Geografische Karten unterhalten, informieren und sind zugleich hochpolitisch. Wie also wandelt man als Designer:in auf dem schmalen Grat zwischen Abstraktion und Verzerrung?
Seit Monaten verfolgen wir fassungslos das Kriegsgeschehen in der Ukraine auf den Nachrichtenlandkarten der öffentlichen Medien – doch sehen diese längst nicht überall gleich aus: Staatsnahe russische Propagandasender präsentierten bereits vor Kriegsbeginn historische Karten, auf denen die Ukraine als »verschenktes« russisches Staatsgebiet abgebildet war. Im aktuellen Geschehen zeigen die russischen Sender weite Teile der Ukraine als erobert, verzerren Grenzen und Maßstäbe, um die öffentliche Meinung zu lenken. Kurz, sie folgen der langen Tradition, mit Landkarten Propaganda zu betreiben.
»Karten waren schon immer ein politisches Tool, um Grenzen, Machtverhältnisse und räumliche Zusammenhänge zu demonstrieren«, erklärt Informationsdesignprofessorin Lisa Borgenheimer, die auch als Kartengestalterin für »Die Zeit« und die »Süddeutsche Zeitung« arbeitete. Land- und Stadtkarten bilden die geografische Grundlage für ein Narrativ, also eine zusätzliche Ebene, in der wir Daten, Zusammenhänge und politische Konstellationen grafisch aufbereiten. Dabei kann man leicht vergessen, dass schon die geografische Grundlage eine politische Aussage birgt und Grenzen, Machtverhältnisse und historisch gewachsene Strukturen zeigt – sie lässt sich mit wenigen grafischen Abstraktionen ungewollt verzerren oder aber strategisch zu politischen Zwecken verbiegen.
Für Designer:innen, die mit Land- und Stadtkarten arbeiten, ist also Vorsicht geboten, denn während sie sich hervorragend auf die ästhetisch abstrahierte Darstellung der zusätzlichen Informationsebene in Karten verstehen, liegt ihnen die Präzision der klassischen Kartografie oft fern. So sind rein nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltete Karten selten geografisch »richtig«, doch eine komplett ungestaltete Landkarte ist eben auch nur schwer lesbar. Wie also schafft man es, ansprechend zu vereinfachen, ohne dabei den Blick für die politische Komponente der Kartengestaltung zu verlieren?