Wir fragen Geschäftsführer Robert Klanten, wie es mit dem Verlag – eine der international führenden Adressen für Designbücher – weitergeht.
Es war ein Schock für alle Fans schöner Designbücher, als kürzlich bekannt wurde, dass der Gestalten Verlag Insolvenz anmelden musste. Müssen wir bald auf die Publikationen der Berliner verzichten, die seit der Gründung 1995 eins der weltweit bekanntesten Kreativunternehmen hochgezogen haben?
Wie zu hören ist, war es wohl der 2014 auf der Dachterrasse der neuen Charlottenburger Shopping-Mall Bikini Berlin eröffnete Gestalten Pavilion, der zur finanziellen Schieflage führte. Der 350 Quadratmeter große Laden mit Blick auf den Berliner Zoo, in dem nicht bloß Bücher, sondern auch Designobjekte verkauft wurden, hat bereits dichtgemacht. Schon im Frühjahr hatte der Gestalten Space in den Sophienhöfen in Berlin Mitte geschlossen. Wir wollten von Gestalten-Inhaber und Geschäftsführer Robert Klanten die Details wissen.
PAGE: Die schönen Gestalten-Shops gibt es nicht mehr, muss man auch um die Zukunft des Verlags bangen?
Robert Klanten: Da besteht eine minimale Gefahr, aber eigentlich ist niemand daran interessiert, den Verlag zuzumachen. Das Buchgeschäft ist in den letzten fünf Jahren jeweils zwischen 15 und 30 Prozent gewachsen. Dass wir so erfolgreich waren, lag unter anderem daran, dass wir eigene Läden hatten. In Sachen Markenbildung haben wir damit einiges erreicht.
Was genau bedeutet jetzt die Insolvenz?
Wir führen das Verfahren in Eigenverwaltung durch. Man kennt das von Chapter 11 aus den USA: Das Management bleibt am Ruder, aber man bekommt vom Gericht einen Sachwalter an die Seite gestellt, der für die Abstimmung mit den Gläubigern, dem Gericht und Arbeitsamt verantwortlich ist. Und der natürlich dafür sorgt, dass kein Geld zur Seite geschafft wird.
Wie sieht es mit den Mitarbeitern aus?
Wir hatten siebzig Mitarbeiter, die Hälfte davon im Retail. Viele Studenten als Teilzeitkräfte, die sich Geld dazuverdient haben. Diese tollen Mitarbeiter haben wir leider entlassen müssen.
Warum hat der Shop nicht funktioniert? Das 2014 als »Concept-Mall« angetretene Bikini Berlin hat ja fast von Anfang an durch Konzeptlosigkeit und Leerstand von sich reden gemacht.
Die Idee war eigentlich, dort inhabergeführte Läden aus der Kreativszene zusammenzubringen, von gutem Brot bis Mode. Quasi eine Insel Berliner Biotope. Tatsächlich waren Modemacher Andreas Murkudis, die Brillenmanufaktur Mykita oder Vitra vertreten. Aber eben auch Kaiser‘s oder der Eletronikmarkt Cyberport.
Das wirkte schon bei der Eröffnung widersprüchlich. Es gab aber wohl auch zu wenig Werbung?
Genau. Zudem hat man sich zu wenig in der Stadt vernetzt, etwa mit Events wie Design Week oder Fashion Week. Eine Street-Food-Veranstaltung beispielsweise wurde ohne die Leute organisiert, die das wirklich können wie die Spezialisten der Markthalle Neun.
Der 2011 gegründete Gestalten Space in den Sophienhöfen, wo es oft Ausstellungen gab, hat schon im Frühjahr geschlossen. Warum?
Zum einen, weil sich Berlin Mitte stark verändert hat. Seit das Scheunenviertel eine hochpreisige Wohngegend ist, sind viele Galerien und kleine Läden verschwunden. Außerdem mussten Veranstaltungen im Gebäude bis 21 Uhr beendet sein. Wir haben beschlossen, uns auf das Retail-Konzept des Pavilions zu konzentrieren, anstatt zwei Geschichten in einer Stadt zu erzählen – das kapiert niemand.
Würden Sie also grundsätzlich die Idee von Stores zur Markenerweiterung in Frage stellen?
Keineswegs. Ob ich persönlich das nochmal machen würde, weiss ich nicht. Aber das Konzept ist nach wie vor extrem gut und hat uns einen enormen Schub gegeben. Das Problem lag im Umfeld.
Sie wollen sich jetzt wieder auf das Kerngeschäft mit Büchern konzentrieren. Wie gut verkaufen sich Grafikdesignbände noch?
Die Erwartungen und Anforderungen von Grafikern an unsere Bücher sind manchmal größer als die Bereitschaft, dafür dann Geld auszugeben. Andererseits laufen Publikationen wie »Designing News« oder »Photoviz« über Infografik mit Fotos bestens. Gleiches gilt unter anderem für die mit dem Londoner »Monocle«-Magazin entstandenen Bücher, Motorrad- und Auto-Bildbände oder Titel wie »I am Dandy«. Dieses Wachstum werden wir weiter vorantreiben.
Das ist enorm bedauerlich! Ich erinnere, wie engagiert Robert Klanten an den Eröffnungstagen am Eingang stand und die Kunden persönlich analysierte. Ich fand das enorm beeindruckend. Sicher hat das im Verlauf des Engagement von Herrn Klanten nicht ab-, sondern weiter zugenommen. Auch wir haben uns 2015 im BIKINI engagiert und sind kläglich gescheitert – an mangelnder Frequenz ob mangelhaftem Mall-Management, oder an der Initiatoren-Struktur zu Beginn: Murkudis, Obolus an Boros, … wir werden es nie wirklich wissen. Bleibt ein grosses Bedauern. Eine solche Immobilie in einer solchen Lage nicht bespielen zu können ist ein Armutszeugnis für eine Stadt wie Berlin. Das darf man sagen.