Unser Kolumnist Jürgen Siebert denkt über den Erfolgsfaktor Simplicity nach.
Der Film »Rams« von Gary Hustwit ist momentan auf weltweiter Kinotour. Er zeichnet das Porträt des Industriedesigners Dieter Rams, der in den 1960er und 1970er Jahren durchdachte Elektrogeräte für Braun gestaltet hat. Seine zehn Gebote guten Designs sind auch heute noch für professionelle Designer mindestens so verbindlich wie Moses’ Dekalog für gläubige Christen:
Gutes Design ist innovativ. Gutes Design macht Produkte brauchbar. Gutes Design ist ästhetisch. Gutes Design macht Produkte verständlich. Gutes Design ist unaufdringlich. Gutes Design ist ehrlich. Gutes Design ist langlebig. Gutes Design ist konsequent bis ins Detail. Gutes Design ist umweltfreundlich. Gutes Design ist so wenig Design wie möglich.
Rams hat Apple beeinflusst, wie der Chefdesigner Jonathan Ive immer wieder betont. Auch Steve Jobs war Rams-Fan. Der Apple-Gründer brauchte aber nur einen Satz, um zu beschreiben, was sein Unternehmen seit zwanzig Jahren unter gutem Design versteht: »Design ist nicht, wie etwas aussieht oder sich anfühlt. Design ist, wie etwas funktioniert.«
»Einfach ist schwieriger als kompliziert« Steve Jobs
Was zeichnet gutes Design im Jahr 2019 aus? Es gelten weiterhin die Regeln von Dieter Rams und das Zitat von Steve Jobs, aber sie lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Gutes Design ist einfach. Jobs hat das zwar nicht als Gesetz formuliert, aber er hat den Weg dorthin beschrieben: »Einfach ist schwieriger als kompliziert. Du musst hart arbeiten, um dein Denken rein und einfach zu kriegen. Aber es lohnt sich, denn wenn du das erreichst, kannst du Berge versetzen.«
Einfachheit ist heute das fundamentale Designkriterium, weil viele Menschen die Welt als kompliziert wahrnehmen. Dass sich Simplicity im Branding auch wirtschaftlich lohnt, propagiert die New Yorker Markenberatung Siegel+Gale seit fünfzig Jahren. Im Jahr 2009 veröffentlichte sie erstmals ihren jährlichen »Global Brand Simplicity Index«, der Unternehmen identifiziert, die ihren Kunden sogenannte »einfache Markenerlebnisse« bieten und »die Einfachheit zu einem Eckpfeiler ihres Geschäftsmodells« machen. Vor Kurzem ist der neueste Check-up erschienen.
Bereits die erste und einzige Kurve des Reports mit der Headline »Wie zahlt sich Simplicity für Marken aus, die sie leben« sagt eigentlich alles. Seit 2009 nämlich beleuchtet Siegel+Gale die Aktienentwicklung ihrer als Top 10 der World’s Simplest Brands gerankten Unternehmen und vergleicht diese mit der durchschnittlichen Börsenentwicklung. Ergebnis: Sie performen rund siebenmal besser als der Rest der Industrie. Siebenmal! Weitere Zahlen: 55 Prozent der Konsumenten sind bereit, mehr für eine einfache Marke zu bezahlen, 64 Prozent empfehlen Produkte solcher Marken weiter. Rund 100 Milliarden Dollar lassen Unternehmen auf der Straße liegen, weil sie zu komplizierte Produkte anbieten.
Die Top 5 der weltweiten Vorreiter für Simplicity im vergangenen Jahr sind, man höre und staune, Netflix, ALDI, Google, Lidl und Carrefour, gefolgt von McDonald’s, Trivago, Spotify, Uniqlo und Subway. Dies zeigt auch, dass Einfachheit nicht immer mit Qualität gepaart sein muss. Und: Selbst Unternehmen mit Zehntausenden von Produkten können als einfach wahrgenommen werden. Ebenfalls bezeichnend: Apple taucht in keiner der Statistiken mehr auf, was als Warnsignal verstanden werden darf – das Produktportfolio, die Einrichtung der Geräte und die digitalen Dienste von Apple sind nicht mehr einfach.
Als einfache Industrien werden in Deutschland übrigens die Internetsuche, Elektronik, Gastronomie, Einzelhandel und Hotels wahrgenommen. Zu kompliziert betreiben aus der Sicht deutscher Verbraucher Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen und Banken ihr Geschäft. Wen wundert’s?
>einfach sein heisst – klar sein<
zitiert Johannes Itten