
Die 5 besten Kultur-Websites made in .de, .ch und .at
Kunst und Kultur präsentieren sich immer digitaler – mit spannenden Folgen fürs Webdesign. Wir zeigen die visuell spannendsten und innovativsten Webprojekte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Warum digitale Kulturmagazine flexibler und in sich vernetzter gedacht sein wollen
»Die Zusammenarbeit mit den Professoren aus Michigan war eine der angenehmsten, die wir erlebt haben, mit viel Wertschätzung vom Kunden«, berichten Verena Panholzer und Paul Katterl. »Mit einem neuen Online-Journal wollte das College für Studierende, Alumni und Lehrende eine Plattform launchen, die Austausch und Identifikation schafft. Statt mit einzelnen Ausgaben soll es über zweimal im Jahr initiierte Feeds funktionieren, die Debatten anstoßen und immer wieder an bereits vorhandene Texte anknüpfen, sodass kein Beitrag in Vergessenheit gerät.«
Für diese Vernetzung begnügte sich Studio Es nicht mit den gewohnten Links, sondern schuf für »Gradient« ein System von Klammern, die immer wieder neue Zusammenhänge herstellen und sichtbar machen. Was gleichzeitig die Gesamtansicht aller Beiträge strukturiert, zumal die Linien für jeden neuen Feed eine andere Farbe bekommen. Es entsteht eine partizipative, teils nonlineare Publikationsform, die das Potenzial des digitalen Mediums optimal ausreizt.
»Wir haben noch nie ein so umfangreiches Backend gebaut, mit vielen Varianten für verschiedene Contentformen«, so Verena Panholzer. Der Wiener Developer Philipp Daun wählte dafür Twill, ein relativ neues, auf Editorial- und Multimedia-Inhalte spezialisiertes CMS. »Das System wurde von der Pariser/New Yorker Agentur AREA 17 entwickelt, die selbst viel für den Kulturbereich arbeitet«, erklärt Daun. »Das Admin-Panel ist an sich recht minimalistisch und übersichtlich, lässt sich aber auch für komplexere Workflows einrichten. Es gibt einen sehr guten Visual Editor mit Live-Vorschau, in dem man Inhalte per Drag-and-drop zusammenschieben kann. Die ›Gradient‹-Artikel sind vom Layout her äußerst vielfältig, kombinieren Bild, Text, Video, Zitate, eingebettete externe Inhalte immer wieder anders. Auf Twill können auch Laien das gut einpflegen.«
Im Einstiegspart interpretiert »Gradient« klassisches Editorial Design digital. Mit jedem Feed gibt es ein neues, bildschirmfüllendes »Cover«, das Visual entstammt dem Content. Die architektonische Anmutung des – anfangs vibrierenden – Logos basiert auf Höhenlinien, die mittels Farb-Shades den Namen illustrieren. Textschrift ist die Plain von François Rappo. Das Webjournal ist noch brandneu, wird sich aber in den nächsten Monaten weiter mit Inhalt füllen. Wir sind gespannt.

Wie die Kunsthalle Osnabrück eine der ungewöhnlichsten deutschen Museumswebsites bekam
https://kunsthalle.osnabrueck.de
Eigentlich ist die Site der Kunsthalle Osnabrück supersimpel, auch wenn manche sicher erst mal verwirrt sind. Dass eine kleine Revolution wie diese mitten in Niedersachsen möglich wurde, liegt an den neuen Leiterinnen Anna Jehle und Juliane Schickedanz, die gehörig Zeitgeist in das Museum pusten. Was auch fürs Erscheinungsbild gilt, mit dem sie die Leipziger Designerinnen Anja Kaiser und Franziska Leiste beauftragten. Für das Programm gibt es nun ein saisonal wechselndes (visuelles) Leitthema, mit ebenfalls wechselnden Schriften und Farben.
Konzept, inhaltliche Struktur und grafische Gestaltung der Website wiederum übernahmen Liebermann Kiepe Reddemann. Ihre ungewöhnliche Lösung: eine einzige große Tabelle, in der alles gleichzeitig zu sehen ist. Klickt man auf eine Spalte, tritt sie in den Vordergrund. Die Idee dahinter ist die demokratische Darstellung von Inhalten, wie David Liebermann erklärt: »Der Content wird über die ganze Seite hinweg gleichbehandelt, es entsteht keinerlei Tiefe. Erst in der Interaktion wird der ausgewählte Bereich größer und rückt in den Fokus.«
Auch textlich schlägt sich das Konzept nieder, so ist etwa die Personalliste inklusive Hausmeister nicht hierarchisch, sondern alphabetisch geordnet. Dabei können in der Struktur – etwa in den Rubriken »war«, »ist«, »kommt« – auch mal Lücken entstehen, etwa wenn gerade keine Ausstellung läuft. Bunte Loading-Spinner deuten an, dass da aber durchaus etwas in Vorbereitung ist. Die Tabellenstruktur ist in der (ebenfalls von François Rappo) gestalteten Rand Mono von Optimo beschriftet. Ihr Minimalismus kontrastiert mit den verschiedenen Schriften für die Jahresthemen im Tabelleninhalt (für das erste – »Enttäuschung« – hatten Anja Kaiser und Franziska Leiste die extravagante bb-book von Benoît Bodhuin gewählt).
Auch wenn das flexible Grid smooth und mühelos funktioniert: Die technische Realisierung mit Kirby als CMS war anspruchsvoll. Die Designer:innen legten die Spalten einzeln auf Containern an und arbeiteten mit CSS scaling, wo beim animierten Skalieren die wenigsten Sprünge beim Umbrechen der Zeilen entstanden. »Es hat gedauert, bis bei den fünf verschieden großen und teils noch mal stark unterteilten Spalten alles auf jedem Rechner gleich flüssig lief«, so Liebermann.
Die Site ist trotzdem eines der Lieblingsprojekte des Studios. »Es war eine Kollaboration mit Leuten, die genau das wollten, was wir machen.« Grafikdesign bleibe hier mal nicht nur »dienend« unsichtbar – für Menschen, die sich für zeitgenössische Kunst interessieren, ein spannender Empfang im Osnabrücker Museum.

Wie aus einem Website-Auftrag doch noch ein ganzes Corporate Design wurde
Einen riesigen Text- und Infowust so attraktiv gestalten, dass er Künstler:innen anspricht: Vor dieser Herausforderung stand Morphoria beim Design eines Informationsportals fürs LaB K. So heißt kurz das Landesbüro für Bildende Kunst, eine vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen getragene Einrichtung, die Unterstützung im künstlerischen Berufsalltag bieten will. Unter anderem mit Linksammlungen, praktischen Leitfäden zum Download sowie News im »Feuilleton«-Blog, der inzwischen auch Videos von Talks einbindet. Hilfreich und interessant, aber optisch nicht gerade sexy.
»Ganz pragmatisch orientierten wir uns am Look von Blätterstapeln oder Registerkarten, in die man sich immer tiefer hineinwühlen kann«, erzählt Andreas Ruhe. »Alles mit Farbflächen abstrahiert, die ein Schlagschatten plastisch macht. Tiefe entsteht auch, indem die Typo immer kleiner wird, je weiter man die Layer ausklappt.« Schrift ist die Walsheim Regular von Grilli Type. Die Farben gibt es je in hellerer und dunklerer Variante, wobei dunklere Töne der Lesbarkeit halber hinter größerer Typo stehen.
Als Backend wünschte sich das LaB K WordPress. Developer und WordPress-Umbastel-Experte Freimut Brenner machte das trickreich möglich, sogar Größe und Farbe der Textfelder lassen sich beim Einpflegen des Contents anpassen. »Wenn man dann beim Besuch der Site zwischen den gestapelten Ebenen wechselt, scheint man in derselben URL zu bleiben. Dabei wird immer eine eigenständige Seite geladen, deren Link sich verschicken lässt – das musste sein«, fand man bei Morphoria.
Natürlich hätte die Navigation deutlich konventioneller und einfacher ausfallen können. Doch die Site kam so gut an, dass das Landesbüro mehr wollte: erst Printmaterial, dann ein mobiles Ausstellungsmöbel. »Sonst ist es umgekehrt, aber hier entstand mal aus einer Website eine Identity. Flyer arbeiten mit Einlegern oder getackertem farbigem Papier, der mobile Stand mit variablen Holzplatten, bei denen eine Schattenfuge den Onlinelook aufgreift«, sagt Andreas Ruhe. In diesem analogen Umfeld kommt dann wiederum die Site zum Einsatz: Bis zu zwei iPads lassen sich einbauen, um am Stand das Portal zu konsultieren und/oder Videos anzuschauen.

Wie ein generatives Layout online und offline neue kollektive Publikationsformen ermöglicht
Im »Cache«, also dem flüchtigen Arbeitsspeicher, steckt oft all das interessante Material von Forscher:innen, das sie beim Schreiben und gemeinsamen Diskutieren austauschen und das die Leserschaft am Ende nicht mehr erreicht. Ein Projekt von ZHdK und ETH Zürich will dies ändern: Mit dem ebenfalls »cache« genannten Publikationstool können Recherchegruppen kollektiv publizieren und das Nebenbei von Textfragmenten, Bildern, Filmen oder Audiodateien teilen – und zwar hybrid sowohl open access über cache.ch als auch in einer attraktiven Buchreihe, die beim intercom Verlag erscheint. (Wobei Audio- und Videoinhalte in den Büchern mit Short URLs gekennzeichnet sind, die direkt zum entsprechenden Beitrag auf der Online-Plattform führen).
Ein smartes Backend steht im Zentrum des Designs von Loraine Olalia und Reinhard Schmidt. »Die Autor:innen müssen dort ihr Material nur einmal eingeben, damit es sowohl auf der Website publiziert wird als auch druckfähige PDFs entstehen«, so Loraine Olalia. »Allerdings war das Layout zu komplex für etablierte Hilfsmittel wie mPDF. Unser Entwickler Janis Perren löste das mit Node.js und der Platzierung der Elemente für die Printfassung in einer Chromium-Browseransicht.«
Gerade in Print ist die automatisierte Verteilung von Text und Bild tricky und kann reizvolle Weißräume erzeugen, sodass der generative Ansatz sichtbar bleibt. Es gibt aber auch eine Funktion fürs Setzen manueller Umbrüche. Als i-Tüpfelchen gestaltete Mateo Broillet einen eigenen Font im Maschinenschrift-Look: die Cache Mono kommt in verschiedenen Schnitten in Logo und Navigation sowie den Headlines im Blogbereich zum Einsatz.

Warum Sie diese Plattform für Sound Art unbedingt besuchen sollten
Egal welche Länge, egal welches Genre, aber hundert Episoden sollen es werden – was schnell den Namen »/100« nahelegte, der an die Zählung bei Kunsteditionen erinnert: So fing alles an bei der »erratischen Radioshow« von Kurator und Elektro-Producer Felipe Duque und Gestalter Maximilian Mauracher. Die beiden haben zusammen schon das Wiener Onlinemagazin »Entkunstung« ins Leben gerufen und erkunden nun Sound als künstlerische Ausdrucksform.
»Die ungreifbaren Tonwerke, die Künstler:innen exklusiv für die Plattform erstellen, bekommen auf der Website Gestalt in einer Art Archiv von Dingen«, wie Maximilian Mauracher erklärt. Er selbst blieb Art Director und beauftragte David Rindlisbacher mit dem Design. Der schweizerisch-portugiesische Gestalter entwickelte ein Logo, bei dem die Nullen der 100 an ein Unendlichkeitszeichen erinnern. Dessen zarte rote Linien finden sich in den Gegenständen wieder, die für die einzelnen Episoden stehen: Ein Globus für eine Elektromeditation, eine Leiter für ein Klavierstück mit klassischem Gesang, Bücher für eine Lesung, ein Schlagring für auf die Spitze getriebenen Techno.
Die filigranen, sich um die eigene Achse drehenden Gebilde entstehen aus 3D-Stockobjekten, die in Cinema 4D in Outlines verwandelt werden. Die Videoloops lässt der Berliner Developer Arne Spremberg auf der als Single-Page-Application mit React umgesetzten Site mittels Vimeo laufen. Als Backend dient das handliche Headless CMS Cockpit, aus dem das native HTML5-Audio direkt gestreamt wird. Für die Überschriften kam die Neue Haas Grotesk Display 95 Black zum Einsatz, ansonsten die Swiss 721, deren Zahlen eine feste Breite wie eine Mono haben – perfekt geeignet für eine regelmäßige Listendarstellung der Episodennummern. Kurz gesagt, eine sehenswerte, vor allem aber hörenswerte Site! Wer den (optisch ebenfalls sehr gelungenen) Instagram-Feed abonniert, erfährt immer, wenn neue Episoden on air gehen.

Dieser Artikel ist in PAGE 06.2021 erschienen, die Sie hier komplett runterladen können