Gut gemacht, Google!
Jürgen Siebert über das neue Logo der Weltmarke
Wenn Weltmarken ihr Logo verändern, stößt dies auf weltweites Interesse. So auch im Fall von Google, wahrscheinlich das Unternehmen, dessen Produkte die meisten Menschen erreichen … noch vor Facebook und Apple. Fast jeder auf diesem Planeten sucht, übersetzt, reist, mailt oder informiert sich über Google, ganz zu schweigen von Produkten wie Android, StreetView oder YouTube.
In der Tat interessieren sich die täglichen Google-User am wenigsten für den Relaunch. Sie nehmen ihn allenfalls wahr, bewusst oder unbewusst. Für Menschen allerdings, die beruflich mit Kommunikation oder Design zu tun haben, ist die Überarbeitung eines Logos immer ein Aufreger. Und zwar so: je größer das Unternehmen, umso größer die Aufregung. Wirklich jeder hat etwas dazu zu sagen. Jeder ist natürlich schlauer als die Marke und die Redesigner … so wie sich bei einem Fußballländerspiel mindestens die halbe Nation zum besseren Bundestrainer berufen fühlt.
Insgesamt sechs Mal hat das Unternehmen bisher in seiner 17-jährigen Geschichte das Logo umgebaut. Der jüngste Wechsel ist die gravierendste Änderung seit Mai 1999, als es das Ausrufezeichen hinter dem Namen strich. Das alte Logo basierte auf einer Baskerville Bold, deren Buchstaben bei jedem Redesign mehr und mehr vermurkst wurden: mit Schatten, 3D-Effekten und krummen Tricks. Aus der Sicht eines Schriftentwerfers passte da schon seit Jahren nichts mehr zusammen.
Am 1. September lancierte Google nun das neue Logo, einschließlich einiger daraus hergeleiteter Animationen: der Anfangsbuchstabe G im Farbenrausch oder die vier bunten »Bitte warten«-Punkte, die munter miteinander tanzen. Das sieht alles sehr durchdacht aus und beweist, dass sich die Google-Designer viel Gedanken über den universellen Einsatz auf diversen Plattformen gemacht haben. Niemand außer den direkt beteiligten Parteien kennt das Briefing für die Überarbeitung der visuellen Identität. Und wer es nicht kennt, sollte sich mit Kritik zurückhalten oder zumindest versuchen, vom Ergebnis aus rückwärts zu kombinieren, welche Ziele das Redesign verfolgt.
An vorderster Front der Protestler standen die Typedesigner. Kein Wunder, wenn es um eine reine Wortmarke geht. Sicherlich hat das Logo formale Schwächen, etwa das zu leichte G sowie mangelhafte optische Korrekturen in den Strichstärken. Alle anderen Kritikpunkte sind schrifthistorischer Natur, zum Beispiel dass eine geometrische Sans dem Logo weniger Identität verleihe und die Marke Google somit verwechselbar werde.
Wenn sich eine Marke der Stärke ihres Logos bewusst sein darf, dann ist das Google.
Wer sonst spielt fast täglich mit seinem Firmenzeichen? Übrigens entstand die Idee der Doodles 1998, noch vor der Firmengründung. Bis heute sind fast 3000 Doodles erschienen, alle archiviert unter www.google.com/doodles. Auch in puncto Reduktion hat das Google-Logo im eigenen Designlabor längst extreme Belastungsproben überstanden. Für die MacWorld 2009 entwarf Ji Lee, von 2008 bis 2011 Hausdesigner und Kreativdirektor des Google Creative Lab, das aus Kreisen konstruierte Circle Logo. Es wurde jetzt, im Rahmen der Kritik am neuen Logo, wieder aus der Versenkung gehoben, als Beweis, dass Google sogar komplett auf Buchstaben verzichten könnte.
Ich trauere dem alten Logo keine Sekunde nach. An das neue hatte ich mich schon nach 48 Stunden gewöhnt. Ich bewundere hauptsächlich seine globale Einführung: auf der Suchseite, auf sämtlichen Subseiten, in den Icons von Apps … bis hin zu den Favicons der ungezählten Dienste. Mir gefällt außerdem, dass Google mit der Einführung einer eigenen Hausschrift ganz plötzlich den identitätsstiftenden Wert von Schrift anerkennt. Denn bis dato haben auch Google-Manager gerne öffentlich betont, dass Fonts eigentlich Freeware sein sollten.
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