eigenen Welt, um solche Verbindungen herzustellen. Und von diesen spielerischen Verknüpfungen profitieren dann wieder die Schriftbenutzer.
Was meinen Sie mit profitieren?
Noch nie haben sich so viele Menschen mit dem Schreiben, dem Publizieren und dem Verwenden von Satzschriften beschäftigt wie heute. Nur die wenigsten dieser Benutzer sind mit der Geschichte des Schriftschaffens vertraut. Sie kennen zwar den Unterschied zwischen einer Sans- und einer Serif-Schrift, aber die feinen Unterteilungen – Gothic, Statisch, Geometrisch, Humanistisch, und so weiter – sind ihnen nicht geläufig. Und selbst wenn sie die Stile unterscheiden könnten, bliebe immer noch die Frage: Welche Schrift passt zu meinem Text?
Und Between soll die Entscheidung einfach machen: Sag mir, wie du dein Ei magst, und ich gebe dir die passende Schrift.
Klingt verrückt, funktioniert aber genauso. Between 1, also die Schrift, die wir mit der reinen, idealisierten Eiform in Verbindung bringen, steht für eine neutrale, geradlinige Schrift. Between 2, das Spiegelei, ist eine natürliche und freundliche Schrift … leicht und appetitlich. Das hart gekochte Ei steht für Dynamik und Fröhlichkeit, denn wir nehmen es gerne mit auf Reisen, bemalen es an Ostern oder verarbeiten es weiter, in Scheiben geschnitten oder halbiert.
Eine Schrift, drei Stimmungen, die sich beliebig mischen lassen