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Experience Design in der Praxis

Unternehmen verschiedenster Branchen profitieren bereits von der designbasierten Arbeitsweise von IBM iX, mit der sich digitale Transformationsprozesse gestalten und skalieren lassen – darunter der Energieversorger Fortum, deutsche Krankenkassen sowie Automobilkonzerne.

Experience Design IBM iX
Teamwork Das eine Berufsbild »Experience Designer:in« gibt es nicht – vielmehr ergänzen sich Kompetenzen aus den Bereichen Gestaltung, Business Design, Research und Technologie Bild: Nikolaus Brade
Bild: Nikolaus Brade

Das Ziel des Projekt-Kick-offs für Fortum war hoch gesteckt: In wenigen Wochen wollten IBM iX und das finnische Energie­unternehmen mit Hauptsitz in Helsinki »Lösungen finden, die die Welt verbessern«. Arun Aggarwal, Senior Vice Pre­si­dent von Fortum, hatte bereits bei einem früheren Arbeitgeber gute Erfahrungen mit der IBM-Garage-Methode gemacht und setz­te daher auch bei diesem Projekt auf agiles Arbeiten und ein Framework, das es laut IBM möglich macht, Menschen, Prozesse und Tech­nologien auf eine Ebene zu bringen und in Start-up-Geschwindigkeit Ideen für komplexe Businessumfelder zu entwickeln. In diesem Fall ging es um »grüne Mobilität« und die Frage, was Fortum beitragen kann, um erneuerbare Energien effektiv für Elek­tro­mobilität einzusetzen.

Elektromobilität: Pain Points identifizieren

»Unsere Partner:innen bei Fortum haben einen starken Experimentiergeist und ­ver­­fügen über enorm viel technologische Expertise. Das war natürlich eine gute Grund­lage«, sagt Carlo Schulz, Design Research Director bei IBM iX. Schulz gehört zu ei­nem internationalen Fortum-Team mit Kol­leg:innen aus Berlin, Genf, Hamburg, Hel­sinki, London, Miami und Zürich, das kom­plett remote zusammenarbeitet. Ein Fokus seines Designteams lag darauf, auch die menschlich-emotionale Komponente zu berücksichtigen und herauszufinden, welche Bedürfnisse die unterschiedlichen Ak­teur:innen haben: Fahrer:innen von Elektroautos, E-Flotten, Energieunternehmen und Betreiber:innen von Ladestatio­nen. Da­­für galt es, zunächst die Pain Points beim Auf- und Ausbau sowie bei der Nutzung von Elektromobilität zu ermitteln. Die ers­te Pro­jektphase, eine Woche im Februar 2021, bestand vor allem aus sehr strukturierter Recherche. Zu diesem Zeitpunkt saßen im Team neben Carlo Schulz sechs weitere De­signer:innen mit den Schwerpunk­ten Bu­si­ness-, UX- und Frontend-Design, Art­direk­tion sowie ein IBM Garage Leader, ein Client Manager und ein Director für Plattformtechnologie. Später kamen noch zwei Strategie­bera­te­r:innen dazu.

Experience Design IBM iX
Remote Work Dezentrales und zeitversetztes Arbeiten ist für IBM iX nichts Neues: Das Fortum-Team beispielsweise ist international aufgestellt mit Mitarbeitenden in Berlin, Genf, Hamburg, Helsinki, London, Miami und Zürich Bild: Nikolaus Brade
Bild: Nikolaus Brade

Nach dem Prinzip der IBM Garage validierte das Team zunächst Problemhypothesen und hinterfragte eine initiale Lösung. Als Grundlage für beide Schrit­te dienten Interviews mit generativ erkundenden und dann evaluierenden Fragestellungen. Die Ergebnisse der inten­si­ven Recherche förderten Anforderungen zu­tage, die mitein­ander in Konflikt standen. So sind Netz- und Ladestations­be­trei­ber:in­nen an einer möglichst gleich­mä­ßi­gen Ver­teilung von Ladezeiten und Ladepunkten interessiert. Die Fahre­r:in­nen von E-Autos legen dagegen vor allem Wert auf Komfort: Sie wollen oder können ihre individuelle Mo­bi­lität lediglich bedingt einschränken und sind nicht bereit, ihre Fahrzeuge an einem anderen Stand­ort, zu anderen Zei­ten oder langsamer zu laden, um eine bessere Verteilung zu garantieren.

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Als wichtigs­te Schnittstelle zwischen Ener­gie­unter­neh­men und Endkund:in­nen iden­ti­fizier­te das Design-Research-Team die Be­treibe­r:in­nen der Ladestationen. Für diese stellen Peaks bei den Ladezeiten ein wirtschaftliches Problem dar, weil sie dafür höhere Netzentgelte zahlen müssen – also eine Gebühr, die pro Ladestation gemäß der höchsten Last in einem bestimmten Zeit­fenster berechnet wird. Mit jedem zeitgleich stattfinden­den Ladevorgang erhöht sich die Last und entsprechend das Netzentgelt. Die Ladestationsbe­treibe­r:in­nen stehen dann vor der Wahl, mit ihrem Service weniger bis gar nichts zu verdienen oder die Ladege­schwin­dig­kei­ten und damit die ent­stehende Last zu drosseln – ein Nachteil für die Nutzer:innen.

Lösungen für ausbalancierte Netzauslastung finden

»Leider retten wir die Welt nicht, indem wir schlicht mehr E-Autos auf die Straße bringen. Vor allem dann nicht, wenn wir gleichzeitig den Großteil unseres Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen wollen«, so Carlo Schulz. Um diesen scheinba­ren Wi­derspruch zu verstehen, muss man sich kurz die Funktionsweise des Stromnet­zes und die Verbrauchsmuster in der Elektromobilität vergegenwärtigen: Die Fre­quenz im europäischen Stromsystem muss stabil bei 50 Hertz liegen. Jede Frequenz­ab­­weichung – nach oben oder unten – muss umgehend durch Anpassung der Energie­pro­duk­­tion ausgeglichen werden, weil es sonst zu Teil- oder Komplettausfällen in der Stromversorgung kommt. Auf der anderen Seite sind Elektromobilität und der damit einhergehende Strombedarf star­ken täglichen und stündlichen Schwan­kun­gen unterworfen – mit enormen lokalen Unter­schieden. »Dadurch wird volati­le Versorgung mit volatiler Nachfrage gekop­pelt, was ohne intelligente Aus­gleichs­lö­sun­gen zwangsläufig zu starken Frequenzabweichungen und Ausfällen der Stromversorgung führen wird – mit dem totalen Zusammenbruch als Worst-Case-Szenario«, erklärt Carlo Schulz.

»Das hypothesenbasierte, iterative Arbeiten ist einer der Grundgedanken des IBM-Garage-Ansat­zes und erleich­tert frühzeitiges Um- oder Gegen­steuern enorm«

Carlo Schulz, Design Research Director bei IBM iX

Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden in der zweiten Phase des Projekts Problem- und Lösungshypothesen entwickelt – immer mit dem Ziel, diese schnell auf ihre Realitätstauglichkeit hin zu prüfen. Das Team führte Interviews mit Energieunternehmen, Ladestations­be­treiber:in­nen und Flot­teninha­ber:in­nen. »Dieses hypo­the­sen­­basierte, iterative Arbei­ten gehört zu den Grundgedanken des IBM-Garage-Ansat­zes und erleichtert ein frühzeitiges Um- oder Gegensteuern enorm«, erläutert Carlo Schulz. So erwies sich etwa die Idee ei­nes sogenannten Vehicle-to-Grid-Konzepts, in dem Energie aus Autoakkus zu bestimmten Zeiten an das Strom­netz zurückgegeben wird, als schwer umsetzbar und mit zu vielen technischen und rechtlichen Variablen behaftet. Ein anderer Lösungsansatz zeigte dagegen erhebliches Potenzial: Ladestationen könnten an eine große Batterie angeschlossen werden, wo­durch zeit­gleich stattfindende Ladevorgänge zuerst über die Batterie laufen. Erst wenn die Bat­teriekapazität erschöpft ist, würde die Ladung direkt über das Stromnetz erfolgen. Damit könnten nicht nur Last und Netzentgelt re­duziert und Ladestationen profi­tabler betrieben werden – auch die Fah­re­r:innen würden davon profitieren, weil die Ladege­schwin­dig­keiten bei hoher Be­las­tung nicht mehr gedrosselt werden müss­ten. »In der Projektplanung arbeiten wir in diesem Sin­ne ausschließlich mit Arbeitsaufgaben, die sich innerhalb eines viertel, halben oder maximal eines ganzen Tages lösen lassen«, erklärt Lisa Walter, Busi­ness-­Designerin im Fortum-Team.

Experience Design IBM iX
Testen und validieren Mithilfe eines Prototyps in Form einer Landingpage prüft das Fortum-Team von IBM iX seine Businessidee. Die Testperso­nen navigieren »laut denkend« durch die Webseite und generieren so wichtige Informationen zur Weiter­entwicklung der Lösung

Experience Design: Geschäftsidee validieren

Diese Businessidee für die Ladestationen galt es im nächsten Schritt zu validieren. Das Team begann mit der Entwicklung ers­ter Prototypen in Adobe XD und erstell­te zunächst eine Landingpage, die die Idee beschrieb und in ihren Mehr­wer­ten für die Betreibe­r:in­nen­fir­men so ausformu­lierte, als wäre sie bereits im realen Einsatz. »Hierzu vereinbarten wir Interviews mit Vertre­ter:innen der Ziel­grup­pe und ließen sie ne­ben einem klassi­schen Interviewteil durch die Webseite navigieren und dabei quasi laut denken«, erläutert Lisa Walter. »So lern­­ten wir nicht nur, welche unserer Hy­po­thesen für die Zielgruppe zu­treffend wa­­ren oder wo wir nacharbeiten mussten, son­dern auch viel über das passende Wording und darüber, welchen Abstraktionsgrad es braucht, um die Idee schnell, aber auch voll­ständig zu kommunizieren.«

Die zweite Komponente war der so­ge­nannte Benefit Simulator, über den anhand realer Daten einer echten Ladesta­tion und unter Zuordnung unterschied­­licher Batteriegrößen der Nutzen für die Be­trei­be­r:innen sowie ihr zu erwartender Return on Investment ermittelt wurde. Durch Verwendung realer Markt- und Verbrauchsdaten im Simulator konnte die Kernzielgruppe der Ladestationsbetreiber die Plausibilität des gegebenen Wertversprechens prü­fen und die wirtschaftliche Attraktivität valide bewerten.

Ein wichtiger Bestandteil bei der Entwicklung war das Feedback aus den Interviews, das die beiden UX-Designer:innen und der Design Research Director als Pain Points kategorisierten und in der Customer Journey verorteten. Mithilfe von gut strukturierten iterativen Arbeitsschritten, einer userzentrierten Recherche und ei­nem klaren Blick auf die Bedürfnisse der Akteur:innen entwickelten IBM iX und For­tum so in nur vier Wochen eine tragfähige Lösung für ein klar definiertes Prob­lem. Als Nächstes ste­hen die Kund:innenseg­mentierung und die Entwicklung finaler Produkte an. Bei beidem wird IBM iX For­tum unterstützen.

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Research Grundlegend für gutes Experience Design sind Businessverständnis und Recherchekompetenz: Interviews mit verschiedenen Zielgruppen gehören ebenso zum Arbeitsalltag wie die Auswertung bestehender Studien und White Papers zu oft sehr komplexen Themen.

Krankenkassen: Entwicklung von Gesundheitsservices wie der elektronischen Patientenakte

Seit dem 1. Januar 2021 muss jede gesetzli­che Krankenkasse ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) zur Ver­fügung stellen. Das sieht das Gesetz zur di­gitalen Versorgung im Gesundheits­we­sen vor. Mit der Entwicklung der ePA wurde IBM als Technologiepartner seit 2019 von mehreren Kassen beauftragt. Die Entstehung folgte strengen Vorgaben der gema­tik – ehe­mals Gesellschaft für Te­le­ma­tikanwen­dun­gen der Gesund­heits­kar­te –, die alle Anwendungen auch offi­ziell zulassen muss.

»Es ging zunächst einmal darum, das Ökosystem, in dem der Kunde unterwegs ist, zu verstehen«

Berno Wrobel, Senior Creative Director und Product Owner bei IBM iX

Aufgabe von IBM war es vor allem, eine Plattform zu schaffen, die alle Akteu­r:in­nen des Gesundheitsökosystems vernetzt und über die Ärzt:innen, Krankenhäuser sowie andere Leistungserbringer:innen des Gesundheitswesens auf einen sicheren und zentralen Datenspeicher zugreifen können. Über eine mobile – und zukünftig auch sta­tionäre – Nutzungsoberfläche sollen die Patient:innen ihre Daten verwalten kön­nen. Einige Krankenkassen bieten ihren Versicherten schon länger eine sogenannte elektronische Gesundheitsakte (eGA) als Zusatzleistung an, über die sie Daten wie ärztliche Termine, Medikationspläne et ce­tera organisieren können. Als Bestandteil des IBM-Health-Teams, das mit über hundert Kol­le­g:innen unterschiedlichste digi­tale Services auf der IBM-Gesundheitsplatt­form entwi­ckelt, arbeiten auch De­si­gner:in­nen von IBM iX bereits seit 2017 an der Entwicklung der eGA mit.
Damit eine attraktive und einheitliche User Experience entsteht, hat IBM die Systeme eGA und ePA zur sogenannten ePA+ integriert, die jetzt sukzessive weiterentwickelt wird. Dafür hat der Konzern mit seiner Designeinheit IBM iX eine White-Label-Lösung geschaffen, die von allen Krankenkassen adaptiert werden könnte.

Vorreiter-App umsetzen

Doch von Anfang an. »Zu Beginn der Zusammenarbeit – beispielsweise mit der Techniker Krankenkasse (TK) – hinkte die Digitalisierung im Gesundheitswesen noch ziemlich hinterher, und die TK sah das Po­ten­zial, mit der Initiative die eigene Marktsituation zu stärken«, erinnert sich Berno Wrobel, Product Owner für die Entwicklungspartnerschaft.

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Szenarien Auf virtuellen Whiteboards in Mural stellen die Designer:innen zunächst dar, welche Bedürfnisse die User:innen wann und wie in Situationen aus dem echten Leben haben. Aus den Ergebnissen werden später Funktionen, Screenflows und das finale Design abgeleitet

Die Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse war eng, zeitweise saß das IBM-Team, darunter ein UX Designer mit Fokus auf Konzeption und Research sowie ein Visual Designer, sogar mehrmals pro Woche bei der TK vor Ort. »Es ging zunächst einmal darum, das Ökosystem, in dem das Kundenunternehmen unterwegs ist, zu verstehen«, erklärt Wrobel. Über Design-Thinking-Methoden mit Work­shops, Sprints und Iterationen sowie Hypothesen und deren Validierungen anhand von Proto­ty­pen wurden mögliche Funktionen wie Medika­tionspläne, Impf- und Vor­sor­ge­sta­tus sowie eine Timeline für Vor­sor­geunter­suchungen et cetera geprüft. Die Prototy­pen entstanden in Axure RP, die Testings erfolgten teils über Nacht in der Crowdtes­ting-App Applause.

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Final Screens In der fertigen Krankenkassen-App stehen verschiedene Bereiche in übersichtlichem Design zur Verfügung. Die Datenhoheit, also auch die Kontrolle darüber, welche Ärzt:innen und Krankenkassen Informationen in die Anwendung einspeisen dürfen, liegt bei den User:innen

Innerhalb von sechs Wochen waren die ersten Komponenten ready for development, und es konnte mit der Entwicklung der App begonnen werden. Das User Interface gestalteten die Frontend-Designe­r:in­nen auf Basis der Corporate Iden­tity der Techniker Krankenkasse in Sketch und InVision. Die finale App-Entwicklung erfolg­te nativ für Android und iOS mit den jeweili­gen Entwicklungsumgebungen von Apple (Xcode) und Google (Android Studio). Seit 2018 steht das so entstandene Produkt TK Safe den Versicherten zur Verfügung.

Neben der Techniker Krankenkasse kooperiert IBM auch mit Krankenversicherun­gen wie der Barmer, der Knappschaft Bahn See, der Hanseati­schen Krankenkasse und der Viactiv, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben und Versicherten zu ermöglichen, selbstbestimmt ihre Gesundheits­da­ten zu verwalten.

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White Label Um die Prozesse an der Schnittstelle von Design und Entwicklung zu optimieren, entwickelte das Health-Team ein Webtool auf Basis des Carbon-Design­systems von IBM. Mit ihm lässt sich das White Label bereits vor Übergabe an die Programmierer:innen auf die jeweilige Kranken­kassen-Corporate-Identity hin konfigurieren
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White-Label-Lösung gestalten

Um die digitale Akte und ihre Mehrwertservices für weitere gesetzliche und auch für private Krankenkassen nutzbar zu machen, entwickelte IBM eine White-Label-Lösung. Im Frühjahr 2018 stellte sich dafür ein siebenköpfiges Team aus UX- und UI-Designer:innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammen: Visual- und Screendesign, Illustration und Grafik, Mo­tion und Animation, Design Thinking sowie Expert:innen für Workshops und Marketing. Den Team Lead übernahm Mitte 2020 Simon Boy als UX Designer mit Fokus auf Design Thinking und Konzeption. »Ziel war es, ein möglichst modulares System zu etablieren, das sich jeweils an das Corporate Design der verschiedenen Krankenkassen anpassen lässt«, erklärt er.
In Szenarien und Screenflows stellten die Designer:innen zunächst dar, welche Funktionen Nut­zer:innen wie abrufen können und welche Schritte dabei nötig oder möglich sind. Für jede Funktion – also beispielsweise Impfstatus, Dokumenten-Up­­­load, Vorsorgeerinnerungen oder Medi­ka­­tions­pläne – wurde in Confluence eine Über­sicht erstellt und diese wiederum auf ­Mural als digita­les Whiteboard verlinkt. An den daraus ab­geleiteten Screenflows ar­bei­te­ten Simon Boys Kol­leg:innen in Sketch. Mit der Zeit wurden die Dateien aufgrund der hohen Komplexität sehr groß, daher nutzt das Team nun eine zentrale Sketch-Library für die Basis-User-Interface-Kom­­­po­nen­ten. Das Proto­typing erfolg­te über InVi­sion, die Testings anfangs remote über die Tes­ting-Commu­nity Applause und später vor Ort im Ber­liner Testlabor oder – bei klei­ne­ren Funk­tionen – auf dem »kurzen Dienstweg« auch mal mit Kolleg:innen. Ebenfalls in Sketch entstanden ein Styleguide für Farbcodes, Abstände und andere Gestaltungsdetails sowie eine Library für Symbole und Illustrationen.

»Gerade im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgeschriebenen Patientenakte ePA wurde das Thema Barrierefreiheit Pflicht«, sagt Simon Boy. Die Anwendung verlangte nach einem insgesamt aufgeräumten, kontrastreichen Design. Zudem musste das Layout auch dann noch funk­tionieren, wenn die Bildschirmansicht auf 200 Prozent vergrößert ist, und auch die Schrift sollte sehr gut lesbar sein: Die Fontfamilie IBM Plex dient deshalb allen Krankenkassen als gemeinsamer typografi­scher Standard – die Farbgebung, Icons und Illustrationen sowie die Formulierung der Textbausteine sind jeweils individuell anpassbar. Dabei dienen die allgemein anerkannten Web Content Accessibility Guide­lines zusammen mit der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) der Bundesregierung als Grundlage.

»Ziel war es, ein möglichst modu­lares System zu etablieren, das sich jeweils an das Corporate Design der verschiedenen Krankenkassen anpassen lässt«

Simon Boy, Associate Director UX bei IBM iX

Die Designer und Designerinnen haben daraus eine Checkliste abgeleite­t, anhand derer sie jedes Feature entwickeln und tes­ten. »Auch die bereits bei den Krankenkassen implementierten Designs müssen regelmäßigen Accessibility Assessments standhalten, sodass wir sehen können, in welchen Bereichen wir unsere Lösung noch verbessern müssen und wo wir bereits jetzt sämtliche Anforderungen erfüllen«, erläutert der leitende User Interface Desig­ner Johan­nes Höhmann.

Lösungen individuell anpassen

IBM setzt die Kombination aus eGA und ePA für diverse Krankenkassen in langfris­tig angelegten Partnerschaften um und lässt dabei zwei Backends quasi zusammenfließen, sodass sie einander er­gän­zen. Die Daten liegen verschlüsselt auf einem Server im IBM-Rechenzentrum in Frankfurt am Main. Die Datenhoheit liegt bei den Patient:innen – dem Zugriff durch Ärz­t:in­nen müssen sie aktiv zustimmen. Die Herausforderung besteht darin, trotz unterschiedlicher und zudem sehr komplexer Systeme im Hintergrund eine einheitliche User Experience zu garantieren.

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Hypothesenbasiertes Arbeiten Eine iterative Herangehensweise ist wichtiger Bestandteil der IBM-Garage-Methode. Sie sieht vor, zu Beginn eines Projekts möglichst viele Ideen zu sammeln, diese aber auch rechtzeitig wieder zu verwerfen – also effizient um- und gegenzusteuern Bild: Lucas Coersten
Bild: Lucas Coersten

In Kundenworkshops identifiziert IBM iX die Anforderungen der jeweiligen Auf­traggeber:innen an das Branding und den Funktionsumfang, um dann aus dem White Label die passende Anwendung zu generieren. Im Laufe des Projekts entstand ein eigenes Webtool auf der Basis des Carbon Design Systems von IBM, um die Prozesse an der Schnittstelle von Design- und Entwicklungsteam zu vereinfachen.

Künftig werden immer mehr Funktio­nen zur ePA+ hinzukommen, etwa der Mutterpass für Schwangere oder das U-Heft für Kinder. Diese Erweiterungen gilt es sei­tens IBM iX zu begleiten, um mit kontinuierli­chen Recherchen, iterativer Optimierung und Tests für eine gute User Experience
zu sorgen. Dazu kommt die Entwicklung zusätzlicher Services wie die KI-gestützte Aus­wertung von Röntgen-, MRT- und CT-Bildern oder auch die Integration von Barcodes für elektronische Rezepte sowie die Erweiterung der Schnittstellen – also die Anbindung externer Apps wie Sporttracker oder Ernährungscoaches. »Unsere Vi­sion ist es, einen nachhaltigen Service zu bieten, der so viele Menschen wie möglich in al­len Bereichen ihrer Gesundheit unter­stützt und zudem die Kommunika­tion im Gesundheitswesen einfacher macht«, erklärt Simon Boy.

Digital Experience Um für Käufer:innen interessant zu sein, müssen Automobilkonzerne an allen Touchpoints performen. IBM hat ein Business Framework entwickelt, das alle Bereiche berücksichtigt und zu einem nahtlosen Kund:innenerlebnis zusammenführt

Vom Autokauf zur ganzheitlichen Mobility-Experience

Wie kaum ein anderer Wirtschaftssektor steht die Automobilindustrie vor gro­ßen Herausforderungen. PS im Produkt und Car Porn im Marketing reichen in Zukunft nicht mehr aus – den Unterschied werden diejenigen Hersteller:innen machen, die Mo­bi­­lität neu definieren, Autokauf online er­mög­lichen und den Fah­re­r:innen maßgeschneiderte digitale Services bieten. IBM iX unterstützt Autokonzerne wie Hyun­dai, Volkswagen und Daimler bei dieser Transformation der digitalen Experience.

»Gerade in dieser Branche ist es wichtig, schon sehr früh Prototypen zu erstellen, um greifbar zu machen, wie sich Mobilität in der Zukunft anfühlt«

Andrea Goebel, Senior Creative Director UX bei IBM iX

»Das große Ziel ist, Businessmodelle für umfassende Mobilitätsökosysteme zu ent­wickeln – mit dem Auto im Zentrum«, sagt Marko Thorhauer, Executive Creative Direc­tor und Design Principal bei IBM iX in Berlin. Dafür müssen die Hersteller:innen sich vor al­lem in Sachen E-Commerce verbessern – und zwar mit Blick auf die Expe­rien­ce in allen Phasen des Customer Lifecycles. Es gehe in der Zusammenarbeit mit Auf­trag­gebe­rn ak­tuell oft darum, einzelne Servi­ces, Plattformen oder Onlineshops in eine ganzheitliche Experience zu integ­rie­ren, um sich im Markt zu differenzieren. Gerade die E-Mobilität und die Vernet­zung der Autos bieten viele Möglichkeiten für digitale Ideen: Wo, wann und wie schnell kann ein Fahrzeug geladen werden? Wie lassen sich Fahr­­ten effizient planen? Wie sollten neue Own­ership- und Sharing-Modelle aussehen? Was kön­nen die Auto­mobil­un­ter­neh­men tun, um den Fahre­r:in­­nen ihre Fahrt so angenehm wie möglich zu machen?

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Volkswagen »We Experience« Ein gutes Beispiel für eine langfristige Partnerschaft ist der Service We Experience, den IBM iX zusammen mit Volkswagen entwickelt hat. Durch die intelligente Kombination von Umgebungs-, Fahrzeug- und Nutzungsdaten erhalten die Fahrer:innen personalisierte Tipps und Promotions wie Hinweise zu Son­der­angeboten in Cafés in ihrer Nähe. Der Service arbeitet auf Basis von künstli­cher Intelligenz und lässt sich als Software Development Kit in bestehende Volks­wagen-Apps integrieren

Research macht den Anfang

Das Enterprise Design Thinking Frame­work von IBM hilft bei der Beantwortung dieser Fragen. Zu Beginn eines Projekts be­steht das Team von IBM iX meist aus Experience- und Business-Designer:innen mit Indus­trie-Exper­tise und starkem Fokus auf Research. »Wir müssen zunächst verstehen, welche Herausforderungen und Stan­dards im Markt aktuell bestehen, Trends und Best Prac­tices sichten, Pain Points und kritische Punk­te in der User Journey identi­fizieren sowie neue Businessmodelle und Poten­ziale aufzeigen«, sagt Andrea Goebel, Senior Creative Director UX bei IBM iX. Zu diesem Zweck führen sie und ihre Kol­le­g:in­nen In­terviews mit mögli­chen Kun­d:in­nen und Händler:innen und erarbeiten mit Fo­kusgruppen die Anforderungen aus den unterschiedlichen Ge­schäfts­be­rei­­chen wie Ver­trieb, Aftersales oder Konnektivität. »Unsere Kompetenz be­steht darin, Bu­si­nessexpertise mit Designexzellenz zu verbinden«, erklärt Andrea Goebel. »Wir haben die Bedürfnisse und hohen Erwartun­gen der Nutzer und Nutzerinnen im Blick, aber auch die konkreten Businessanforderungen und tech­nologischen Möglichkeiten – hierfür ist die Fähigkeit zur strukturierten Kolla­bo­ra­tion sehr wichtig.«

Im nächsten Schritt geht es an Personas, Empathy Maps und Customer Journeys sowohl für End- als auch für Business-to-Business-Kund:innen. Darauf auf­bau­end folgen Prototypen und eine ganzheitliche Design Vision. »Gerade in dieser Branche ist es wichtig, schon sehr früh Prototypen zu erstellen, um greifbar zu machen, wie sich Mobilität in der Zukunft anfühlt«, erklärt Andrea Goebel. Zuerst kreieren die Designer:innen sogenannte Low-Fidelity-Prototypen, die anhand von Wire­frames und -flows die Funktionalität der jeweili­gen Anwendung aufzeigen, aber mit dem visuellen Erscheinungsbild der Marke noch wenig zu tun haben. Dieses definieren die UI- und UX-Desi­gne­r:innen im Rahmen der Design Vision: Sie umfasst grundlegende Designprinzipien und Guide­lines, um eine hohe Qualität und eine einheitli­che Experience über alle Touchpoints und Devices hinweg sicherzustellen. Die Gestaltungselemente werden zumeist in ei­nem Design­system dokumentiert, für alle Touchpoints zur Verfügung gestellt und sukzessive erweitert. Im weiteren Verlauf der Entwicklung entstehen High-Fidelity-Prototypen, etwa von einer Handelsplattform oder ei­nem Tool für die Buchung von Testfahr­ten. Damit diese den Anforderun­gen der User:innen entsprechen, validieren UX-De­signer:innen die Prototypen in regelmäßi­gen User-Testings, bis sie in die techni­sche Entwicklung gegeben werden.

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Hyundai: Digitales Ökosystem Mit Hyundai entwickelte IBM iX ein neues Service-Ökosystem für den europäischen Markt, das die komplette Customer Journey digital abbildet. Dazu gehören ein für Mobilgeräte optimierter Car Configurator, ein neues myHyundai-Kundenportal als Website und App sowie die Anbindung an Händler:in­nen und an den Onlineverkauf. Die Entwick­lung erfolgte in der Adobe Experience Cloud, vorrangig dem Adobe Experience Manager – mit bereits beeindrucken­den Ergebnissen: 60 Prozent mehr Test­fahrt­anfragen, 45 Prozent mehr Nutzung des Car Configurators und eine um 50 Prozent höhere Verweildauer auf der Website

Herausforderung E-Commerce

Die Notwendigkeit für die Automobilunternehmen, in Sachen E-Commerce aktiv zu werden, zeigt sich nicht zuletzt an diesen Zahlen: 2018 fanden nur 9 Prozent der Autokäufe weltweit online statt. 2019 konnten sich immerhin 32 Prozent aller mögli­chen Käufer:innen vorstellen, ein Fahrzeug im Internet zu kaufen – im Jahr 2020 waren es bereits 61 Prozent. »E-Commerce in der Automobilbranche ist eine Riesenchance. Aber die digitalen Commerce Journeys müs­­sen sowohl für Nutzer:innen als auch für Händ­ler:innen attraktiv und vertrauenswürdig gestaltet werden«, sagt An­drea Goebel. »Wir müssen die Menschen früh abholen, sie vom ersten Kontakt mit der Marke über alle Schritte im Kaufprozess – und darüber hinaus – begleiten.«
Besonders spannend an Projekten aus der Automobilbranche ist dabei auch die enge Zusammenarbeit mit den Auftrag-ge­ber:innen. »Für Lösungen, die Kund:in-nen- und Fahrzeugdaten enthalten, ist der Austausch mit den Ingenieur:innen, Cus­tomer-Relationship-Management-Teams und teils auch mit externen Dienstleis­te­r:in­nen unerlässlich«, erklärt Marko Thor­hauer. »Diese Herangehensweise, in der wir als Designer:innen zu Partner:innen für wichtige Businessentscheidungen werden, macht für mich erfolgreiches Experience Design aus.«

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