Making-of: Microsite fürs Supersportcar GTstreet R
Es gibt kaum rationale Argumente dafür, einen Sportwagen zu kaufen – es geht um Erlebnis pur. Wie aber übersetzt man dies ins Digitale? Die Agentur Dorfjungs stellte sich mit Motion Graphics und Sound dieser Aufgabe. Plus: Technik, die Zeit spart und kreative Freiheiten bietet
Projekt Entwicklung der Microsite für den GTstreet R
Auftraggeber TechArt Automobildesign GmbH, Leonberg
Agentur Dorfjungs, Karlsruhe
Technik Entwicklung: Node.js, TypeScript, Web Components, Web Audio API, Adobe Audition, GSAP, Canvas API, Docker, Kubernetes; Projektmanagement: Slack, Asana; Prototyping: Figma
Produktionszeitraum Mai bis Juli 2021
Der Aufbau der Microsite wiederum bildet die Erkundung des Sportwagens ab. »Es beginnt beim ersten Blick auf den Ladescreen mit ›Geschwindigkeits‹-Zähler, dann geht es vom Exterieur zum Interieur«, erklärt Jonas Marckert. Dabei setzten die Kreativen Textinformationen möglichst zurückhaltend ein und ließen die Bilder sprechen. »Wir entschieden uns gegen eine klassische Anordnung von Bild und Text als Erklärung. Stattdessen arbeiteten wir mit Scroll-Effekten wie Überblendung und Abstraktion durch unterschiedliche Hintergründe«, so der Designer. Das GTstreet R bleibt dabei immer im Fokus, da zum Beispiel die Hintergrundmaskierung ans Scrolling gebunden ist. Neben diesem visuellen Storytelling sorgen die verschiedenen Möglichkeiten, mit dem Sportwagen zu interagieren, für ein starkes Involvement des Users oder der Userin.
Look-and-feel: Effizienter Technikeinsatz
Um das generelle Look-and-feel der Site sowie die Dauer und Anmutung der Animationen zu visualisieren, entwarf das Team Prototypen in After Effects, die es dann in Code übersetzte. Dazu gehörte auch die Gestaltung des Hauptmenüs sowie des Custom Cursors, der kontextbasiert Navigationshinweise liefert. »Auf diese Weise erhielten wir einen ersten Satz von Animationseigenschaften, die wir als Ausgangspunkt für alle Elemente auf der Seite wiederverwenden«, sagt Jonas Marckert. Für die Implementierung nutzt die Agentur entweder CSS oder bei komplexere Animationen JavaScript – die Animationsbibliothek GSAP, um genau zu sein.
Da die gesamte Produktion unter Corona-Bedingungen stattfand, konnte Creative Director Norman Dubois beim Shooting der Fotos und Videos nicht vor Ort sein und gab die Anweisungen remote. Wobei der GTstreet R selbst zu Projektbeginn noch gar nicht fertig war, sodass das Team zunächst mit Renderings und Mockups arbeiten musste. Für die Abstimmung im Team und mit dem Kunden wurde kurzerhand ein eigener Slack-Kanal aufgesetzt. Darüber hinaus nutzte Dorfjungs Asana fürs Projektmanagement sowie Figma, um die Entwicklung der UX-Prototypen schnell voranzutreiben.
Bei Dorfjungs ist auch die technische Infrastruktur ganz darauf ausgelegt, Zeit zu sparen. »Unser gesamter Workflow läuft über Docker-Container. Wir haben Base Images für diverse Arten von Projekten, die vorkonfigurierte Webserver, unsere wichtigsten Module sowie – falls nötig – ein CMS enthalten. So wird die Einrichtung des Projekts ausgelagert. Das stellt sicher, dass wir alle mit einer identischen Entwicklungsumgebung arbeiten«, sagt Systemadministrator Paul Lorenz. Da die komplette Microsite samt Abhängigkeiten in einem Container verpackt ist, ist es möglich, sie an den Staging Host (ein Kubernetes-Cluster) auf dem Kundenserver zu schicken, ohne dass FTP-Übertragungen oder stressige Probleme mit Abhängigkeiten auftreten.
Auch die Microsite selbst könnte in Zukunft neue Funktionen übernehmen. Aufgrund der positiven Resonanz und der großen internationalen Reichweite dient sie perspektivisch als Kampagnen-Site für den Launch weiterer Produkte. Es reicht dann, einfach das Bildmaterial auszutauschen und kleine Features als Erweiterung hinzuzufügen.
Technik, die Zeit spart und kreative Freiheiten bietet
Die Digitalagentur Dorjungs setzt bei ihren Projekten auf Standardwebtechnologien, die sie nach Bedarf anpasst
Web Components Das Set aus wiederverwendbaren und standardisierten Komponenten vereinfacht die Webentwicklung. Zu den Möglichkeiten gehört zum Beispiel die Interoperabilität einzelner HTML-Elemente. Eigene Webkomponenten setzt Dorfjungs bei fast allen Projekten ein – und verbessert sie kontinuierlich.
Web Audio API Die API bietet eine umfangreiche Palette an Audioeffekten. »Sie erlaubte uns, die Audiodateien des Motors nach Bedarf zu wiederholen und zu steuern, um das Soundmodul zu implementieren«, erklärt Joshua Keck.
Canvas API Sie erlaubt es, Grafiken zu zeichnen und über Java-Script zu animieren. Dorfjungs nutzte die Canvas API für die Gestaltung der Amplitudengrafik des Soundmoduls und für die Implementierung der scrollbasierten Bildsequenzabschnitte.
GSAP Die JavaScript-Animationsbibliothek hat den Vorteil, dass sie für die Leistung und Robustheit in verschiedenen Browsern optimiert ist und eine Standardsyntax mitbringt. Die Möglichkeit der Zeitleisten- und Keyframe-Steuerung macht die Entwicklung von Animationen besonders intuitiv. Dorfjungs arbeitet mit GSAP, sobald die Animationen etwas komplexer sind und CSS dafür nicht mehr ausreicht.
Step-by-step: So wurde das interaktive Beschleunigungsmodul realisiert
Eines der Highlights der Microsite ist die Darstellung der Beschleunigung des Supersportwagens, der in gerade mal 2,5 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer kommt. »Unsere Fragestellung war: Wie können wir diese atemberaubende Beschleunigung erlebbar machen und dem User das Gefühl geben, selbst im Auto zu sitzen?«, berichtet Jonas Marckert. Aus dieser Vorüberlegung ergab sich die Idee, den Autotacho abstrahiert als Illustration darzustellen und den User damit interagieren zu lassen: Er kann den Wagen starten, beschleunigen und stoppen – und hört dabei den echten Sound des Motors.
1. Illustrationen und Motion Blur erzeugen
Für die Darstellung des Tachometers verwendeten die Kreativen eine vom Dashboard des GTstreet R abgeleitete Vektorgrafik . Mit der Canvas API erzeugten sie eine zum Sound passende Amplitude . Die Grafik hinterlegten sie wiederum mit einem Foto, das parallel zur Beschleunigung weichgezeichnet wird. Dies visualisiert nicht nur die Geschwindigkeit, sondern lenkt die Aufmerksamkeit zugleich auf den Tacho.
2. Echten Motorsound extrahieren und bearbeiten
Die Audiodateien extrahierte Dorfjungs aus dem Video einer Dashboard-Cam, in dem der GTstreet R tatsächlich von 0 auf 100 Stundenkilometer beschleunigte. Die Kreativen wählten in Adobes Audioeditor Audition die entsprechenden Tonabschnitte aus, filterten die Hintergrundgeräusche heraus, reduzierten die Dateigröße und exportierten sie als MP3-Dateien. Dabei versuchten sie, die Bitrate so hoch wie möglich zu halten, um fließende Übergänge zwischen den verschiedenen Audioabschnitten zu erreichen.
3. Soundwiedergabe an die User Experience anpassen
Im nächsten Schritt stimmte Dorfjungs die Audiofiles mithilfe der Web Audio API auf die exakten Frames der vier Stufen des Moduls ab: Motor anlassen, beschleunigen, Geschwindigkeit halten und stoppen. Nach mehreren Tests und beim Prototyping des Moduls stellte sich allerdings heraus, dass eine der Echtzeit entsprechende Darstellung der Beschleunigung nicht sinnvoll ist. »2,5 Sekunden sind viel zu schnell, um dem User eine überzeugende Erfahrung zu bieten. Entsprechend haben wir uns entschieden, zugunsten der User Experience auf eine zu 100 Prozent korrekte Wiedergabe zu verzichten, und das Soundfile etwas länger gezogen«, erklärt Jonas Marckert.
4. Tacho animieren und Interaktivität hinzufügen
Nun animierte das Team mittels GSAP den Geschwindigkeitsmesser samt Zähler. Dabei wurde jede Animation so genau wie möglich auf den entsprechenden Soundabschnitt abgestimmt. Der letzte Schritt bestand darin, die Steuerelemente für die diversen Phasen zu implementieren. Ein interaktives Label, das neben dem nutzerdefinierten Cursor der Website erscheint, führt die User:innen durch jeden Schritt der Beschleunigung.
Dieser Artikel ist in PAGE 02.2022 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.