Keiner kann alles wissen – also sollte auch keiner alles entscheiden. Immer mehr Agenturen schaffen deshalb die Vorgesetzten ab. Wir zeigen, wie das gelingen kann.
Ein neuer Geist geht um in der Managementwelt oder besser gesagt: mehrere Geister – nämlich selbstorganisierte Teams. In einer Umfrage des Businessnetzwerks XING sind sich 64 Prozent der befragten Personaler sicher, dass es die klassische Top-down-Unternehmensführung in 15 Jahren nicht mehr in dieser Art geben wird. Vorgesetzte verschwinden und an ihre Stelle tretentransparente Regelwerke, nach denen je nach Projekt Rollen und Verantwortung verteilt werden. Die Mitarbeiter entscheiden selbst, wer welche Rolle übernimmt – Kompetenz ist dabei wichtiger als die Position in der Hierarchie.
Ganz freiwillig findet diese Umstellung natürlich nicht statt, vielmehr reagieren die Unternehmen damit auf verschiedene Zwänge. Zum einen werden die Anforderungen der Arbeitsweltdurch die Digitalisierung immer vielfältiger und unübersichtlicher, sodass ein einzelner Chef gar nicht mehr in der Lage ist, fundierte Entscheidungen zu treffen. In Managementkreisen wird hier gern von der VUKA-Welt gesprochen, die geprägt ist von Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität.
Wissen und Fachkompetenz verteilen sich in dieser Welt noch mehr als früher auf mehrere Schultern – dasselbe sollte auch für die Verantwortung gelten.
Zum anderen rückt auf dem Arbeitnehmermarkt eine Generation nach, die weniger Interesse an traditionellen Karrierewegen hat, sondern sich viel mehr über Sinn und Inhalt ihrer Tätigkeit motiviert. Ein Team, in dem alle Mitglieder gleichberechtigt zusammenarbeiten und in dem sich auf der Basis von Kompetenz Entscheidungsstrukturen ergeben, kommt ihr mehr entgegen als starre Strukturen, deren Entstehung niemand mehr so genau nachvollziehen kann.
Flache Hierarchie? Ein einstöckiges Haus
Diese Entwicklungen gehen an der Kreativbranche nicht vorbei. Hierarchien sind hier zwar von jeher flacher als zum Beispiel in der Industrie, aber auch Agenturen müssen Regeln finden, nach denen sie sich organisieren möchten. Gerade Neugründungen, die (noch) entsprechend klein sind, setzen direkt auf Gleichberechtigung. So verzichteten die sechs Gründer von bungalow kreativbüro im Jahr 2016 von Anfang an ganz bewusst auf Hierarchien. »Wir haben aus dem Studium heraus gegründet und im Praktikum Erfahrungen in verschiedenen Agenturen sammeln können. Für uns war klar, dass wir es anders machen wollen. Jeder soll gleichberechtigt sein – keiner ist der Chef oder alle sind der Chef«, erklärt Mitgründer Alexander Elsner. Daher rührt auch der Name des Designstudios: der einstöckige Bungalow als Sinnbild für flache Hierarchien.
Während am Anfang noch alle in alles involviert waren, übernimmt mittlerweile eine Person jeweils die Führung eines Projekts. Diese Rolle wird hauptsächlich nach Fachkompetenz und Kapazität vergeben, denn niemand soll mehr als drei Projekte parallel verantworten. »Wir halten uns gegenseitig auf dem aktuellen Stand, steigen aber nicht mehr in alle Details ein. Dafür ist Vertrauen sehr wichtig«, so Elsner. Im Montagsmeeting tauscht sich das Team wöchentlich aus: »Das ist uns heilig. Da werden keine anderen Termine gemacht und niemand kommt zu spät.« Bei eigenen Projekten, bei denen alle mitreden wollen, geraten die sechs dennoch manchmal aneinander. Für Elsner ist das völlig normal: »Im Design sollte immer eine Diskussion stattfinden, um zur besten Lösung zu gelangen – und zwar unter sämtlichen Beteiligten.« Zur Not wird eben abgestimmt.