Newsgames transportieren journalistische Inhalte auf spielerische Art. Dank simpler Spiele-Editoren interessieren sich auch Coding-Einsteiger immer mehr für das Genre. Wir zeigen Beispiele vom Newsgames Hackathon in Köln und stellen die fünf besten Baukastentools vor.
»Games können noch viel mehr als nur Spaß machen«, sagte Tomas Rawling, Gründer der Plattform GameTheNews, in seiner Keynote auf dem ersten europäischen Newsgames Hackathon Anfang Mai in Köln. »Mit ihrer Hilfe können wir Botschaften vermitteln.« Denn Computerspiele, so der Londoner Designer, involvieren den User durch ihre Interaktivität, sensibilisieren ihn für problematische Konstellationen und zwingen ihn zu moralischen Entscheidungen. Im Newsgame, einer Unterkategorie des Serious Games, geht es um echte Probleme und echte Schauplätze. Für die Medien könnten sie eine große Chance sein, Leser beziehungsweise Zuschauer zu binden, weil sie viel länger am Thema bleiben und das Spiel, anders als Artikel oder Videos, wahrscheinlich sogar mehrfach konsumieren.
Viele Newgames sparen noch an der grafischen Umsetzung
Und doch hat das Genre noch regelmäßig mit Vorurteilen zu kämpfen. Tomas Rawling etwa machte diese Erfahrung, als Apples App Store sein Spiel »Endgame Syria« mit der Begründung ablehnte, dass, wer sich mit Themen wie Krieg beschäftigen wolle, doch lieber ein Buch darüber schreiben möge. »Es ist noch nicht klar, wie genau Newsgames in die bestehende Medienlandschaft passen«, so Rawling. Versucht haben sich an der Kombination aus digitalem Spiel und Wissensvermittlung dennoch einige: unter anderem die BBC, »The New York Times«, »The Huffington Post«, »The Guardian«, »Le Monde« und »Wired«. In Deutschland startete ARTE im November 2013 die aufwendige vierteilige Serie »Fort McMoney«, die dokumentarische Videos mit Spielmechaniken verbindet.
»Es ist schwer, gute Newsgames zu machen, weil ihre Entwicklung Zeit und Geld kostet, sich aber im Gegenzug bisher kaum etwas mit digitalem Journalismus verdienen lässt«, sagt Markus Bösch. Der Journalist betreibt gemeinsam mit der Gamedesigner Linda Kruse das Studio the Good Evil in Köln. Gespart wird am Ende meist an der Grafik, die oft schnell und inhouse erledigt wird und sich deshalb kaum mit großen Spieleproduktionen messen kann. Die Herausforderung liegt darin, möglichst schnell ein Konzept zu erstellen und gleichzeitig ein gutes Design und eine spannende Story zu entwickeln. Zudem eignet sich nicht jedes Thema für ein Newsgame: »Bin ich spät dran und will am Bahnhof meinen Zug erreichen, will ich ja auch nicht am Fahrkartenschalter erst noch ein lustiges Puzzle lösen«, so Bösch.
Bei der Konzeption eines Newsgames ist es wichtig, zunächst einen inhaltlichen Kern zu lokalisieren und dann eine Strategie zu entwickeln, wie man diesen durch eine Spielmechanik mit Blick auf die Story zielführend umsetzt. Gut ist, was schnell und intuitiv verständlich ist, einen Bezug zum Nutzer hat und ihn informiert und unterhält. Zusammen mit Linda Kruse entwickelte Markus Bösch zum Beispiel im vergangenen Sommer das Newsgame »Prism«, das sich spielerisch mit dem Ausspähprogramm der NSA auseinandersetzt.
Schnell und intuitiv verständlich
Um zu zeigen, wie viel in kurzer Zeit machbar ist, lud the Good Evil, gemeinsam mit dem Cologne Game Lab, zum Newsgame Hackathon am 6. und 7. Mai, auf dem sich nach amerikanischem Vorbild 45 Journalisten, Gamedesigner und Entwickler aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Schweden, England und der Ukraine einfanden, um in sechs Teams binnen 24 Stunden Newsgame-Prototypen zu entwickeln. Da viele Teilnehmer keine Programmierkenntnisse mitbrachten, kamen dabei auch Spiele-Editoren zum Einsatz, mit denen sich die Erstellung – ähnlich wie in einem Content-Management-System – automatisieren lässt. Die fünf besten dieser Baukastentools stellen wir Ihnen auf der nächsten Seite vor. Im Folgenden berichtet Linda Kruse, wie ihr Hackathon-Team das Newsgame »Let’s Frack!« produzierte.
So viel Game ging in 2 Tagen Konzept und Umsetzung
Um ihr Newsgame, das Gefahren und Prozesse der Gasgewinnung in tiefen Erdschichten erklärt, umzusetzen, nutzte das Hackathon-Team um Gamedesignerin Linda Kruse das Baukastentool Construct 2. Für eine klare, retroeske Ästhetik sorgten in Illustrator erstellte Vektorgrafiken.
Der Flash-basierte »Flappy Bird«-Klon zeigt auf, wie gravierend die Nationalität, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung darüber entscheiden können, ob man es leicht oder schwer hat im Leben.
Prototyp »iPay« Team Deutsche Welle, NDR, Bayerischer Rundfunk
Die in jQuery erstellte Web-App lässt den User spielerisch schätzen, wie viel des Kaufpreises von Produkten wie einem iPhone in Gehälter, Steuern, Material, Marketing und Profit fließt.
Das Webstrategiespiel der Journalisten Magnus Rydnér und Xavier de la Vega sowie der Gamedesigner Pierre Chabiland, Bastien Kerspern und Florent de Grissac thematisiert den Lobbyismus in der Schiefergasgewinnung und zeigt, wie Großunternehmer gegen Oppositionelle vorgehen.
5 Game-Editoren – geordnet von einfach bis komplex
Twine
Das Open-Source-Tool eignet sich besonders für textbasierte, nonlineare Choose-your-own-Adventure-Spiele. Über CSS-Vorlagen (bei Vorkenntnissen auch via JavaScript) lassen sich auch eigene Grafiken einbinden. Das logische Verhalten der Game-Elemente wählt man ebenfalls aus Vorgaben aus. Zum Schluss klickt man »Create Story«, und Twine erzeugt eine HTML-Datei, die man auf seine Website hochladen und teilen kann.
GameSalad
GameSalad verfügt über ein intuitives Drag-and-drop-
Interface und eine Datenbank mit vorgefertigten Assets und Verhaltensweisen, mit denen man Spiele für Mac, Windows und iOS erstellen und veröffentlichen kann. Auch webbasierte HTML5-Games sind möglich. Die Basics gibt es gratis, Features wie Android-Publishing oder In-App-Käufe sind kostenpflichtig. Die Community aus circa 700 000 Entwicklern hat bereits über 200 000 Games herausgegeben.
GameMaker Studio
Das eher auf 2D-Games ausgelegte Tool eignet sich für Anfänger und erfahrene Gamedesigner. Man kann darin sowohl per Drag-and-drop als auch mit der integrierten Game Maker Language (GML) arbeiten. GameMaker Studio ist kostenlos; für den Export als Android- oder iOS-App muss man zahlen. Für Profis lohnen sich Zusatzoptionen wie der YoYo Compiler, mit dem auch 3D-Games in CPU-aufwendigen Bereichen wie Artificial Intelligence oder Echtzeitausleuchtung ruckelfrei laufen.
Construct 2
Mit dem HTML5-Tool lassen sich schnell 2D-Webapps erstellen. Game-Elemente erstellt man in Construct 2 in mindestens einem Layer Sheet, Verhalten in mindestens einem Event Sheet pro Spiel. Fertige Games lassen sich nachträglich auf viele Plattformen exportieren, jedoch erfordert dies einen Wrapper wie node-webkit oder PhoneGap. Besonders für Anfänger sehr zeitaufwendig ist leider das Feintuning – so erfordern Effekte wie weichere Transformationen meistens ein externes Plug-in, das man zuerst herunterladen und einbinden muss.
Unity
Ganz ohne Coding-Kenntnisse kann man mit der Unity-
Engine nicht arbeiten, denn sie läuft auf Basis von C# und JavaScript. Doch wer sich darauf einlässt, hat damit viel mehr Möglichkeiten als mit simpleren Tools. Wegen der großen Community, die Tutorials, Troubleshooting und Inspiration bietet, ist Unity zudem ein guter Ausgangspunkt, um sich ins professionelle Game Design vorzuarbeiten. Plug-ins wie PlayMaker, die JavaScript-Befehle in eine visuelle Scripting-Oberfläche umwandeln, erleichtern den Umgang mit Code.
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