In den Schubladen von Gestaltern lagert so mancher Schatz. Was tun mit all den Ideen und Entwürfen, die bei der täglichen Arbeit anfallen, aber nie realisiert werden?
Wenn Designerin Katrin Oeding loslegt, türmen sich rechts und links Ideen auf wie Schnee bei einem Schneepflug – so beschreibt es ihre Schwester. Bei derart immensem Output sind natürlich auch jede Menge Einfälle dabei, aus denen nichts wird. »In meinem Studio liegt kistenweise Zeug in Ordnern, Kartons, auf alten Laufwerken und CDs«, sagt die Hamburgerin. Damit ist sie nicht allein. In Kreativbüros entstehen täglich Unmengen Ideen und Entwürfe, die nie umgesetzt werden. Weil der Kunde sich für einen anderen Weg oder eine andere Agentur entscheidet, weil ein Projekt komplett scheitert, weil Zeit- und Budgetpläne platzen, weil Designer und Kunde aneinander vorbeireden und so weiter. Kurz: Es liegt nicht immer unbedingt daran, dass die Idee oder der Entwurf schlecht ist. Aber was tun mit dem Nichtrealisierten, das zu schade für die Schublade ist – und erst recht für den Müll?
Eine Option ist, diese Ideen im Köcher zu behalten, um sie in einem anderen Kontext oder für einen anderen Kunden zu verwenden. Allerdings gilt das eher für visuelle Ansätze wie bestimmte Farb- oder Schriftkombinationen, da Corporate-Design- und Branding-Konzepte für einen Auftraggeber maßgeschneidert und in der Regel nicht übertragbar sind. Für Katrin Oeding käme es nicht infrage, aus Effizienzgründen einfach eine alte Idee wiederzuverwerten: »Ich verstehe mich als Manufaktur, die maßgefertigte Ideen für Kunden generiert und umsetzt. Alte Ideen aufzuwärmen passt nicht zu mir.« Zur Inspiration kann das eigene Archiv – ob digital oder analog – aber allemal dienen! Mehr übers Finden und Managen von Ideen lesen Sie in unserem P+Artikel Ideenfindung: Freiheit vs. Regel.
Eine andere Möglichkeit ist die Präsentation verworfener Ideen im Portfolio. Auch hier ist Vorsicht geboten: Manchen Kunden könnte es sauer aufstoßen, wenn man die »Was wäre wenn«-Variante eines realen Projekts zeigt – nach dem Motto: Der Auftraggeber hat sich leider für den falschen Entwurf entschieden. Außerdem sollte man unbedingt darauf achten, dass man juristisch auf der sicheren Seite ist (siehe Rechtstipps). Am besten fragt man einfach kurz beim Kunden nach, ob er mit einer Veröffentlichung einverstanden ist. So gibt’s kein böses Blut. Ein anderer Fall ist natürlich, wenn man als Gestalter eine Geheimhaltungsklausel unterschrieben hat, wie es häufiger bei Pitches vorkommt. Dann ist jede Form der Veröffentlichung tabu.
Zweites Leben auf dem Ideenfriedhof
Viele Ideen und Konzepte erblicken niemals das Licht der Welt, weil sie relativ früh abgelehnt werden, und den meisten Gestaltern fehlt schlicht die Zeit, sie fürs Portfolio aufzubereiten. Für die schnelle Präsentation eignen sich jedoch Social Media ganz gut – allen voran natürlich Instagram.
Eine sehr charmante Form der Wiederverwertung ist das Projekt Recently Rejected, 2015 als »kuratierter Ideenfriedhof« von der New Yorker Designagentur und Künstlerrepräsentanz Hugo & Marie gegründet. Hier finden sich abgelehnte Ideen und Entwürfe von unbekannten und bekannten Kreativen, darunter Bureau Mirko Borsche, Craig & Karl und Hvass&Hannibal. Das Tolle daran: Lieb gewonnene Ideen leben weiter und inspirieren vielleicht andere – und gleichzeitig zeigt sich, dass auch die erfolgreichsten Designer nicht nur Gewinnerideen produzieren. Recently Rejected ist noch online, wird aber aus Zeit- und Serverkapazitätsgründen leider nicht mehr aktualisiert.