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Adieu, Photoshop?

Der britische Softwarehersteller Serif will mit seinen Programmen der Creative Cloud von Adobe Konkurrenz machen. Marco Peters von der IT-Beratung Solutionbar erklärt, warum das Projekt eine Chance hat.

Seit Adobe mit Einführung der Creative Cloud auf ein Abomodell für seine Grafiksoftware umgestellt hat, steht das Unternehmen in der Kritik. Nicht zuletzt weil sich für viele Kreative mit der Umstellung auch die Kosten für die Programme erhöht haben. Das umstrittene Adobe-Lizenzmodell wird auch in der Titelgeschichte der Ausgabe  PAGE 01.2017 unter die Lupe genommen.

Nun sind Photoshop, InDesign und Illustrator äußerst leistungsfähige Tools, die für viele Agenturen, Freelancer und Unternehmen die technologische Basis der Zusammenarbeit darstellen. Allein aufgrund des Worklflows ist Adobe Software für viele Kreative alternativlos. Und eine ernstzunehmende Alternative gab es schon lange nicht mehr.

»Hier könnte durchaus ein ernstzunehmender Konkurrent am Start sein.«

Nun tritt ein (noch) recht kleines Unternehmen stärker in den Fokus der Photoshop-Nutzer und macht Adobe ernstzunehmende Konkurrenz: Das britische Software-Haus Serif. Erst wartet der Softwarehersteller mit Affinity Designer – einer Alternative zu Adobe Illustrator – auf. Dann macht es 2015 mit Affinity Photo auch noch Photoshop Konkurrenz. Der nächste Schritt: Die Veröffentlichung von Affinity Publisher, einem InDesign-Rivalen, der als nächstes auf den Markt kommen soll.

Doch ist Affinity wirklich eine Gefahr für Adobe? Die Software kostet gerade mal 50 Euro. Ein simples Tool für Privatanwender könnte man bei diesem Preis meinen. Doch wenn man die zahlreichen Begeisterungsberichte von erfahrenen Designern liest, bemerkt man schnell: Hier könnte ein ernstzunehmender Konkurrent am Start sein.

Abomodell – Fluch oder Segen?

Kann es sein, dass Serif die Chance hat, einem Giganten wie Adobe effektiv die Stirn zu bieten? Um diese Frage beantworten zu können, muss man ein paar Jahre zurückgehen.

Adobe hält als Platzhirsch seit knapp 20 Jahren die Stellung am Softwaremarkt mit seiner Creative Suite, beziehungsweise seiner Creative Cloud, die Layout-, Grafik- und Bildbearbeitungsprogramm in sich vereint. Alleine Photoshop wird weltweit von rund 90 Prozent der professionellen Gestalter genutzt.

Aufgrund der vielseitigen Funktionen, von anderen Tools nie erreicht, entstand über die Jahre eine treue Adobe-Gemeinde, die stets bereit war, viel Geld für die Lizenzen auszugeben. Schließlich ließ sich eine gefühlte Ewigkeit damit arbeiten. Auch wenn zwischenzeitlich Updates und neue Versionen der Software erschienen, so konnte man mit Photoshop gute fünf bis acht Jahre arbeiten, bevor der Kauf einer neuen Lizenz anstand.

Dann 2012 der große Knall. Photoshop, InDesign und Illustrator – die Adobe Wundertools waren ab sofort nur noch im Abo verfügbar. Und auch wenn der monatliche Mietpreis von 36,89 Euro für ein Einzelprogramm oder 92,24 Euro für das komplette Paket noch verschmerzbar schienen, so merkten die Anwender schnell: Das wird auf Dauer richtig teuer.

Zum Vergleich: Entschied man sich bei CS6 für eine Kauflizenz und geht von einer realistischen Nutzungszeit von sechs Jahren aus, kommt man auf einen Monatspreis von 42 Euro. Heute zahlt man mehr als Doppelte.

»Besonders hart hat der Wechsel von der Kauf- zur Miet-Version die kleinen Agenturen getroffen«

Besonders hart hat der Wechsel von der Kauf- zur Miet-Version die kleinen Agenturen getroffen. Ein 50-Mann-Unternehmen, von dem die Hälfte der Angestellten Designer sind, zahlt nach dem neuen Modell rund 21 000 Euro im Jahr. Heißt in Kurzform: Während es den Anwendern der Adobe Creative Suite früher möglich war, die Lizenz einmalig zu kaufen und mit ihr bis zu acht Jahre zu arbeiten, gibt es heute keine Alternative zum Abomodell. Wer die Lösungen von Adobe nutzen will, muss tief in die Tasche greifen.

Das Ende des Software-Diebstahls

Doch warum riskiert Adobe, seine Kunden mit diesem Bezahlmodell zu vergrätzen? Schließlich ist es kein Geheimnis, dass sich ein nicht unerheblicher Teil der Anwender am Abomodell stört.

Zum einen ist es Adobe gelungen, im Zuge der Einführung des Abomodells der Software-Piraterie ein für allemal einen Riegel vorzuschieben. Während sich Privatnutzer, aber auch Agenturen und andere professionelle Unternehmen, vor einigen Jahren ihre Creative Suite noch zusammenklauen konnten, ist das heute nicht mehr möglich. Einer der Tricks damals: Eine Multilizenz kaufen. Der Kunde bekam dann eine einzige Seriennummer, mit der er beliebig viele Installationen der Adobe Softwares auf mehreren Rechnern vornehmen konnte.

»Mehr als die Hälfte nutzten Photoshop als Schwarzkopie«

Auch wenn der Nutzer beim Kauf der Multilizenz angeben musste, auf wie vielen Geräten er die Software später nutzen würde (und auch für jede dieser Installationen zahlen musste), so war einigen der Käufern die ursprünglich angegebene Zahl irgendwann egal. So zeigt eine Studie aus dem Jahr 2007, dass mehr als die Hälfte der Photoshop-Nutzer das Programm als Schwarzkopie nutzten. Nichts Anderes als Diebstahl, aber es war ja so bequem.

Ein weiterer Vorteil, den das Abomodell für das Unternehmen mit sich bringt: Der Umsatz steigt und steigt und steigt.

Bricht das Abomodell Adobe das Genick?

Der Frust wegen des Abomodells bei den Anwendern ist groß. Die Bereitschaft, Alternativen zu suchen, ebenfalls. Das zeigt etwa das Beispiel QuarkXPress. Vor 2002 war die Software DAS Layout-Programm für professionelle Grafikdesigner. Dann kam Adobe mit InDesign und die Kunden wanderten ab. Jetzt sieht Quark Software Inc. seine Chance gekommen, die Kunden zurückzuholen: Mit einer Vollversion für 999 Euro – kein Abo! Nur leider ist QuarkXPress keine Lösung für die, die auf Photoshop und Illustrator angewiesen sind.

Was also tun, um das Abomodell zu umgehen? Einige unserer Kunden arbeiten noch heute mit der letzten Adobe Version (CS6), die vor Einführung des Abomodells verfügbar war. Ein schlaues Vorgehen, um dem Mietkauf von Adobe die Stirn zu bieten, geht aber auf Dauer nicht gut: Wer CS6 verwendet, muss weiterhin seine alten Rechner nutzen, denn auf neueren Geräten wird die Suite in naher Zukunft nicht mehr unterstützt.

Die Verzweiflung über das Abomodell geht sogar so weit, dass einige lieber Adobe Photoshop Elements kaufen (diese Adobe Software ist noch als Kaufversion verfügbar), statt mit Photoshop zu arbeiten. Dass diese Lösung aber keine wirkliche Alternative zu Photoshop ist, da der Funktionsumfang wesentlich geringer ist, brauche ich keinem Designer zu erzählen.

»Affinity Designer und Affinity Photo können es locker mit Adobe Illustrator und Adobe Photoshop aufnehmen«

Nun bietet also Serif mit Affinity Designer und Affinity Photo zwei smarte und performance-starke Software-Lösungen, die es locker mit Adobe Illustrator und Adobe Photoshop aufnehmen können. Beide orientieren sich vom Aufbau her an Photoshop, so dass eine Umgewöhnung kein Problem darstellt. Ganz abgesehen davon, dass sich die Affinity-Programme untereinander so ähnlich sind, dass man bisweilen vergisst, in welcher Software man gerade arbeitet – und zumindest muss man davon ausgehen, dass es auch bei Affinity Publisher nicht anders sein wird, während InDesign, Photoshop und Illustrator als drei eigenständige Anwendungen mit recht unterschiedlicher Arbeitsoberfläche daherkommen.

Fazit: Ein Wechsel kann sich lohnen

Eine Software Suite, die es mit Adobe aufnehmen kann, leistungsstark ist, einen großen Funktionsumfang liefert und als Kauflizenz gerade mal 50 Euro kostet? Klingt zu schön um wahr zu sein. Die Ersten haben ihr Adobe-Abo bereits gekündigt, einige Nachwuchsdesigner, aber auch Agenturen berichten, dass sie mit Affinity sogar besser arbeiten können. Groß ist der Zuspruch auch bei UX Designern, die neben Photoshop und Illustrator schon immer andere Tools genutzt haben. Wenn jetzt noch Affinity Publisher als leistungsfähige InDesign-Alternative hinzukommt, kann das Angebot von Affinty eine reelle Option darstellen, für alle Agenturen und Designer, die immer über das Abomodell und vor allem über seine Kosten gestöhnt haben.

Foto: Solutionbar

Marco Peters bringt gerne Ordnung in chaotische Strukturen – früher als Head of IT in einer der größten Kreativ­agenturen Deutschlands, heute als Gründer und geschäfts­führender Gesellschafter in seinem Unternehmen Solutionbar in München. Er leitet unter anderem Seminare und Workshops zu Themen wie: »E-Mail Chaos vermeiden«, »Auf der Suche nach der richtigen Agentursoftware« oder »Wer hat Angst vorm Audit?«.

 

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. REDAKTION
    Ich finde es gut und richtig, dass PAGE ihrer redaktionellen Pflicht nachkommt und alternative Programme vorstellt.

    MARKETING
    Es ist genau umgekehrt, würde Adobe nämlich nicht werben, überlässt Adobe das Feld den Mitbewerbern.

  2. Es ist doch ganz einfach: wer etwas richtig professionell machen will, legt sich das optimale Werkzeug dafür zu. Kein (mir bekannter) Schreiner kauft sich die Maschinen im Baumarkt…
    Adobes Werkzeuge sind mittlerweile über Jahrzehnte entwickelte Tools, die einfach Standards gesetzt haben. So sehr man darüber auch lamentieren mag – es ist einfach Fakt.
    Solange ich mit Tools Geld verdiene, arbeite ich mit dem Besten. Und das kostet Geld. Wem das zu teuer ist, hat falsch kalkuliert oder keine richtige Einstellung zum optimalen Arbeitsumfeld.
    Es ist interessant, von neuen Programmen zu lesen. Sie mögen für Amateure oder Semiprofessionelle vielleicht eine Lösung sein. Solange ich meine Profession ausübe, verlasse ich mich auf bewährte Tools.

  3. Es ist überdies und unter anderem (noch) nicht möglich, in Affinity Designer mit PANTONE-Farben zu arbeiten. Ebenso dürfte die PDF-Ausgabe nicht allen modernen Standards genügen. Oder Farbprofile. Bei all diesen Zusätzen fallen Lizenzgebühren an. Sollte sich das ändern, dann lässt sich auch der Preis von 50 Euro kaum noch halten. Natürlich wird alles nach und nach nachgerüstet werden, aber bis es soweit ist, muss die Profigemeinde hierfür Lösungen finden. So gesehen, bewegt man sich also mit Affinity noch immer auf einer semiprofessionellen Ebene.

  4. Vielen Dank für den Hinweis. Haben wir angepasst! Liebe Grüße aus der Redaktion

  5. Der Artikel hat als Datum den 18.11.2017. An den Kommentaren, die teilweise aus dem September stammen, kann man erkennen, dass es ein älterer Artikel ist, der nur ein neues Datum verpasst gekriegt hat.
    Warum, liebe PAGE, korrigiert ihr dann nicht die Zahlen in dem Artikel? Niemand muss doch 92,24 € für die CC zahlen!?
    Neugierig bin ich auch, wie lange Adobe noch bereit ist, Werbung hier bei PAGE zu platzieren. Kann mir nicht vorstellen, dass die amüsiert sind, dass (wie aktuell bei mir) ihre Werbung für Adobe Stock neben so einem Artikel angezeigt wird…

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