Anfang April wurde bekannt, dass Johannes Erler Factor Design verlässt. PAGE sprach mit den verbliebenen Partnern Uwe Melichar und Olaf Stein über Zukunft und Vergangenheit der renommierten Agentur.
Anfang April wurde bekannt, dass Johannes Erler Factor Design verlässt. PAGE sprach mit den verbliebenen Partnern Uwe Melichar und Olaf Stein über Zukunft und Vergangenheit der renommierten Agentur.
PAGE: Anfang des Monats wurde bekannt, dass Ihr Gründungspartner Johannes Erler Factor Design verlässt. Was bedeutet das für die Agentur?
Uwe Melichar: Es gab intern natürlich große Verwunderung über Johannes’ Weggang zum Jahreswechsel. Wir arbeiten mit der bestehenden Gruppe weiter und bleiben zu zweit in der Geschäftsleitung. Dadurch sind die Entscheidungswege kürzer und wir wendiger geworden. Das merkt man schon nach der kurzen Zeit.
Olaf Stein: Das war ja ein längerer Prozess. Erst mal mussten wir das für uns klären und dann intern kommunizieren. Natürlich waren manche Kollegen zuerst irritiert und nervös. Wir mussten ihnen zeigen, wo wir hin wollen und die strategische Neuausrichtung erklären.
Melichar: Wir haben einen Strategie-Tag veranstaltet, an dem wir die ganze Belegschaft in eine Lodge in die Heide eingeladen haben. Da haben wir präsentiert, welches unsere Ziele sind und was jeder Einzelne dafür tun kann. Wir haben hier ein sehr familiäres Miteinander, das ist uns sehr wichtig.
Was kam dabei heraus? Welche Veränderungen gibt es?
Stein: Es wird strukturelle Veränderungen geben. Zum Beispiel: Daniel Sorge ist unser neuer Head of Design und trägt in dieser Position zukünftig mehr Verantwortung. Er hat die kreative Leitung für alle Projekte der Agentur inne. Wir beide ziehen uns ein Stück weit aus dem operativen Geschäft zurück, um uns mehr um die Außendarstellung zu kümmern, zum Beispiel um Neugeschäft.
Melichar: Natürlich werden wir uns auch weiterhin persönlich um unsere Auftraggeber kümmern, der direkte Draht bleibt bestehen. Schließlich sind wir eine inhabergeführte Agentur. Aber wir brauchen mehr Raum für die Unternehmensentwicklung. Deshalb verlagern wir einige Aufgaben innerhalb der Agentur auf andere Schultern.
War das schon länger geplant oder haben die Veränderungen mit Johannes Erlers Ausstieg zu tun?
Melichar: Das ist die Fortsetzung eines Prozesses, den wir schon vor einiger Zeit angestoßen haben und den wir erst jetzt konsequent umsetzen können. Wir waren jetzt lange genug mit uns selbst beschäftigt.
Zur rechten Zeit: Immerhin wird Factor Design im Mai »volljährig«.
Melichar: Ganz genau! Es ist Frühling, eine Zeit des Aufbruchs und unser 18. Geburtstag. Wir haben uns da auch schon eine schöne Aktion für unsere Mitarbeiter überlegt. Mehr können wir jetzt aber noch nicht verraten.
Die meisten Designstudenten bekommen leuchtende Augen, wenn man Factor Design erwähnt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Stein: Das ist für uns schwer zu beantworten. Ich glaube, ein wenig davon ist in der Vergangenheit begründet, wo wir mehr Ergebnisse produziert haben, die gedruckt wurden. Aber bis heute wohnt vielen unseren Arbeiten etwas inne, was einen irgendwie berührt – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Melichar: Ich denke, es hat auch damit zu tun, dass wir nicht nur genau das tun, was unsere Auftraggeber wollen. Wir versuchen immer, einen Schritt weiter zu gehen und unsere Haltung nach außen zu tragen. Und das sieht man den Ergebnissen an. Wir kämpfen für Qualität und setzen uns dafür ein, »besondere« Dinge zu schaffen, die vielleicht anders sind als das, was der Kunde erwartet. Das hat eine Wirkung nach außen. Und es ist etwas, was Designstudenten auch gerne mal machen wollen. Und das setzen wir auch über die Printprodukte hinaus um. Denn die Zeiten ändern sich: Print tritt stärker in den Hintergrund, online wird wichtiger. Wir haben gerade die erste App für einen Auftraggeber fertig gestellt.
Stellen Sie zusätzliche Webdesigner ein?
Melichar: Wir haben jetzt schon Mitarbeiter, die das können. Zusätzlich suchen wir momentan einen Digital Native für die Position des Design Directors Online. Wir machen bereits viele Digital-Projekte im Kontext von Corporate Design und wollen uns da noch verstärken. In Zukunft wird der Markt hier noch weiter wachsen und darauf wollen wir reagieren.
Stein: Rückblickend muss ich allerdings sagen, dass es die richtige Entscheidung war, zu Zeiten der New Economy nicht nur auf den Online-Zug aufzuspringen. Viele unserer Auftraggeber sind noch gar nicht so weit. Die Entwicklung hin zum Digitalen findet selbstverständlich statt – aber deutlich langsamer, als man es in unserer Branche denken mag. Gleichzeitig sind einige Projekte, die wir vor ein paar Jahren gemacht haben, heute einfach nicht mehr existent. Der Druckbereich geht zurück.
Melichar: Kommunikation wird schneller – da kann Print nicht mithalten. Unternehmensbroschüren sind möglicherweise schon nicht mehr aktuell, wenn sie aus der Druckmaschine kommen. Die Kommunikation muss entsprechend in die neuen Kanäle umgeleitet werden. Aber unser Herz schlägt natürlich immer noch sehr für haptische Dinge.
Gibt es nicht auch eine Rückkehr zum Haptischen, zum Beispiel zur Kommunikation im Raum?
Melichar: Ja, ich denke schon. Solche Projekte werden jetzt stärker wahr genommen. In diesen Bereichen wird wieder viel mehr auf Qualität gesetzt – was uns in die Hände spielt. Es werden zum Beispiel wieder verstärkt alte Drucktechniken eingesetzt.
Stein: Das Revival ist ja schon da. Es ist ein schöner Kontrapunkt zu den digitalen Medien. Diese Gegenbewegungen wird es immer geben. Das wenige, das noch gedruckt wird, wird dafür höherwertig sein. Dieser Entwicklung kann sich niemand verschließen.
Arbeiten Sie mit anderen Agenturen, beispielsweise Webagenturen, zusammen? Bei vielen Projekten ist es ja mittlerweile so, dass einer allein nicht mehr alles umsetzen kann.
Stein: Das wird perspektivisch so sein. Wir haben das bisher erst einmal gemacht. Da kam das Konzept für das Frontend von uns, das Backend erstellte ein Dienstleister aus Düsseldorf. Das hat sehr gut funktioniert. Man kann einfach nicht alles abdecken.
Melichar: Wir haben Programmierer, die Datenbank basierte Websites entwickeln können. Komplexe Shop-Lösungen können wir hier aber nicht anbieten. Wenn ein Auftrag Dimensionen annimmt, die wir allein nicht mehr bewältigen können, suchen wir uns natürlich einen Partner mit Spezialkompetenzen.
Es gibt also den Trend zum Digitalen und den entsprechenden Gegentrend. Was sehen Sie noch in der Zukunft?
Melichar: Ich glaube es wird weniger um die Kanäle gehen, dafür wird der Anfang des Kommunikationsprozesses wichtiger. Man muss die richtige Strategie entwickeln und so klar wie möglich kommunizieren. Da kann Design viel leisten. Informationsdesign ist beispielsweise ein ganz wichtiges Thema, das sich noch weiter in andere Bereiche ausbreiten wird. Dort können wir wesentlich mehr leisten, als manche unserer Kunden vielleicht glauben.
Stein: Letztlich geht es um Differenzierbarkeit. In vielen Konzernen sitzt niemand mehr, der eine bestimmte Vision verfolgt. Viele Kommunikationsmaßnahmen sind zeitlich begrenzt, manche dauern nur so lange, wie eine bestimmte Person im Unternehmen beschäftigt ist. Die Frage ist: Wie schaffe ich es perspektivisch, mein Unternehmen so zu positionieren, dass ich aus dieser Masse heraus steche?
Melichar: Dazu gehört Mut! Wir schaffen durchaus mutige Lösungen. Vielleicht gehört das auch dazu, warum wir einen guten Ruf haben.
Stein: Das erfordert aber ein Pendant auf der Unternehmensseite, der Auftraggeber muss es auch wollen. Es ist leider nicht so einfach, die entsprechenden Leute zu finden. Je komplexer ein Unternehmen ist, desto mehr werden kurzfristige Themen präferiert. Selbst wenn eine tolle Idee im kleinen Kreis beschlossen wurde, wird sie anschließend auf verschiedenen Ebenen wieder in Frage gestellt. So mutig wollen viele dann eben doch nicht sein.