
So entstand das neue Corporate Design fürs Erzbistum Köln
Nach längerer interner Auseinandersetzung entwickelte EIGA das neue Corporate Design fürs Erzbistum Köln – zeitgemäß, beständig und authentisch. Wir zeigen, wie EIGA Design die Entscheidungsfindung im Team gestaltete und mit den Kirchenvertretern zusammenarbeitete.
Doch Anfang 2023 hatten sich tatsächlich grundlegende Strukturen in der Diözese verändert, indem diverse Managerposten von kirchlichen auf weltliche Personen übertragen worden waren. Der richtige Zeitpunkt für ein neues Corporate Design schien gekommen, und man musste nur noch Menschen finden, die die Aufgabe angehen wollten. Die Kreativen bei EIGA verschafften sich zunächst in der Diözese sowie beim Priesterseminar Köln einen eigenen Eindruck, recherchierten die medialen Hintergründe und diskutierten anschließend intern über den Auftrag. Niemand musste auf dem Projekt arbeiten, wenn er oder sie das aufgrund eigener Werte nicht vertreten konnte.
Das Mitarbeiter:innenvotum ergab 50 zu 50. »Für unser Team, 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, war klar, dass es zu unserem gemeinsamen Werteverständnis gehört, den Diskurs und die persönliche Entscheidungsfreiheit im Team zu teilen«, fügt Jan Claassen, der zuständige Projektmanager, hinzu. »Wir wollten uns gemeinsam der Frage stellen. Auch wenn nicht alle aktiv an der Aufgabe mitarbeiten würden, sollte sie vom gesamten Team getragen werden.«


Partizipative Kirche
Für die Kreativen auf dem Projekt galt es einen sportlichen Zeitrahmen einzuhalten. Nach dem langen Vorlauf sollte es endlich ein konkretes Zeitziel geben, das nicht zu weit von den personellen Veränderungen entfernt lag: September. Zu Beginn der fünf verbleibenden Monate ging es dem Team zunächst darum, die vielfältigen guten Seiten der Kirche zu beleuchten, ihr gesellschaftliches Interesse zu verstehen und nach außen deutlicher sichtbar zu machen.
Die Medienvertreter:innen des Generalvikariats und EIGA definierten dann gemeinsam den thematischen Rahmen. »Das neue Branding sollte einerseits im positiven Zeichen der christlichen Tradition stehen, andererseits wichtige Räume für Neues eröffnen, Veränderung, Vielfalt und Offenheit transportieren«, so Henning Otto. Außerdem sollte es die Wahrnehmung der kirchlichen Angebote vor Ort und das vielfältige Engagement der Menschen fördern.
»Wir haben viele Menschen kennengelernt, die Kraft aus ihrem Glauben schöpfen. Das neue Design sollte sie darin bestärken und als Gemeinschaft noch näher zusammenbringen«, erklärt Charlotte Danzer, verantwortliche Artdirektorin auf dem Projekt bei EIGA. Startpunkt für das neue Corporate Design war der aus der Strategie stammende Claim »Dein Gestaltungswille ist willkommen«. Er soll zur Teilhabe einladen und ausdrücken, dass sich das System katholische Kirche öffnet und aus sich selbst heraus strukturell verändert.

Das Erzbistum Köln
In ganz Deutschland gibt es 27 Erzbistümer, sogenannte Diözesen. Das Erzbistum Köln ist zwar flächenmäßig nicht das größte, aber im Verhältnis zu den anderen das mit den meisten katholischen Kirchenmitgliedern. Zum Erzbistum Köln gehören rund 1,8 Millionen Katholik:innen in 67 sogenannten Pastoralen Einheiten mit über 500 Pfarreien zwischen Bonn, Düsseldorf und Wuppertal. Über zweitausend Mitarbeitende stehen im pastoralen Dienst und gestalten zusammen mit den vielen engagierten Ehrenamtlichen das Leben in den Gemeinden und in den rund 1200 Kirchen und Kapellen. Das Generalvikariat beschäftigt rund 60 000 hauptamtliche Mitarbeitende.
Beständiges Zeichen ohne Dom
Für die visuelle Umsetzung galt es zunächst die Wort-Bild-Marke zu überarbeiten und das jahrhundertealte Wappen der Kölner Diözese in die Gegenwart zu holen. »Es durfte durch ein Rebranding in seinen Bestandteilen und dadurch in seiner Bedeutung nicht verändert werden. Wir mussten ein bisschen über Heraldik und das Kreuz im Wappen lernen«, sagt Elisabeth Plass. Dabei handelt es sich aus Sicht von Heraldikern um ein Kreuz, das eine bestimmte Ständerung aufweist. So bezeichnet man die Aufteilung des Schildes durch senkrechte, waagerechte und diagonale Linien. Im Fall des Erzbistums spricht man von einer Ständerung zur Schildmitte hin, und seine Besonderheit ist die Öffnung im Zentrum.
In der Neuinterpretation von EIGA wird das geöffnete Kreuz als Symbol für die Einheit der Gemeinschaft und ihrer christlichen Werte ebenfalls in den Mittelpunkt gestellt. Das Wappen als Teil der neuen Wort-Bild-Marke des Erzbistums Köln wirkt in invertierter Form und mit klareren Konturen nun zeitgemäß und wurde von den Kreativen mit After Effects und Cinema 4D wunderschön animiert. Die Wortmarke reduzierten die Designer:innen um die Konturen des Kölner Doms und richteten stattdessen im Raster den Standstrich des kleinen t auf die senkrechte Ständerung des Wappens aus.

Verspielte Schrift und heilige Farben
Ebenfalls sehr modern und elegant zugleich wirkt die neue Hausschrift des Erzbistums. Es handelt sich um die leicht modifizierte Sans-Serif-Schrift Valizas von Luzi Type. »Sie erinnert an eine alte Federkielschrift und zeichnet sich durch eine große x-Höhe aus, die der Wortmarke sowie den Headlines und Zitaten einen unverwechselbaren Charakter verleiht«, erläutert Charlotte Danzer. Außerdem sind einzelne Buchstaben der Schrift sehr reizvoll in der Gestaltung, wie das dickbäuchige kleine a. Das speckten die Kreativen ein wenig ab, damit es nicht zu übertrieben oder unseriös wirkt, übernahmen aber seine Schwünge für die Piktogramme, sodass sie perfekt mit der Schrift harmonieren. Ergänzend leitete das Designteam von den heiligen Farbtönen des liturgischen Kalenders neue, frische Markenfarben und einen flexibel in der Kommunikation einsetzbaren Farbcode ab.
Für Illustrationen gewann EIGA die russische Illustratorin Liubov Dronova aus Barcelona, die vier Motive in einem modernen und nahbaren Stil für das Corporate Design entwarf. Sie sollten ausdrücken, dass Kirche aufgeschlossen ist und Spaß macht. »Alle diese Gestaltungselemente – von der Wort-Bild-Marke über Farben und Schrift bis hin zu Bildsprache und Illustration – können die Gemeinden nutzen, um die facettenreichen Geschichten aus dem Alltag lebendig und aus unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen«, so Charlotte Danzer.

#JundDu
Dazu gibt es noch ein wichtiges Detail des Rebrandings: »Wir haben bewusst darauf geachtet, die Umsetzung schöpfungsverantwortlich und effizient zu halten. Auf Sonderfarben, die zusätzliche Kosten erzeugen und Produktionsprozesse aufwendiger machen, haben wir beispielsweise bewusst verzichtet«, erklärt Elisabeth Plass – und Hennig Otto ergänzt: »Angesichts der Größe des Erzbistums spielt nachhaltige Planung eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Designs, das nun sukzessive erfolgt.«
So zum Beispiel auf der Website des Erzbistums, die kurzfristig einen neuen Skin im Corporate Design erhielt und zurzeit von Grund auf neu entwickelt wird. Darüber hinaus wird das Rebranding auf großen Eventplakaten, in Broschüren, auf Flyern, Bekleidung und Merchandise sowie für Social-Media-Content zum Einsatz kommen. Wie im Instagram-Account des Erzbistums Köln @j.und.du, wo das Logo, die neuen Piktogramme und die schöne Valizas bereits zu sehen sind.
Die Mitarbeitenden des Erzbistums Köln haben das neue Corporate Design trotz kritischer Stimmen sichtlich gut angenommen. Und der Kunde? Möchte das gelungene Rebranding nun bei Design-Awards einreichen. Was viele vielleicht nicht wissen: Das Erzbistum Köln hat bereits einige Auszeichnungen gewonnen, etwa für eine kreative Kommunikationskampagne oder im Bereich Architektur. Kirche kann offen, veränderbar und zeitgemäß sein – Gestaltungswille und erfolgreiche Kreation sind da.

Kritische Kunden: Entscheidungsfindung im Team
Wie das Team von EIGA mit der besonderen Anfrage und dem Auftrag des Erzbistums umging, berichtet Co-Founder Henning Otto
Ein neues Markendesign allein bewirkt noch keinen Wandel. Aber es unterstützt eine Gemeinschaft dabei, ihre Werte und Ziele wirkungsvoll darzustellen und Wandel zu fördern. Dieser Gedanke stand am Ende eines längeren Entscheidungsprozesses. Er war ausschlaggebend dafür, dass wir uns mit dem nötigen Elan auf ein spannendes Brandingprojekt mit einem Kunden einließen, über den zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme fast täglich kritisch in den Medien berichtet wurde.
Aber gehen wir erst einmal ein paar Schritte zurück. Buchstäblich aus heiterem Himmel kommt diese Anfrage von einem Kunden, bei dem du und dein Team nicht sicher seid, ob es richtig ist, sich für ihn zu engagieren. Es ist kein Rüstungskonzern, es ist keine Massentierhaltung – und nein, es ist auch nicht Nestlé. Das wäre einfach gewesen. Es ist die katholische Kirche. Konkret das Generalvikariat des Erzbistums Köln.
Was ist zu tun, wenn ein liberal denkendes Kreativteam mit einer grundsätzlichen, werteorientierten Frage der Ethik oder des Glaubens konfrontiert wird? Genau vor dieser Frage standen wir, als wir im Rahmen des internen Reorganisationsprozesses des Erzbistums Köln um Unterstützung bei der Markenentwicklung gebeten wurden.
Hier einige für uns wichtige Erfahrungen, die vielleicht auch euch helfen, bei einer ähnlichen Entscheidungsfindung eine Blockade zu lösen:
1. Information aus erster Hand sammeln
Sowohl als Individuen wie auch als Designer:innen haben wir eine Meinung zur Zurückhaltung der Kirche, sich schneller zu öffnen und zu verändern. Und natürlich haben wir eine klare Haltung zum Thema Missbrauch. Um sich darüber klar zu werden, was ein Engagement in diesem Projekt bedeuten würde und für wen wir tatsächlich arbeiten, ließen wir uns in persönlichen Gesprächen die Perspektive jener Menschen schildern, die kontinuierlich an der Reorganisation mitarbeiten und deren Ansichten nie bis ins Medienecho gelangen.
Da war zum einen eine Mediendesignerin des Generalvikariats, die ihre Sicht der Dinge und den internen Change-Prozess genau schilderte. Sie sagte, an den Mitarbeiter:innen gehe die negative Berichterstattung auch nicht spurlos vorbei. Aber man wolle Veränderung und deshalb könne man nicht weggehen, sondern müsse diese vorantreiben. Man sei ja Gemeinde und ändere das. Diesen Spirit haben wir damals sehr genau gespürt.
Zum anderen sprachen wir mit dem Regens des Priesterseminars, der für die Ausbildung der Priester zuständig ist. Er berichtete, wie sich diese verändert und wie Missbrauch und dysfunktionale Machtverhältnisse darin thematisiert werden. Wir hatten also einen guten Gesamteindruck, auch vom internen Kampf gegen die alten Strukturen, und haben den starken Veränderungswillen deutlich gespürt.
2. Volle Transparenz im Team schaffen
Wenn es um den eigenen Glauben geht, wird es kompliziert. Und sehr persönlich. Wir haben die Fragen, die wir alle hatten, im gesamten Team über mehrere Tage intensiv diskutiert. Der Auftrag war zunächst Thema in unseren Stand-up-Meetings, aber wir wollten dieser Entscheidung bewusst mehr Raum geben und setzten uns mit allen Mitarbeiter:innen zu einem ausführlichen Gespräch zusammen, um sämtliche Meinungen zu hören. Einige sagten ehrlich, wieso sie das Projekt nicht unterstützen wollen, andere berichteten von ihren positiven Erfahrungen mit den christlichen Werten. Aus diesen verschiedenen Sichtweisen und Motiven ergab sich eine interessante und fruchtbare Diskussion. In einer Nachbesprechung konnte jede:r Einzelne entscheiden, ob sie oder er sich im Projekt engagieren möchte. Es kommt sonst nie vor, dass wir nicht als ganzes Team zusammenarbeiten. Aber dieser Schritt hat uns nicht entzweit, sondern näher zusammengebracht, und alle hatten das Gefühl: Wir kriegen das hin. Und zwar trotz der neuen Herausforderung, dass wir bestimmte Talente in diesem Projekt vielleicht entbehren oder ersetzen mussten.
Wir haben gelernt, dass wir uns als Team auch dann aufeinander verlassen können, wenn wir in einigen wichtigen Fragen nicht einer Meinung sind.
Henning Otto
3. Gemeinsam sind wir stark
Als sich leise herumsprach, woran wir werkelten, gab es spontane Unterstützungsangebote. Absolut ökumenisch, also nicht nur von Katholik:innen. So kam es, dass die in Barcelona lebende russische Illustratorin Liubov Dronova uns mit ihren wundervollen Illustrationen unterstützte oder plötzlich Kai Bergmann, Professor für interdisziplinäre Gestaltung an der Hochschule Augsburg, für ein paar Wochen zu unserem Team stieß und gemeinsam mit unserer Kreativchefin Elisabeth Plass dafür sorgte, dass die neue Bildmarke auf der Grundlage des historischen Wappens nicht nur formschön ist, sondern auch die korrekte Ständerung im Kreuz aufweist. Nebenbei bemerkt: eine Frage der Heraldik, die nichts mit Verschwörung oder Tempelrittern zu tun hat.
4. Mit den Konsequenzen leben
Das klingt dramatischer, als es tatsächlich war. Der kurze, aber intensive Shitstorm, der mit dem Launch des neuen Corporate Designs aufkam, wurde in erster Linie von der Lokalpresse im Rheinland befeuert. »Das Erzbistum cancelt eigenen Dom aus Logo«, hieß es dort zum Beispiel. Dass nun das Erzbistum Köln keinen Dom mehr im Logo tragen sollte, war der große Aufreger und – heiliger Bimbam! – hat EIGA sogar mal eine Erwähnung in der »Bild« beschert. Während wir also in Bezug auf unser Fachgebiet von kaum kompetenten Leitmedien ein wenig gegrillt wurden, fiel das Feedback aus der Design- und Branding-Bubble durchweg positiv aus.
Fazit: Viel Rauch um nichts? Mitnichten!
Wir haben gelernt, dass wir uns als Team auch dann aufeinander verlassen können, wenn wir in einigen wichtigen Fragen nicht einer Meinung sind. Wenn ihr euch nicht sicher seid, wie ihr euch entscheidet, arbeitet gemeinsam an eurer Entscheidung. Wir haben ein großartiges Projekt umgesetzt, auf das wir stolz sind. Wir haben gelernt, dass wir auch in kontroversen Projekten unsere Kräfte gut verteilen können und Großes stemmen, ohne dass uns die Freude am Designprozess abhandenkommt. War es ei-
ne göttliche Teambuilding-Maßnahme? Nun ja, das geht dann vielleicht doch zu weit. Henning Otto
Henning Otto ist Mitgründer und seit 2002 CEO der Branding-Agentur EIGA. Seine Schwerpunkte sind Markenstrategie und Projektleitung. Wenn er seine Energie nicht gerade in Branding-Programme steckt, erkundet er am liebsten mit Familie und Freunden das Leben
Missbrauch in der deutschen katholischen Kirche
2010 wurde erstmals eine größere Zahl von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche öffentlich. Es folgten Ermittlungen, Gutachten und Studien, die Tausende Fälle sexualisierter Gewalt sowie die Missbrauch begünstigenden Strukturen in der Institution aufdeckten. 2018 leitete die katholische Kirche auch aufgrund der Ergebnisse der MHG(Mannheim-Heidelberg-Gießen)-Studie mit dem Titel »Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz« den Reformprozess Synodaler Weg ein.
Inzwischen gibt es sowohl bei der evangelischen als auch bei der katholischen Kirche und natürlich auch in weltlichen Institutionen Anlaufstellen und Beauftragte, um Missbrauch im Rahmen der Kirche zu verhindern und aufzuarbeiten. Gerichtsprozesse laufen, und Opfer erhalten Anerkennungszahlungen von der Kirche. Die ursächlichen kirchlichen Machtstrukturen sollen sich langfristig verändern.
Studien und Forschungsprojekte zum Thema sexualisierte Gewalt in katholischen Institutionen, mit denen die Deutsche Bischofskonferenz in Verbindung steht, finden sich hier: https://is.gd/mhgstudie.
Dieser Beitrag ist erstmals in PAGE 2.2024 erschienen.