So seltsam wie faszinierend: im interaktiven Magazin »Gay Bossy Gott« treffen Collage, Chaos und Zufall auf Abfall, Buchstaben und Blätterverhalten.
Für die Werkschau an der HAWK entstand eine interaktive Installation, bei der Besucher:innen zufällig eine Seite aufschlagen, auf die jeweils ein von Zufallsmethoden inspiriertes Bild projiziert wird. Bild: HAWK
»Gay Bossy Gott« – wie kommt man denn auf so einen durchgeknallten Magazin-Titel? Natürlich mit Russischbrot und dem Zufallsprinzip. In einem 12-wöchigen Modul zum Thema Experimentelle Gestaltung erforschten Studierende der HAWK gemeinsam mit ihrer Professorin Sabine Cole, wie Zufall und Chaos sich in ausdrucksstarke Formen verwandeln lassen.
Aber nicht nur das Mixed-Media-Endprodukt fasziniert, sondern das gesamte Lehr-Modul sprüht nur so vor ungehemmter Freiheit, Farbe und zufallsbedingter Extravaganz.
Mit Nichts losgehen, mit Etwas (ekligem) zurückkommen
Zunächst ging es um das Ausprobieren verschiedener Zufallstechniken wie Suchen, Entdecken, Sammeln, Ausschneiden, Reißen, Kratzen, Einlegen, Zusammenlegen, Kleben, Scannen, Ausdrucken …
Diverse Collagen aus Fundstücken. Mal nach Farben, mal nach Material oder Thema angeordnet. Bild: HAWK
Dazu sollten die Studierenden gemeinsam auf die Suche nach Abfall und Kuriositäten im Stadtraum gehen. Die Aufgabe lautete: »Haltet Eure Augen nach Müll, verbrauchten Gegenständen, anderem Kram und Fundstücken, offen. Sucht Euch eine schöne Route aus und macht Fotos und Videos von Eurer Entdeckung und von Euch beim Sammeln. Sammelt, was das Zeug hält und habt Spaß!«, erklärt Sabine Cole.
»Sammelt, was das Zeug hält und habt Spaß!«
Anschließend setzten die Studierenden Collagen aus den gesammelten Abfällen zusammen, bunt oder einfarbig, thematisch, dynamisch angeordnet oder je nach Material.
Texteperimente und Spiele im 3D-Raum
In den folgen Wochen führten die Studierenden ihre Experimente weiter aus und wandelten die Fundstücke in typografische Variationen unter dem Motto »Grafikertypo« um, formten Buchstabenschlangen oder ließen KI darüber laufen, um sie einzufärben oder umzutexten.
Fundstücke in zufällige, zunächst handgeletterte Wortreihen verwandelt. Bild: HAWK
Im nächsten Schritt wurde die Typo Bilder zerschnitten und in Schuhschachteln als Ausstellung arrangiert. »Da sind wir dann mit einem 3D-Scanprogramm reingegangen und haben 3D-Experimente im Raum und mit VR gemacht«, erklärt Sabine Cole.
Studierende digitalisierten Typo, um sie in 3D-Räumen neu zu inszenieren. Bild: HAWK
»Gay Bossy Gott« aus Buchstabensuppe
Nach zwei Monaten waren alle Beteiligten komplett frei im Kopf und konnten mit einem Random Content Projekt beginnen. Das Ergebnis ist »Gay Bossy Gott«. Für den Titel ließen die Studierenden der HAWK ihren Assoziationen mit Russischbrot freien Lauf und probierten verschiedenen Wortkombinationen, bis ihnen der geniale Titel »Gay Bossy Gott« sozusagen vor die Füße fiel.
Egal ob Buchstabensalat oder -suppe – Hauptsache ist die spielerische Darreichungsform für freies Assoziieren. Bild: HAWK
Daraus entstand im letzten Schritt aus zufällige gespendetem Papier ein großformatiges Magazin, für das sich die Studierenden verschiedenste zufallsbedingte Visualisierungsformen überlegten: vom Kaffeesatzlesen bis zum Auswürfeln von Farben. Alles Zufällige sammelten sie zunächst bei einem Brainstorming und setzten es anschließend in Visualisierungen um.
Konzeption ist kein Zufall, im Gegenteil: alle Visuals in Gay Bossy Gott verfolgen einen starken konzeptionellen Ansatz. Im Brainstorming versammelten sich die besten Ideen auf Post-its an einer Tafel. Bild: HAWK
Installation mit zufälligen Projektionen
Diese wurden sowohl im Magazin in Schwarz-Weiß gedruckt als auch digital in Farbe erstellt und während der Semesterausstellung mit einem Beamer auf das Papier projiziert. Natürlich zufällig, je nachdem welche Seite Betrachter:innen gerade aufgeschlagen haben. Viel verstehen muss man nicht. Außer eben, dass es manchmal keine kausalen Zusammenhänge gibt, keine Kontrolle, keine Erklärung, auch wenn wir noch so eifrig danach suchen.
Zufälliges Papier, zufälliges Format, schwarze Druckfarbe halb leer oder vertrocknet, wer kennt das nicht. Das Beste daraus gemacht haben HAWK Studierende mit ihrem Magazin Gay Bossy Gott. Bild: HAWK
All diese kuriosen und faszinierenden Kreationen kann man sich auf der Website von Gay Bossy Gott anschauen, beim Scrollen in zwei Spalten staunen und sich inspirieren lassen. Vielleicht durch Screenshots zum Ausdrucken, Zerreißen und wieder Zusammensetzen? Den Zufall entscheiden zu lassen, kann uns jedenfalls von alten Mustern und geübten Verhaltensweisen befreien und ganz neue Perspektiven in der Gestaltung eröffnen.
Projektion für die Installation von Gay Bossy Gott. Bild: Josefine NassProjektion für die Installation von Gay Bossy Gott. Bild: Josefine NassProjektion für die Installation von Gay Bossy Gott. Bild: Josefine Nass
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