Andreas Uebele, Anna Sukhova und Ludovic Varone: Für ihre Masterarbeit hat die Kommunikationsdesignerin Kai ter Horst mit 15 Kreativen »Gespräche über Grafikdesign und Arbeitsweisen« geführt – und in der Gestaltung ihres Buches mitreißend visualisiert.
Es ist für alle, die kreativ arbeiten, eine wichtige Frage: Inwieweit lasse ich in meiner Arbeit meinen eigenen Ideen freien Lauf, lasse sie fließen und verwirkliche sie? Oder wie gehe ich damit um, dass sie kontrolliert werden? Von Auftraggebenden, von Umständen, Formaten, Budgets? Wie passe ich sie an? Welche Kompromisse gehe ich ein? Und welche nicht?
Mit diesem Spagat – und vielleicht auch Inspirationstrigger – hat sich die Kommunikationsdesignerin Kai ter Horst in ihrer Masterarbeit an der weißensee kunsthochschule berlin beschäftigt.
»Frei und Kontrolliert. Gespräche über Grafikdesign und Arbeitsweise« heißt die 272 Seiten starke Publikation, die daraus entstanden ist. Und so spannend wie die Einblicke der Designenden in ihre Arbeitsprozesse und ihren Arbeitsalltag, ist auch das Editorial Design, das die Essenz des Gesagten in Typografie und Illustration umsetzt.
Das zeigt sich schon im Titel selbst, in dem sich das Wort »Kontrolliert« die Extravaganz leistet, mit einem versalen K geschrieben zu sein.
Und schon dieses gestalterische Detail kann man als Hinweis darauf lesen, von welchen Konflikten die Arbeit von Designenden wie Andreas Uebele, Ludovic Varone vom Studio Norm, Raban Ruddigkeit, Anouk Rehorek oder Simone Van Eldik vom Studio SÜD geprägt ist und welche Freiräume sie sich schaffen.
Die Antworten der Kreativen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hat Kai ter Horst zu einem fiktiven Dialog zusammengefügt, der auf einzelne Namen verzichtet (die jedoch am Ende des Buches einzusehen sind) – und der Raum lässt, seine eigenen Gedanken und Erfahrungen einzuweben.
Man erfährt, wie jemand bedauert, dass er im Büroalltag gar nicht mehr selber Schriften aussuchen kann und es den Mitarbeitenden überlässt, von Schrift als Verstehen und dem Nutzen der Typografie, von Zufällen bei der Farbwahl und wie wichtig barrierefreies Visuelles ist.
Es geht um die Schönheit des Schwarzweiß, um Intuition und warum Konzepte überflüssig sind oder gerade die Grundlage von allem. Darüber, sich alles vorzustellen und nicht mehr auszuprobieren, über digitale Experimente und analoge Skizzen, sich selber treu zu sein, sich nicht zu wiederholen, darum, die Spannung zu bewahren, über experimentelle Briefings und sehr exakte, eigene Spielräume, um gestalterische Kompromisse – und um sehr vieles mehr.
Aufgeteilt in zwei Schwerpunkte, wird der erste Teil des Buches mit dem fiktiven Dialog und der Vielstimmigkeit der Antworten durch die Schrift GT Planar von Grilli Type visualisiert, die neben Regular und Italic auch einen Retalic-Schnitt bietet.
In den einzelnen Kapitelaufmachern und der Paginierung werden diese Schriftschnitte in ihren verschiedenen Winkeln immer abwechselnd gesetzt, erklärt Kai ter Horst. Dadurch wird die Ambivalenz, die das Konzept ihrer Gestaltung ist, unterstrichen.
Der Fließtext hingegen ist in Regular gesetzt und die einzelnen Aussagen der Designenden werden auf den gegenüberliegenden Seiten versetzt gezeigt, um die Dynamik eines Gesprächs abzubilden.
Auch die Farbgestaltung folgt der Ambivalenz und kombiniert den Kontrast von Schwarz-Weiß mit Gelb und Grün für Zwischentöne und Harmonie.
Der andere Schwerpunkt sind die Illustrationen, die zwischen die einzelnen Kapitel gesetzt sind und in ihrer Gesamtheit wie eine Filmsequenz funktionieren – und davon erzählen, wie »Kontrolle« mit seinen rationalen und geometrische Formen und »Freiheit« mit ihren individuellen miteinander agieren, ringen, aber einander auch bedingen und im Zusammenspiel funktionieren.
Auf der Leipziger Buchmesse hat Kai ter Horsts »Frei und Kontrolliert« bereits das Interesse mehrerer Verlage geweckt. Und wir finden es zu schade, dass PAGE selbst keine Bücher verlegt.
Jetzt werden wir im Plural also zu “Designenden”. Wie kann man Sprache nur so verhunzen – ich bin weiblich, ich bin Designerin und ich fühle mich beim generischen Maskulinum “Designer” nicht ausgeschlossen. Diese Symbolhandlungen entsprechen vielleicht dem Zeitgeist, ändern aber nichts …
Jürgen Kauder schreibt
Bisher war ein Designer ein Designer, unabhängig seines Geschlechts. »Designende« gab es bisher nicht. Ich halte das für Unterwerfung.
Jetzt werden wir im Plural also zu “Designenden”. Wie kann man Sprache nur so verhunzen – ich bin weiblich, ich bin Designerin und ich fühle mich beim generischen Maskulinum “Designer” nicht ausgeschlossen. Diese Symbolhandlungen entsprechen vielleicht dem Zeitgeist, ändern aber nichts …
Bisher war ein Designer ein Designer, unabhängig seines Geschlechts. »Designende« gab es bisher nicht. Ich halte das für Unterwerfung.