KI-Forte: »Unfortunately, we don’t need you anymore!«
Im Jahr 2069 trainieren Gestalter neuronale Netzwerk bis sie sich damit selbst verzichtbar machen – Nadja Reifer untersucht in einem Design-Fiction-Szenario, wie KI den Designprozess verändern wird.
Fachhochschule Vorarlberg. In ihrer Masterarbeit »Future Mind Extension« im Studiengang InterMedia erkundet Nadja Reifer, wie KI den Designprozess verändern wird. Dafür fragte sie zunächst 17 Konzepterinnen und Konzepter in Österreich, deren Fokus auf Kommunikationsdesign liegt, sowie acht KI-Experten nach beruflichen Wünschen und Zielen, nach Frustrationen und Motivationen. Um das Thema nicht nur theoretisch in Buchform anzugehen, sondern unmittelbar erlebbar zu machen, entwickelte Reifer ein Design-Fiction-Szenario und produzierte als praktischen Teil der Arbeit den Kurzfilm »The Puppet Master«.
Story des Films: Im Jahr 2069 trainiert die Konzepterin Carolin das neuronale Netzwerk NADI (Neural Artificial Design Intelligence), indem sie zunächst eine KI-Pille schluckt, die sie mit dem System verbindet. Dieses generiert dann verschiedene Entwürfe, die Carolin verändert, um einzigartige Designs zu erhalten. Diese lässt sie NADI auswerten. Kommt wiederholt nichts Originäres heraus, schlägt NADI zur Stimulation der Kreativität eine Routinetätigkeit vor – Caroline erholt sich kurz durch virtuelles Staubsaugen. Ist das Training abgeschlossen und der Kreationsprozess für NADI nachvollziehbar geworden, wird menschliche Gestaltungsarbeit nicht mehr benötigt, so das Fazit des Films.
Für das Ars Electronica Festival 2019 entwickelte Reifer ihren Ansatz weiter und übertrug Teile des filmischen Szenarios in einen VR-Prototyp. »Als Teil der fiktiven Welt im Hintergrund, also der Diegese, treibt mein VR-Spiel ›Routine Jobs‹ die Hauptgeschichte voran«, so die Designerin. Festivalbesucher konnten mit einem Oculus-Quest-Headset in einer virtuellen Galerie mit computergenerierten Designartefakten umherlaufen und dabei kleine Kügelchen vom Boden aufsaugen. Zudem gab es eine Spielanleitung mit ausschneidbarem Kartendeck zum Mitnehmen, mit dessen Hilfe Designer ihren Gestaltungsprozess reflektieren und eigene Zukunftsszenarien entwickeln sollen. Die gesamte Arbeit hat Reifer unter www.noosphäre.at dokumentiert.
Wie verändert der Einsatz von KI den Designprozess? Nadja Reifer setzte ihr Design-Fiction-Szenario als Film und Comic um
Beim Ars Electronica Festival 2019 präsentierte sie neben ihrem Film eine VR-Applikation und ein Spiel mit ausschneidbarem Kartendeck
Nadja Reifer ist diplomierte Grafikdesignerin sowie Marketing- und Kommunikationswissenschaftlerin. In einem zwanzigminütigen Vortrag erläuterte sie 2019 Ziele, Methoden und Hintergründe ihrer Arbeit ausführlich: https://is.gd/NadjaReifer
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Mal abgesehen davon, wie man den formalen Aspekt des Films bewerten will: ich reibe ich mich doch sehr am Inhalt. Ich setze mich seit Jahren mit Creative Automation / Generative Design / kreative Zentaurensysteme intensiv auseinander. Das Thema hat wesentlich mehr zu bieten, als – man verzeihe mir meine direkte Ausdrucksweise – platt-dystopische Warnungen und abgegriffene Stereotype (Puppetmaster, Matrix-Zitat, etc). AI Cocreation hat viele unfassbar spannende Aspekte für Gestalter und Künstler, da sie die Art, wie wir gestalten, auf sehr interessante und bereichernde Weise verändern wird. Es wird kein stumpf gamifiziertes X-Button-Gedrücke, sondern eine völlig neue Form eines kreativen Dialogs. Da geht es um Turbo-Aggregate wie guided recombination, um Serendipität, komplexe Iteration, aesthetic pattern recognition und und und… Die Anfänge finden bereits jetzt schon statt, wir werden in den nächsten fünf Jahren (und nicht 2069) viel dazu sehen. Fazit: inhaltliche Auseinandersetzung sehe ich null. Schade.
ps. wer in den Bereich der Avantgarde-Kunst schaut, findet bereits jetzt dort schon viele spannende Auseinandersetzungen mit der Materie (zB bei Mario Klingemann (>Twitter/Quasimondo), YACHT (> Google I/O-Talk, etc etc)…