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»Wir alle wissen, dass es unmöglich ist, die ganze Zeit glücklich, sozial und selbstoptimiert zu sein«

Mit Design und kreativem Storytelling die Wahrnehmung psychischer Krankhei­ten verändern …

Indhira Rojas ist Inhaberin des Designstudios Re­dindhi in San Francisco und Grün­derin des Magazins »Anxy. Exploring Our Inner Worlds«, dessen erste Ausgabe im Mai erschienen ist und das von nun an zweimal im Jahr herauskommen soll. Wir sprachen mit der Gestalterin darüber, wie man mit Design und kreativem Storytelling die Wahrnehmung psychischer Krankhei­ten verändern kann.

Welchen Auftrag verfolgt ihr mit »Anxy«?
Indhira Rojas: Wir wollen persönliche Geschichten aus einem kreativen Blickwinkel heraus erzählen und damit die künstliche Zweiteilung des Psychischen und des Schöpferischen aufheben. Dass wir das Thema Mental Health im Kontext von Design zeigen, ermög­licht uns, neue Narrative zu finden und ausdrucksvoll experimentell zu arbeiten. Indem wir uns durch visuelle Impulse mit anderen Menschen und ihren Erfahrungen verbinden, lösen wir uns vom Pathologischen.

Seelische Erkrankungen sind für viele immer noch mit Scham verbunden. Ist Design das dringend benötigte Werkzeug, um das zu ändern?
Es ist auf jeden Fall eines der Werkzeuge. Design kann sehr einladend und überzeugend wirken und so Zugänge schaffen, wo man mit Worten allein nicht weiterkommen würde. Also warum nicht die Kraft des Designs nutzen, um unsere Leser zu involvieren?

Warum werden psychische Probleme immer noch verschwiegen?
Keiner will als seltsam, verrückt oder krank gelten oder gemieden werden. Man muss sich nur anschauen, wie geringschätzig wir über seelische Erkrankungen reden. Umso wichtiger ist ein Umfeld, in dem wir uns offen da­zu bekennen können, eben weil dies nicht als Ausdruck von Schwäche gesehen wird. Ganz gleich, ob durch genetische Disposition, äußere Einflüsse oder selbst verschuldet – die meisten von uns werden in ihrem Leben an einen solchen Punkt kommen. Und dennoch fordert die Gesellschaft von uns, zu jeder Zeit oder zumindest die meiste Zeit glücklich, erfolgreich, perfekt zu sein. Das allein ist oft schon Grund genug, sich zu verstecken.

Obwohl heute alle ein möglichst authentisches Bild von sich abgeben wollen, gehören psychische Probleme meist nicht dazu.
Man kann ja durchaus authentisch sein und trotzdem nicht alles von sich preisgeben. Manche wollen ihre inneren Abgründe mit allen teilen, anderen macht das Angst. Mich selbst hat es 33 Jahre gekostet, bis ich offen über mein Trauma reden konnte, und noch immer gibt es einiges, das nur ich kenne. Das macht mich nicht we­niger authentisch. Ich habe geteilt, was ich bereit bin zu teilen. Und davor war ich nicht bereit dafür.

Siehst du einen Zusammenhang zwischen psychischer Problematik und kreativem Talent?
Das ist eine große Frage, und ich kann nicht behaupten, dass ich die Antwort kenne. Von mir selbst kann ich sagen, dass ich durch jahrelange Therapie in der Lage war, zu erkennen, wie ich Verhaltensmuster, die ich in meiner Kindheit entwickelt habe, um mich zu schützen, in Ressourcen verwandelt habe, die mir in meiner kreativ­en Arbeit und in der Zusammenarbeit mit anderen nut­zen. Ich bin zum Beispiel sehr wachsam, beobachte und analysiere genau und kann schnell Auswege finden.

Von der Normalisierung psychischer Probleme scheinen wir noch weit entfernt zu sein. Doch ist es nicht mindestens genauso »unnormal«, schräg und verrückt, permanent gut drauf zu sein?
Wir alle wissen, dass es unmöglich ist, die ganze Zeit glücklich, sozial und selbstoptimiert zu sein. Da wir aber nicht darüber sprechen, was uns passiert, wenn wir das nicht sind, entsteht der Eindruck, dass wir immer »eine gute Zeit haben«. Wir laufen durch die Gegend und bezeugen uns gegenseitig, wie großartig es uns geht – nur in unserer Privatsphäre erlauben wir uns, wütend, traurig oder deprimiert zu sein. Für mich lautet die Frage: Können wir einen Raum schaffen, in dem es vollkommen okay ist, nicht okay zu sein? Wo dies nicht als Zeichen des Versagens gesehen wird, sondern als Moment des Wachstums und der persönlichen Entwicklung.

 

Mehr zum Thema »Design und Psyche« erfahren Sie in PAGE 08.2017.

 

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