Nachdem Spiegel-Online, die FAZ und jüngst Telepolis schon von fingierten Kundenrezensionen bei Amazon berichtet hatten, meldet sich nun erstmals ein betroffener Verlag zu Wort. Auf seiner Website warnt der IT-Fachverlag Galileo Press Käufer
von Computerbüchern davor, allzu unkritisch die Kundenrezensionen bei Amazon zu Rate zu ziehen. Der Verlag behauptet, dass der Produktbereich Computerbuch schon seit Jahren von einer Flut gefälschter Kundenrezensionen überzogen wird. Nach Meinung des Verlages stehe Amazon in der Pflicht, endlich sein Kundendialogsystem wirksam vor Missbrauch zu schützen. Computerbuchkäufer, die sich auch weiterhin bei Amazon informieren wollen, bietet Galileo Press eine Liste von Hinweisen, wie man gefälschte Leserstimmen erkennen kann.
Nach Schätzung von Galileo Press wurden seit 2004 an die 1.000 gefälschte Rezensionen zu Computerbüchern und -Videolernkursen bei Amazon eingestellt. Eine Analyse dieser Pseudo-Rezensionen ließen den Verlag zu dem Schluss kommen, dass es sich um eine regelrechte Desinformations-Kampagne handelt, deren Urheber vermutlich ein einzelnes Autorenpaar ist. Laut Galileo Press hat Amazon diesen Verdacht insofern bestätigt, als die Bücher dieses Autorengespanns mittlerweile aus dem Amazon-Sortiment gestrichen wurden.
Gleichwohl scheint die Kampagne weiterzugehen. Doch während früher, so der Verlag, durch Negativ-Rezensionen einzelne Bücher schlechtgemacht wurden, tauchen in letzter Zeit massiv Pseudolob-Rezensionen auf. Auf Verlegerseite vermutet man, dass durch diese offensichtlich gefälschten Lobrezensionen echte Leserstimmen gezielt unglaubwürdig gemacht werden sollen – wenn nicht gar das ganze Amazon-Rezensionssystem. Außerdem bringen sie die IT-Verlage und deren Autoren in den Verdacht, als vermeintliche Nutznießer des Leserlobs deren Urheber zu sein.
Diese aktuelle Entwicklung veranlasst Galileo Press nun, an die Öffentlichkeit zu gehen. Mit seiner Warnung vor Pseudo-Kundenfeedback bei Amazon will der Verlag nicht nur von sich selbst und seinen Autoren weiteren Schaden abwenden. “Uns geht es auch um den Ruf der IT-Verlagsbranche und darum, das Amazon-Rezensionssystem vor seiner Zerstörung durch Missbrauch zu bewahren”, so Galileo-Verlagsleiter Tomas Wehren. Die IT-Verlage stünden schon lange miteinander in Kontakt, um Amazon zu geeigneten Gegenmaßnahmen zu bewegen. Fast täglich kommunizierten die Verlage mit dem Amazon Customer Service, um offensichtlich gefälschte Rezensionen zu reklamieren und um deren Löschung zu bitten. Nicht nur die negativen, auch die Lobrezensionen zu eigenen Produkten. Amazon habe mittlerweile auch Art und Ausmaß des Problems erkannt und bemühe sich redlich, das Rezensionssystem wieder zu säubern.
Der Kern des Problems, so Wehren, sei aber die leichte Missbräuchlichkeit des Leserstimmen-Tools. “Jeder Berufene und Unberufene kann mehr oder weniger ungehindert bei Amazon veröffentlichen, was er will, ohne sich irgendwie ausweisen oder verantworten zu müssen. Das erleichtert natürlich das Entstehen von attraktivem kostenlosem Content. Es erleichtert aber auch den Missbrauch.” Es bedarf einer grundsätzlichen Lösung, so weiß sich Wehren mit seinen Verlegerkollegen einig, und diese Lösung könnte so aussehen, dass ein Veröffentlichungsrecht nur solche Kunden erhalten, die bei Amazon ein gültiges Kundenkonto haben.