Jochen Rädeker stellt Nutzungsrechte oder Stundensätze in Frage. Wie also sollte man ein Design abrechnen, das wohlmöglich auch noch in Co-Creation mit dem Kunden entstanden ist? Victoria Ringleb von der Allianz Deutscher Designer findet: Wie ein Auftraggeber ein entstehendes Design anwenden möchte, ist hier von entscheidender Bedeutung.
Wie wird sich der Designberuf in den 2020ern entwickeln? Jochen Rädeker hat acht Thesen zur Zukunft des Designs formuliert und stellt seine Gedanken zur Diskussion. In unserer Serie »Future of Design«, die zuerst in der PAGE 03.2020 erschienen ist, haben wir namhafte Experten wie Stefan Sagmeister, Mara Recklies oder Victoria Ringleb eingeladen, auf die bewusst zugespitzten Thesen von Jochen Rädeker zu antworten. Eine Übersicht über die bisherigen Thesen und Konter finden Sie in unserem Artikel »The Future of Design: Thesen von Jochen Rädeker«.
Aber auch Sie sind gefragt – diskutieren Sie mit und sagen Sie uns Ihre Meinung – ganz unkompliziert über die Kommentarfunktion am Ende des Artikels. Wir freuen uns auf eine lebhafte Debatte!
THESE 7 von Jochen Rädeker: Teilen statt nutzen
Die Digitalisierung bringt neue Medien, Produkte und Arbeitsweisen hervor – und erfordert andere Monetarisierungsmodelle. Für immer mehr Projekte werden agile Arbeitsmethoden wie Scrum Sprints oder Lean Startup sinnvoll. Design ist ein fortlaufender Prozess, aber »always beta« kann man weder final dokumentieren noch endabrechnen.
Entsprechend ist die klassische Präsentation nach wochenlanger, unabgestimmter Arbeit mit viel Brimborium und überwältigten (in der Praxis dann aber oft missverstandenen) Kunden genauso tot wie die Abrechnung von Nutzungsrechten. Wem gehört eine Designleistung, die in Co-Creation mit dem Kunden entstanden ist? Wer bezahlt Nutzungsrechte für einen Slogan, den der Kunde im Agenturworkshop selbst entwickelt hat? Und welcher Einkäufer kann seinen Chefs bei fixen Etats heute noch erklären, dass vielleicht in zwei Jahren noch einmal eine Rechnung kommt, falls alles gut läuft? Faktoren wie Reichweite oder Nutzungsdauer sind obsolet: Steht das Logo oder Bild erst mal im Web, ist es zeitlich wie räumlich unbegrenzt verfügbar.
Im neuen Zeitalter ist die Fähigkeit zur Kollaboration und Co-Creation der Skill der Zukunft. Agenturen und firmeneigene Kreativinkubatoren werden sich zu Competence Hubs wandeln, weil die Anforderungen an sie entsprechend komplexer werden. Sie werden deutlich mehr externe Spezialisten nutzen und Teams wieder mehr vor Ort statt in Remote Work vereinen. Und sie werden ihr Geld nicht mehr mit Nutzungsrechten oder Stundensätzen, sondern viel eher mit Geschäftsanteilen verdienen. Wertschätzung entsteht in den 2020ern durch das Teilen von Wissen, nicht durch die zunehmend automatisierte Fertigstellung von Produkten. Und Wertschöpfung genauso.
KONTER: Wir müssen über die Nutzung von Design sprechen
»Die Digitalisierung bringt neue Medien, Produkte und Arbeitsweisen hervor – und erfordert andere Monetarisierungsmodelle.« Und sie erhöht die Darstellungsmöglichkeiten von Design dramatisch und um ein Vielfaches. Richtig: kein einsamer Autorendesigner mehr, kein Design mehr für die Ewigkeit – wollen wir von den wenigen Ausnahmen absehen, etwa im Printverlagsbereich. Hier funktioniert das System der Nutzungsrechte noch ganz gut, Ähnliches gilt in vielen Fällen (noch) für Illustratoren.
Abgesehen davon sollten wir jedoch tatsächlich auf die Nutzungsrechte verzichten, sowohl faktisch als auch und vor allem in unserer Co-Creation mit dem Auftraggeber. Das erleichtert erfahrungsgemäß auch die Kommunikation und das Beziehungsmanagement mit dem Kunden. Worüber wir mit diesem jedoch auf jeden Fall reden sollten, das ist die Nutzung. Denn wie ein Auftraggeber ein entstehendes Design anwenden möchte, ist hier von entscheidender Bedeutung. Und dies unabhängig davon, ob ein Design co-kreativ entsteht oder ob wir nicht mehr eindeutig bestimmen können, wer im Kreativ-Inkubator nun eigentlich den wesentlichen Impuls für den Slogan gegeben hat. Denn Inhalt, Personaleinsatz und Komplexität leiten sich auch heute von den Zielen ab, die der Kunde unter anderem mit Design erreichen möchte – und diese bestimmen wiederum die Nutzung.
Ja, die Monetarisierungsmodelle werden sich ändern, müssen sich ändern. Von Stundensätzen in der Preisgestaltung raten auch wir als Allianz Deutscher Designer ab (anders als in der eigenen, haushalterischen Kalkulation), genauso wie von der reflexhaften Einräumung von Nutzungsrechten. Und dem armen Einkäufer mit der möglichen Rechnung nach zwei Jahren kann geholfen werden: Es geht ja nicht darum, nach zwei Jahren eine Rechnung für die Weiternutzung der identischen Leistung unkommentiert zuzustellen. Vielmehr können wir getrost davon ausgehen, dass wir es entweder ohnehin mit einem kontinuierlichen Prozess zu tun haben – oder es neuen Handlungsbedarf geben wird.
Also, die Nutzung muss nach wie vor ein Thema sein. Nicht zuletzt ist sie für unsere Auftraggeber eine Möglichkeit, den Preis zu regulieren. Und das freut auch den Einkäufer.
Victoria Ringleb ist Geschäftsführerin der Allianz Deutscher Designer (AGD)
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Interresante Thesen. Mein Problem ist eher, dass ich kein definierter Designer, sonder einfacher Angestellter meines Unternehmens bin, mein Unternehmen mein Design (z.B. Slogan) nutzt, mir aber dafür nichts bezahlt.
Wie bekomme ich also als Nicht-Designer Design vom Unternehmen vergütet?
Interresante Thesen. Mein Problem ist eher, dass ich kein definierter Designer, sonder einfacher Angestellter meines Unternehmens bin, mein Unternehmen mein Design (z.B. Slogan) nutzt, mir aber dafür nichts bezahlt.
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