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Filigran-Laser statt Stanze

Es muss nicht immer Lack oder Heißfolie sein: Mit Lasercut lassen sich Printprodukte schnell, äußerst flexibel und ökologisch vertretbar veredeln

Filigranlaser, Lasercut, Laserstanzung, Lasergra­ vur – diese vier Begriffe bezeichnen (fast) dasselbe Verfahren: Ein digital gesteuerter Laserstrahl schnei­ det mittels Hitze auch filigranste Motive aus einem Material (Lasercut oder ­stanzung) oder trägt etwas von der Oberfläche ab (Lasergravur). In den letzten Jahren hat Lasercut als Druckveredelung an Beliebt­ heit gewonnen. Vor allem, weil Printproduktionen durch den Digitaldruck so schnell geworden sind, fehlt oft die Zeit, erst noch eine physische Stanze an­ fertigen zu lassen. Außerdem spart Lasercut gegen­ über einer Stanzung Material und Kosten – zumin­dest bei kleineren Stückzahlen.

»Beim Stanzen fällt viel mehr Verschnitt an, zu­ dem entstehen beim Lasern keine Einrichtungskos­ten. Wir brauchen in der Regel nur ein Muster, um zu sehen, wie wir den Laser einstellen müssen, und dann kann es mit der Auflage losgehen«, sagt Sylvia Rost Vargas. Die Inhaberin und Geschäftsführerin von WOWI druckkultur in Duisburg hat vor rund zwölf Jahren den ersten Filigranlaser gekauft – der zweite folgte 2016. »Wir suchten eine Inhouselösung, die schneller und flexibler ist, als zu stanzen, und da­ bei Ressourcen spart. Also sagten wir uns: Probie­ ren wir es mal mit einem Filigranlaser.« Ein weiterer Vorteil gegenüber der Stanzung: Die Motive können viel feiner sein – der Laser schneidet bis auf einen Zehntelmillimeter genau.

Mit sehr viel Können und noch mehr Geduld schafft Zubin Jhaveri aus Mumbai Kunstwerke aus Papier. 180 Arbeitsstunden können bis zur Fertig- stellung eines Objekts ohne Weiteres anfallen
Mit sehr viel Können und noch mehr Geduld schafft Zubin Jhaveri aus Mumbai Kunstwerke aus Papier. 180 Arbeitsstunden können bis zur Fertigstellung eines Objekts ohne Weiteres anfallen

Lasercut: Papier und mehr

Der Fokus bei WOWI druckkultur liegt zwar auf Pa­pier, das Unternehmen kann aber auch viele andere Materialien schneiden oder gravieren: Acryl, Leder, Holz, bestimmte Silikone und auch Schiefer haben die Duisburger schon graviert. Glas lässt sich eben­ falls verarbeiten, zum Beispiel mit einer 360­Grad­ Rundum­Gravur auf Flaschen. Beim Schneiden stößt der WOWI-Laser aber irgendwann an seine Grenzen. Bei Holz, Leder oder Acryl etwa sind zwei Millimeter die Obergrenze. Wer dickeres Material oder gar Metall schneiden will, kann sich an ein darauf spezialisiertes Unternehmen mit stärkeren Lasern, wie etwa Laser Cut Works in London (https:// lasercutworks.com), wenden.

 

Bei Papier ist WOWI in der Lage, bis zu einer Größe von 990 mal 610 Millimetern und einer Stärke von 700 Gramm zu lasern, nach unten hin liegt die Grenze bei 5 mal 5 Millimetern und 60 Gramm. Für sehr filigrane Motive sollte man lieber etwas stabileres Papier nehmen, damit das Artwork nicht zu wabbelig wird oder gar auseinanderfällt. Geschlossene Formen wie Kreise oder Quadrate, aber auch Buch- staben wie A, B, O oder P brauchen kleine Haltestege, die den Innenraum mit dem Rest des Motivs verbinden. Profis legen ihre Artworks so an, dass die Stege Teil der Gestaltung sind.

Bei dieser Medaille aus Holz, die WOWI auf der Rückseite vierfarbig bedruckte, sind die sichtbaren Schmauch­ spuren ein gewolltes Gestaltungselement
Bei dieser Medaille aus Holz, die WOWI auf der Rückseite vierfarbig bedruckte, sind die sichtbaren Schmauch­ spuren ein gewolltes Gestaltungselement

Ohne Schmauchspuren geht es nicht

Lasern ist ein Brennvorgang, der Brandspuren hinterlässt. An den Schnittkanten entsteht ein brauner Rand, das kann man nicht vermeiden. Aber durch Erfahrung, ein kluges Layout und das richtige Material lassen sich die Schmauchspuren unauffällig halten. »Auf weißem oder – noch schlimmer – hochweißem Papier ist das natürlich besonders delikat, auf farbigen Sorten fallen sie weniger auf«, so Sylvia Rost Vargas. »Wir legen großen Wert darauf, möglichst wenige Schmauchspuren zu erzeugen, etwa indem wir den Laser wirklich sehr genau einstellen. Das sind auch viel Erfahrungswerte.«
Mit kleinen Anpassungen im Layout könne man ebenfalls gegensteuern, erklärt Sylvia Rost Vargas, indem man es so anlegt, dass das Auge die dunkleren Stellen fast nicht wahrnimmt – beispielsweise indem man Farbflächen dementsprechend platziert. »Manchmal haben wir aber auch Agenturen, die die Schmauchspuren als Gestaltungselement sehen und sie bewusst einsetzen. Gerade auf Holz kann das ein sehr schöner Effekt sein.«

Leder lässt sich per Laser wunderbar veredeln. Hier fertigte WOWI eine Laser­ gravur, beim Schneiden schafft der Laser eine Stärke von bis zu zwei Millimetern
Leder lässt sich per Laser wunderbar veredeln. Hier fertigte WOWI eine Laser­ gravur, beim Schneiden schafft der Laser eine Stärke von bis zu zwei Millimetern

Hand statt Laser

Die Schmauchspuren sind es auch, die Zubin Jhaveri gelegentlich zum analogen Cuttermesser greifen lassen: »Besonders wenn ich mit hellen, dünnen Papieren und sehr feinen Details arbeite, funktioniert das Schneiden von Hand besser.« Der Papierkünstler aus Mumbai gestaltet farbenfrohe, filigrane Artworks, die er über seinen Onlineshop verkauft und die ein Maß an Geduld erfordern, das jenseits mei- ner Vorstellungskraft liegt (www.scaleddimensions.com). Er skizziert zunächst die Grundformen auf Papier, die dann immer detaillierter werden. In Corel- Draw zeichnet er die Formen bis zur Perfektion nach und fügt weitere Details hinzu. Besonders das Erimentieren mit Farbpaletten dauert meist eine ganze Zeit. Entspricht das digitale Artwork seinen Vorstellungen, zerlegt Zubin Jhaveri es in mehrere Ebenen und beginnt mit der Umsetzung.

Der Künstler probiert gerne immer wieder andere Papiere aus, am liebsten dickere Sorten für mehr Tiefe. »Meist wähle ich das Material nach der Farbe, die ich brauche. Viele meiner Arbeiten sind ein Mix aus strukturiertem, glattem oder sogar doppel- seitigem Papier, in Grammaturen zwischen 150 und 350 Gramm.« Neben den paper sculptures, wie er sie nennt, fertigt Zubin Jhaveri mit Lasercut auch 3D- Puzzles aus Holz – ein ganz anderes Arbeiten: »Papier ist zerbrechlich, ermöglicht aber sehr detaillierte und farbige Arbeiten. Es braucht Zeit, um mit ihm Volumen zu schaffen, während es mit Holz ganz einfach ist, eine 3D-Struktur zu erzeugen.« Die Arbeit mit Papier erfordere viel mehr Geschicklichkeit, besonders bei komplexen Designs – und genau das fasziniert ihn so daran.

Besser als Lack und Folie

Im Vergleich zu vielen anderen Veredelungen ist La- sercut recht umweltverträglich. »Lasern ist zwar ein Verbrennungsvorgang, der CO2 erzeugt«, sagt Sylvia Rost Vargas. »Doch passiert das unter der geschlossenen Haube des Lasers, und es gibt einen Reinigungs- filter, sodass weniger CO2 nach draußen gelangt.« Die Energie, die der Laser verbraucht, schlägt in der Umweltbilanz allerdings negativ zu Buche.
Positiv wiederum ist, dass keine weiteren Materialien erforderlich sind, es also keine Abfallprodukte wie Folien, Farb- oder Lackreste gibt. Per Laserstanzung veredelte Papiere dürfen zum Recycling ins Altpapier – anders als solche, die mit UV-Lack, Neon- oder Metallicfarben bedruckt sind. Diese gehören in den Restmüll.

Lasercut kam früher häufig für eher konservative Weihnachts- und Grußkarten zum Einsatz, und auch andere Artworks sahen gerne etwas altbacken aus. Das hat sich inzwischen geändert, denn immer mehr Kreative entdecken die vielen Gestaltungsmöglichkeiten dieser Veredelungstechnik. Warum also nicht einfach mal ausprobieren?

um Leben erwachte Cocktails zeigt die Speisekarte einer bayerischen Cocktailbar. Die Pop-up-Elemente hat allesamt WOWI gelasert und dannvon Hand eingeklebt. Bei zehn unter- schiedlichen Motiven, die auch noch mehrstufig sind, und siebzig Speise- karten eine Mordsarbeit. Damit die Pop-ups sich wieder schön zusammen- legen, ritzte der Laser an die untere Kante der Motive eine Rille
Zum Leben erwachte Cocktails zeigt die Speisekarte einer bayerischen Cocktailbar. Die Pop-up-Elemente hat allesamt WOWI gelasert und dann von Hand eingeklebt. Bei zehn unterschiedlichen Motiven, die auch noch mehrstufig sind, und siebzig Speisekarten eine Mordsarbeit. Damit die Pop-ups sich wieder schön zusammenlegen, ritzte der Laser an die untere Kante der Motive eine Rille

 

er Laser bei der Arbeit: Er schneidet die Kontur, die in der PDF-Vorlage mit einer farbigen Linie markiert ist (links). Diese sollte nicht zu viele Knotenpunkte, die Anfang, Ende und Richtungswechsel einer Linie angeben, aufweisen. Sonst wird die Kontur nicht glatt, sondern bekommt kleine Zähnchen. Im PDF für eine Laser- gravur ist die Fläche, die abgetragen werden soll, schwarz markiert
Der Laser bei der Arbeit: Er schneidet die Kontur, die in der PDF-Vorlage mit einer farbigen Linie markiert ist (links). Diese sollte nicht zu viele Knotenpunkte, die Anfang, Ende und Richtungswechsel einer Linie angeben, aufweisen. Sonst wird die Kontur nicht glatt, sondern bekommt kleine Zähnchen. Im PDF für eine Laser- gravur ist die Fläche, die abgetragen werden soll, schwarz markiert

Lasercut: Alle Fakten auf einen Blick

  • TECHNIK: Beim Lasercut lenken Vektordaten den Laserstrahl, der die Motive ausschneidet. Bei der Lasergravur schneidet der Laser nicht durch das Material, sondern trägt nur etwas von der Oberfläche ab. Kiss-Cut nennt man das Anstanzen von Aufklebern. Der Laser schneidet nur die obere Lage, die Trägerschicht bleibt unberührt. So lassen sich die Aufkleber sauber abziehen.
  • MATERIAL: Eine Vielzahl von Materialien lässt sich mittels Lasercut verarbeiten – neben Papier und Karton etwa Holz, Leder, PE-Folien oder synthetisches Papier, Acryl oder auch Metall. Auf keinen Fall lasern sollte man PVC, dabei entstehen giftige Dämpfe. Nicht geeignet ist zudem alles, was sich bei starker Hitze verformt. Je dicker das Material, desto stärker muss der Laser sein. Bei Papier eignen sich ungestri- chene Sorten besser als gestrichene. Auf farbigen Papieren sieht man die Schmauchspuren weniger als auf weißen. Was die Stärke und -größe des Papiers angeht, sollten die Druckbogen mindestens 5 mal 5 Millimeter und maximal 990 mal 610 Millimeter groß sein. Die Mindestgrammatur beträgt 60 Gramm, die höchste 700 Gramm.
  • VORLAGEN Für den Laserschnitt legt man das Motiv als Vektorgrafik ohne Füllung und die Umrisslinien als rote Haarlinien an. Wichtig ist dabei, dass die Kurven aus zusammen- hängenden und durchgehenden Linien bestehen. Geschlos- sene Formen wie Kreise oder Quadrate, aber auch Buch- staben wie A, B, O oder P brauchen kleine Haltestege, damit sie nicht herausfallen. Bei der Lasergravur legt man das Motiv als schwarze Fläche und ebenfalls als Vektorgrafik an.
  • KOSTEN Je filigraner und größer das Motiv, desto teurer ist der Cut, da die Kosten in der Regel nach der Laufzeit des Lasers berechnet werden. Da man aber keine Stanzform benötigt und keine Einrichtungskosten hat, gehört Lasercut zu den eher günstigeren Veredelungen.
  • UMWELT Prägen und Stanzen sind die umweltfreundlichsten Veredelungen. Etwas schlechter schneidet Lasercut ab, da der Laser Energie verbraucht und beim Brennen CO2 entsteht.
  • WEITERVERARBEITUNG Für eine Weiterverarbeitung wie Falzen, Kleben oder Binden sollte man daran denken,
    dass je nach Größe oder Feinheit des Lasercut-Motivs die Stabilität des Papiers leidet.
PDF-Download: PAGE 09.2023

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