Anne Märtens hat das Agenturgeschäft hinter sich gelassen und eine Crowdsourcing-Website für Designer gegründet, die fair für alle sein soll. Wir sprachen mit ihr darüber.
Der deutsche Markt der Crowdsourcing-Plattformen hat sich nach dem ersten Boom konsolidiert. 12designer wurde von 99designs geschluckt, andere Player sind ganz vom Markt verschwunden. Neben 99designs sind hierzulande vor allem designenlassen.de und jovoto.com gut im Geschäft. Letztere wurde bereits mehrmals von Jung von Matt eingespannt – derzeit sucht die Agentur dort weltweit nach einem Logo für die »Hockey Hauptstadt Hamburg«.
Richtig durchgesetzt hat sich das Konzept in Deutschland allerdings bislang nicht – was auch an der herben Kritik liegen dürfte, die es nach wie vor in der Branche hagelt. Crowdsourcing-Portale sind weitgehend als Lohndumping-Netzwerke verschrien, in denen Amateur-Designer mittelmäßige bis schlechte Arbeiten abliefern. Große Unternehmen, die sich ihrer bedienen, dürfen eher mit Shitstorms rechnen als mit guten Umsetzungen.
Mit diesem Image will Anne Märtens, Gründerin der Crowdsourcing-Plattform www.crowd-relations.com, aufräumen. Dabei hat sie sich Fairness für alle Beteiligten auf die Fahnen geschrieben. Was zuerst auffällt, sind die teilweise deutlich höheren Projektkosten, die den Marktstandards näher kommen als die Preise bei den Wettbewerbern. So gibt es ein Logo-Design ab 1.199 Euro und für ein App-Design muss man mindestens 1.499 Euro hinlegen. Zum Vergleich: Bei designenlassen.de sind die Kosten nach Qualifizierung der Designer von 199 bis 844 Euro für ein Logo-Design gestaffelt. 99designs verfolgt eine ähnliche Staffelung und bietet App-Design von 419 bis 1.499 Euro an.
Was genau hinter dem Konzept von Crowd Relations steckt und was es von den anderen Anbietern unterscheidet, erklärt Anne Märtens im Interview.
Wie kamen Sie auf das Thema Crowdsourcing?
Anne Märtens: In meiner Position im Business Development von Ketchum Pleon bin ich auf das Thema gestoßen und habe es mit einem Auftrag für ein Logo privar ausprobiert. Ich war überrascht von dem kreativen Output, hatte aber ein schlechtes Gewissen: Das ohnehin geringe Honorar von 200 Dollar ging nur an den Gewinner, den ich aus 76 Logovorschlägen auswählen konnte. Danach hat mich das Thema nicht mehr losgelassen und ich habe beschlossen, eine eigene Plattform zu entwickeln. Dabei habe ich mich bemüht, faire Bedingungen für alle Beteiligten zu schaffen – für die Kreativen ebenso wie für die Auftraggeber.
Was unterscheidet Crowd Relations von den Wettbewerbern?
Crowd Relations unterscheidet sich vor allem in drei Punkten von anderen Plattformen. Erstens: Die Crowd ist handverlesen. Die Designer müssen formale und handwerkliche Kriterien erfüllen, etwa eine entsprechende Ausbildung, Erfahrung und ein starkes Portfolio vorweisen. Zweitens: Da es sich ausschließlich um professionelle Designer handelt, können wir die Zahl der Teilnehmer pro Projekt auf sechs beschränken. Das garantiert dem Auftraggeber vielfältige und qualitative Vorschläge und gibt den Designern eine faire Chance, den Wettbewerb zu gewinnen. Drittens: Die limitierte Teilnahme ermöglicht es uns wiederum, allen Designern ein Honorar zu zahlen.
Eine Aufwandsentschädigung für die Kreativen ist also garantiert.
Wie genau ist das gestaffelt?
Die Projekte laufen über drei Runden. Zuerst reichen sechs Designer Vorschläge in Form von groben Skizzen ein. Der Aufwand ist hier überschaubar. Für seine Beteiligung erhält jeder Teilnehmer fünf Prozent der Projektkosten. Der Auftraggeber wählt die Vorschläge aus, die ihm am besten gefallen und gibt Feedback, woraufhin die Designer ihre Konzepte in der zweiten Runde verfeinern. Ihr Anteil steigt dadurch auf zehn Prozent der Projektkosten. Erst in der dritten Runde arbeitet der Gewinner sein Konzept final aus und überträgt die Nutzungsrechte. Er bekommt 40 Prozent der Projektkosten. Der Designer kann in diesem Modell gut abschätzen, wie viel Aufwand sich wann lohnt. Zudem dauert jede Phase drei Tage, sodass er die Arbeit gut neben seinen anderen Projekten erledigen kann.
Wie werden die Designer ausgewählt?
Per automatischem Matching. Die Zuteilung basiert auf derzeit 12 Kategorien, mit denen Kreative ihre Leistungen angeben können – zum Beispiel Logo-Design, App-Design oder Illustration. Es gilt: First come, first serve. Nach sechs Teilnehmern wird das Projekt geschlossen. Zudem gibt es die Möglichkeit, einen Designer über die Plattform direkt anzufragen.
Was fällt dabei für Crowd Relations ab?
Ich behalte 25 Prozent der Projektkosten für den Betrieb der Plattform ein. Wir unterscheiden uns außerdem von unseren Wettbewerbern, weil wir keine Vermittlungsplattform sind. Die Aufträge gehen direkt an mich als Geschäftsführerin, ich hafte somit für die Crowd. So möchte ich das Vertrauen der Auftraggeber gewinnen, die ungern Designer aus anderen Ländern beauftragen.
Wie setzt sich die Crowd denn zusammen?
Derzeit haben wir knapp über 100 Designer aus 28 Ländern und von allen Kontinenten. Darunter sind viele Designer mit Agenturerfahrung, die mit dem Format experimentieren und gucken wollen, wie sich der Markt entwickelt.
Wer ist Ihre Zielgruppe auf Unternehmensseite?
Meine ursprüngliche Zielgruppe waren Agenturen. Es zeigt sich aber, dass viele Agenturen beim Thema Crowdsourcing eher zurückhaltend sind. Sie greifen meist nur darauf zurück, wenn ihre internen Kapazitäten nicht ausreichen. Bei Unternehmen habe ich wesentlich positiveres Feedback bekommen. Da das Pricing recht hoch ist, spreche ich eher größere und mittelständische Unternehmen an. Der Handwerker von nebenan wird weiterhin auf günstigere Plattformen zurückgreifen. Meine Zielgruppe sind Kommunikations- und Marketing Manager, die Vielfalt und Qualität schätzen und bereit sind, dafür zu bezahlen – und die nicht an Agenturen gebunden sind.
Wieso sollten sich Designer auf Crowdsourcing einlassen?
Die digitale Transformation verändert auch den Design-Markt. Crowdsourcing ist nicht mehr eine Frage der Ablehnung, sondern der Gestaltung.
Was verstehen wir unter guter, digitaler Arbeit und was ist ein fairer Preis dafür? Für mich ist Crowdsourcing ein kreatives Powertool für Unternehmen und Agenturen, das vor allem mit der Diversität der Crowd überzeugt. Von Agenturen wird immer wieder Disruption gefordert. Dafür braucht es neue Denkmuster und Interpretationen. Und davon bekommt man beim Crowdsourcing viel mehr als von internen Designteams. Dabei geht es nicht um die Schwarmintelligenz der Masse, denn für Diversität im Design reichen schon sechs Teilnehmer. Natürlich ist auch Crowd Relations noch angreifbar, aber ich habe versucht, den Prozess für alle Seiten fair zu gestalten.
Sie glauben also, Crowdsourcing ist die Auftragsvermittlung der Zukunft?
Nein. Der Markt verändert sich und Crowdsourcing ist nur eine mögliche Antwort darauf. Natürlich können Designer nach wie vor nicht von Crowdsourcing allein leben. Aber es ist quasi eine permanente passive Chance auf Aufträge, die man nutzen kann, wenn man gerade keine anderen Aufträge hat.