Spannende Denkanstöße von Zeichen & Wunder, KMS Team, Bureau Bald und kleiner & bold exklusiv für PAGE …
»Designer, solidarisiert Euch endlich zu Gunsten der Qualität«, »Mit einer ordentlichen und nachvollziehbaren Herleitung hätte man dem leicht aus dem Wege gehen können«, »Eine hervorragende Werbemaßname für das Lütticher Theater«, »Was aber, wenn hier ein echter Zufall vorliegt« – Interessante Denkanstöße aus der Designszene zur Olympia-Logo-Debatte …
Ein kurzer Rückblick: Die Olympischen Spiele in Tokyo 2020 hatten bereits ein eigenes Logodesign, das erst Juli 2015 veröffentlicht wurde. Dieses Design unterliegt einem Plagiatsvorwurf. Es weise zu große Ähnlichkeiten mit dem Logo für das Théâtre de Liège auf.
Das Japanische Kommitee für Olympia wird sich um eine neues Logodesign kümmern müssen. Das Belgische Theater mit Sitz in Lüttich und der Designer Olivier Debie hatten rechtliche Schritte eingeleitet, um die weitere Verwendung des Olympia-Logos zu verbieten. Dem Japanischen Designer Kenjiro Sano wird vorgeworfen, sich am Signet des Theaters bedient zu haben, welche er zurückweist. Offenbar war der Druck jedoch zu groß und das Olympiakommitee zog das Logo zurück.
Zu dieser heiklen Story haben wir folgende Meinungen aus der Designszene eingeholt, die das Ganze hervorragend aus der Sicht von Kreativen beleuchten.
Sascha Zolnai, Creative Director bei KMS TEAM
Selten wird das Thema Logodesign in den Medien und besonders im Internet so intensiv diskutiert wie dieser Tage: Google führt ein neues Logo ein und in Japan muss das eben noch bekanntgemachte Olympia-Zeichen wieder zurückgenommen werden, da man sich den Plagiatsvorwürfen wohl nicht länger stellen wollte. Beiden Diskussionen ist eine Sache gemeinsam, die dem Logodesigner heutzutage immer häufiger den Angstschweiß auf die Stirn treibt – nämlich die Frage: Was sagt das Netz zu meiner Kreation? Mit dem Vorgang in Japan erhält diese Frage zukünftig sicherlich eine weitere Facette: Wird es Plagiatsvorwürfe geben?
Selbst mit höchstem Anspruch an Originalität und Einzigartigkeit läuft man Gefahr, etwas zu entwerfen, das es irgendwo auf diesem Planeten schon in ähnlicher Form gibt
Was die Angst vor einem Plagiatsvorwurf bei den Kreativen nährt, ist die Tatsache, dass man selbst mit höchstem Anspruch an Originalität und Einzigartigkeit Gefahr läuft, etwas zu entwerfen, das es irgendwo auf diesem Planeten schon in ähnlicher Form gibt.
Die Designbranche urteilt in solchen Fällen durchaus differenziert und nicht per se vernichtend. Seinem Kunden allerdings zu erklären, dass das eben eingeführte Logo gewisse Ähnlichkeiten zu einem anderem Logo irgendwo auf der Welt hat, ist sicherlich nicht die angenehmste Situation und bleibt in der Regel auch nicht ohne Folgen.
Wenn sich der japanische Designer tatsächlich am Logo-Design des Theaters in Liège bedient hat, dann kann man seinen Entwurf zurecht als Plagiat bezeichnen. Was aber, wenn hier ein echter Zufall vorliegt – hierfür gibt es noch keinen Begriff der alles erklärt – oder vielleicht doch: dummer Zufall.
Julia Peglow-Peters, Geschäftsführerin Zeichen & Wunder, München
Designer, solidarisiert Euch endlich zu Gunsten der Qualität
Wir Designer mussten ja in punkto Logos für große Sportereignisse weiß Gott einiges ertragen in den letzten Jahren. Weil hier schon lange nicht mehr der grafische Entwurf zählt, sondern eher die Halligalli-Friede-Freude-Eierkuchen-Party-Logokultur vorherrscht. Man erinnere sich mit Schrecken an das Deutschland Fußball-WM Logo von 2006 und auch Olympialogos wie Rio 2016 sind hier einzureihen. Jetzt hat sich für Tokyo 2020 mal wieder ein wirklich sauberes, grafisches Designsystem durchgesetzt. Und was machen die Designer? Fallen übereinander her und haben nichts Besseres zu tun als sich gegenseitig mit Plagiatsvorwürfen zu überhäufen. Designer, solidarisiert Euch endlich zu Gunsten der Qualität.
Tammo F. Bruns, geschäftsführender Gesellschafter bei kleiner und bold GmbH
Der gespielte Witz: In der Historie der Olympialogos schaffen es oft skurrile Zeichen aufs Treppchen. Der Trend ging in den letzten Jahren zu Fingerfarben und verknoteten Elipsen. Das Tokyo 2020 Zeichen ist retro modernistisch und hätte eine heilsame Ausnahme bilden können, wäre es nicht visuell und seiner Herleitung völlig überladen.
Die bedeutungsschwangere offizielle Erklärung ist ein gespielter Witz
Die bedeutungsschwangere offizielle Erklärung ist ein gespielter Witz: Das Zeichen symbolisiert die Kraft der Einheit, der schwarze Balken steht für Diversität, der weiße Kreis zeigt die Welt, in der sich alle akzeptieren, der rote Kreis stellt die Kraft des schlagenden Herzens dar. Alles klar? Nein? Dann geht’s ihnen gut. Und nun zieht Tokyo nach Klageandrohung aus Lüttich das Logo zurück. Warum knicken die so schnell ein? Einen Plagiatsvorwurf juristisch durchzusetzen ist langwierig und schwer. Mit einer ordentlichen und nachvollziehbaren Herleitung hätte man dem leicht aus dem Wege gehen können. Aber genau daran hapert es ja …
Patrick Meny, CEO & Creative Director bei Bureau Bald
Gestaltungsprogramme von Adobe und der internationale Austausch über Blogs und soziale Netzwerke sind ein Segen für uns Gestalter. Sie sparen Zeit, vereinfachen den Designprozess und ermöglichen uns einen raschen Austausch mit Designern weltweit. Andererseits geben diese Programme streng kontrollierte Parameter vor und zeigen uns die Grenzen ihrer Möglichkeiten auf. Sie fördern das Kopieren von Entwürfen und hemmen einzigartige Kreation und die Entwicklung neuer Konzeptionsgedanken.
In jedem Fall ist der Aufruf von Herrn Debie eine hervorragende Werbemaßname
Ob letztendlich Olivier Debie oder Kenjiro Sano im Recht ist, sei dahingestellt und lässt sich von hier aus nicht bewerten. Nach umfassender Recherche von grafisch simplifizierten Logoformen findet sich sicherlich ein zuvor entstandener identischer Entwurf des Théâtre de Liège. In jedem Fall ist der Aufruf von Herrn Debie eine hervorragende Werbemaßname für das Lütticher Theater und seine persönliche PR.
Tim Finke, Geschäftsführer/Creative Director bei formdusche, studio für gestaltung
In den Zeiten von behance, fffound, designspiration und tausender anderer Design-Blogs und -Portalen ist die Diskussion um Plagiate ja fast schon obsolet. Denn es gibt wahrscheinlich niemanden, der vorsätzlich mit Scheuklappen durch die Welt läuft und das Rad jeden Tag von Grund auf neu erfindet.
In den Zeiten von behance, fffound, designspiration und Co ist die Diskussion um Plagiate ja fast schon obsolet
Bewusst oder unbewusst – wir alle saugen hier und da Inspirationen für unsere Arbeit auf. Wichtig ist dabei schließlich nur, dass wir dadurch nicht in pure Gleichmacherei verfallen. Es kommt nicht unbedingt darauf an, woher wir Inspirationen nehmen, sondern was wir am Ende des Tages daraus machen. Schafft man es, wo es doch schon fast alles gibt, trotzdem eine eigene Sprache zu finden und vielleicht auch Gesehenes für sich auf eine eigene Ebene zu heben oder kopiert man nur die Kopie der Kopie? Letztlich fordert der Überfluss nur die Originalität und uns alle immer wieder auf’s Neue heraus, nicht auf der Stelle zu treten. Quality is still a monster.
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