Inspirierende Vintage-Infografiken: So smart visualisierten Gestalter Informationen, lange bevor es Computer gab.
Infografik ist ein Phänomen des Computerzeitalters, mit einigen wenigen Pionieren aus dem 19. und 20. Jahrhundert? So lautete bislang die weitverbreitete Meinung.
Doch seit immer mehr Bibliotheken ihre alten Bücher online einsehbar machen, zeigt sich, dass man auch in früheren Jahrhunderten komplexe Sachverhalte oft äusserst kreativ grafisch darstellte.
Auch weibliche Infografikerinnen gab es bereits, auch wenn diese natürlich die Ausnahme darstellten. Die Infografik oben entwarf die die US-amerikanische Pädagogin Emma Willard 1846 – sie benutzte das Bild eines Tempels als Metapher für die Geschichte der Menschheit. Perspektivisch geht es hier immer tiefer in die Vergangenheit zurück.
»History of Informations Graphics«
Expertin Sandra Rendgen hat für ihr opulentes Buch »History of Information Graphics« eine sensationelle Auswahl getroffen. Nicht nur der gestalterische Einfallsreichtum, auch die Detailversessenheit überwältigt – zumal viele Grafiken einst für die Reproduktion noch per Hand in Holz geschnitten oder in Kupfer gestochen wurden. Ebenso spannend und vielseitig sind natürlich die lehrreichen bis witzigen Inhalte, denen man in diesem infografischen Geschichtsbuch unverhofft begegnet.
Mit einem Überformat von 24,6 mal 37,2 Zentimetern erlaubt es der Wälzer, selbst in die feinsten Details der Infografiken einzusteigen – in einigen Fällen gibt es sogar noch Ausklappseiten.
Am Freitag, den 20. September, stellen Sandra Rendgen, ihr Co-Autor und Infografik-Experte Michael Stoll sowie Herausgeber Julius Wiedemann Buch im Taschen Store Berlin in der Schlüterstraße 39 vor. Natürlich kann man auch signierte Exemplare erwerben.
Ganz schön smart, diese Infografik aus dem Geschäftsbericht der Berliner Verkehrsbetriebe von 1927
Längste Flüsse, höchste Berge der Welt: Stahlstich aus dem »General Atlas of the World«, Edinburgh 1854. Handkolorierte Ausgabe aus der David Rumsey Historical Map Collection
Auch Infografiken können lügen: Hier eine Grafik aus dem Band »Two Systems of Astronomy«, die das Weltbild der Muggletonianer wiedergibt – die Erde ist Zentrum des Universums, der Himmel drumherum ein unendlicher Lichtraum
Holzschnitte von Wilhelm Pleydenwurff aus dem Buch »Schatzbehalter der wahren Reichtümer des Heils« von 1491 in einer handkolorierten Kopie der Württembergische Landesbibliothek Stuttgart. Die Grafik sollte helfen, sich wichtige Glaubenssätze und Persönlichkeiten des christlichen Glaubens zu merken
Sandra Rendgen, Julius Wiedemann:
History of Information Graphics
Hardcover mit 6 Ausklappseiten, 24,6 x 37,2 cm, 462 Seiten
Taschen Verlag Köln
50 Euro
Ahnenreihe Christi in einer Handschrift des spanischen Mönchs Beatus von Liébana aus dem 12. Jahrhundert, heute im Metropolitan Museum of Art
Links Bilder aus dem vom bayrische Opticart Verlag in den 1960er-Jahren entwickelten Schautafelsystem, bei dem hinter transparenten Infografikfolien eine grafische Schwarz-Weiß-Drehscheibe vor einer Lichtquelle rotierte. Das flackernde Licht suggerierte Bewegung.
Rechts eine Plan der New Yolker Weltausstellung aus dem deutschen Bollmann Verlag. Dieser arbeitete mit einer Art Google-Mobil – einem VW-Käfer mit Dachkamera, die alle paar Meter automatisch Aufsichtsbilder fotografierte. So konnten die Gebäude plastisch aus isometrischer Perspektive wiedergegeben werden.