Viele Kreative übernehmen irgendwann eine Führungsposition. Aber es gibt auch andere Optionen. Wir beleuchten individuelle Werdegänge und geben Tipps, wie man seinen eigenen Weg findet
Wer gute Arbeit leistet, steigt auf. So lautet meist die Regel in Kreativagenturen. Aber je höher man aufsteigt, desto mehr kommen Aufgaben dazu, auf die viele Designer:innen keine Lust haben – organisieren, Teams zusammenstellen, Kundenmeetings leiten und so weiter. Viele Gestalter:innen rutschen in eine Laufbahn, die sie sich nicht ausgesucht haben – und für die sie vielleicht gar nicht geeignet sind. Glücklicherweise gibt es in der Kreativbranche aber auch alternative Modelle – sei es die Selbstständigkeit, die Arbeit in Kollektiven oder auch reine Fachkarrieren, wie sie immer mehr Agenturen anbieten.
Excellence oder Executive Track?
»Lange hieß es in Agenturen: Entweder du übernimmst Führungsaufgaben oder du steigst nicht auf. Heutzutage gibt es aber zunehmend Alternativen«, erklärt Luisa Gier, Senior Talent Manager bei der Designagentur Strichpunkt. »Wir versuchen, auf die individuellen Wünsche einzugehen. Bei Strichpunkt gibt es auch Creative Directors, die keine Personalverantwortung tragen und weiterhin rein kreativ tätig sind.« Ohnehin sei es eine Frage, wie man Führungspositionen definiere: »Unsere CDs arbeiten immer auch aktiv in den Projekten mit. Es ist wichtig, dass sie ihr Fachwissen mit den Teams teilen.«
Bevor man bei Strichpunkt eine Führungsrolle übernimmt, kann man im Kleinen ausprobieren, ob es passt, etwa indem man die Leitung bei einem Projekt oder die Verantwortung für Praktikant:innen oder dual Studierende übernimmt. »Grundsätzlich sollte der Weg in beide Richtungen offen sein. Wenn jemand merkt, dass ihr oder ihm die Führungsrolle nicht liegt, können wir jederzeit darüber sprechen und eine andere Lösung finden«, erläutert Luisa Gier. »Gleichzeitig sollte man die Führungsposition nicht kategorisch ausschließen, nur weil man in dem einen oder anderen Bereich noch etwas lernen muss.«
Auch bei Zeichen & Wunder in München können Designer:innen zwischen beiden Wegen wählen: »Wir achten auf flache Strukturen und individuelle Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Es gibt bei uns auch Fachkarrieren ohne Managementaufgaben. Solche Experten sind sehr wichtig für den Wissenstransfer innerhalb von Agenturen«, erklärt Nicole Hector, selbst Director Brand Strategy bei der Agentur.
Besonders in großen Netzwerkagenturen ist die Titelhierarchie oft festgefahren – aber selbst hier tut sich was. So hat Scholz & Friends sich in einem Aktionsplan vom Herbst 2020 verpflichtet, ein neues Führungskräfteprinzip zu etablieren, das einen Excellence- und einen Executive Track vorsieht. Geplant ist, die Laufbahn oberhalb des Senior-Titels aufzusplitten. Momentan laufen in der Agentur Entwicklungsgespräche mit Mitarbeiter:innen und ein Re-Assessment von Führungskräften. Das Ganze soll ein dynamisches Konzept mit möglichst individuellen Lösungen werden. Da es sich bei Scholz & Friends um ein recht großes Agenturkonstrukt handelt, wird der Change-Prozess eine Weile dauern.
Hybride Rollen in kleinen Strukturen
Ganz anders sieht es bei kleinen Designstudios aus. Dort sind die Hierarchien zumeist ohnehin sehr flach, es gibt keine Managementebene, sondern alle gestalten mit – inklusive Chef:innen. »Kreativteams können sehr gut autark arbeiten, da muss nicht immer eine Führungsperson dabeisitzen«, erklärt Philipp Sille, einer der beiden Gründer von thekitchen in Stuttgart. »Was es allerdings braucht, sind ein Vertrauensverhältnis und klare Kommunikation. Und wenn etwas nicht funktioniert, muss man Position beziehen und Konsequenzen ziehen.«
Je mehr Erfahrung man hat, desto besser kann man auch mit schwierigen Situationen und Personen umgehen. »Es gibt sicherlich Leute, die charakterlich von vornherein gut für Führungspositionen geeignet sind, vielleicht weil sie präsenter oder bestimmter sind. Aber man kann es auch mit der Zeit lernen – wenn man entsprechend gefördert wird«, meint Lisa Jasch, Designerin bei thekitchen. Dass Kreative grundsätzlich auch Managementpositionen übernehmen sollten – davon ist Alex Schmidtke, Partnerin und Creative Consultant bei Dorten in Berlin, überzeugt: »Sie können den Arbeitsaufwand aus eigener Erfahrung einschätzen und die Ergebnisse fachlich beurteilen. Sie verstehen die Mitarbeiter:innen, erkennen Stärken und Schwächen und können entsprechend fördern. Wenn jemand nur Manager ist, kann eine Kluft zum Team entstehen.«
So geht's weiter
Weniger gestalten, mehr Verantwortung
Hör auf dich selbst
Fachkarriere als Alternative
»Für mich war klar, dass eine Fachkarriere besser zu meinen Vorstellungen passt«
»Es war zwar nie mein Ziel, Creative Director zu werden – aber ich glaube, das Aufgabengebiet passt ganz gut zu mir«
»Führung und Familie schließen sich nicht aus«
»Ich bin sehr zielstrebig und wollte immer den nächsten Schritt machen«
»Ich wünsche allen Designer:innen, dass sie ihren Weg finden«