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Digital System Design in der Praxis

Neugelb Studios arbeitet für die Commerzbank am Banking der Zukunft. In einer Kooperation mit der Hochschule Darmstadt entwarf die Agentur gemeinsam mit Studierenden innovative Produkt- und Serviceideen.

Mehrere Male präsentierten die Projektteams den aktuellen Stand ihrer Entwicklungen. Hier bei Neugelb Studios in Berlin. (Foto: Michael Eiden)

Online-Banking, KI-gesteuerte Anlageberatung, Bitcoin, innovative Fintechs: Die Digitalisierung setzt traditionelle Banken ordentlich unter Druck. Der Besuch einer Filiale und das Gespräch mit dem Bankberater werden für viele Menschen zunehmend überflüssig. Banken entwickeln sich so vom unabdingbaren Wissensträger zum reinen Erfüllungsgehilfen. Wie könnte ein Banking der Zukunft aussehen, das sowohl für Finanzinstitute als auch für Kunden funktioniert und wertstiftend ist?

Vor Herausforderungen wie diesen steht Neugelb Studios, die Service-Design-Agentur der Commerzbank – und geht in der Bewältigung immer wieder neue Wege. 2018 ging Neugelb Studios eine Kooperation mit dem Human Factor Lab der Hoch schule Darmstadt ein, das von Professor Philipp Thesen gegründet wurde. Das Human Factor Lab widmet sich der Erforschung digitaler und analoger Mensch-System-Interaktionen und der Frage, wie sich digitale Technologien in nützliche und wertvolle Service-Erlebnisse überführen lassen.

Philipp Thesen bei einer Präsentation der Teams bei Neugelb Studios Berlin. (Foto: Michael Eiden)

Grundsätzlich leistet Design laut Thesen einen essenziellen Beitrag bei der Vermittlung zwischen Technologie und Lebenswelt (siehe auch »Was ist eigentlich Digital System Design«). In Kooperationen mit Unternehmen arbeitet er mit seinen Studierenden an konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten und entwickelt Anwendungen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen und Technologien für den Nutzer humanisieren. Den Auftakt macht die Zusammenarbeit mit Neugelb Studios zum Thema »Future Banking Experience«.

Von Research über Ideation bis Prototyping

In einem klassischen Digital-Product-Designprozess arbeiteten die Studierenden eng mit den Neugelb-Designern über ein Jahr hinweg an verschiedenen Konzepten für das Banking von morgen. Beide Seiten gingen dafür ein großes Commitment ein: Die Agentur stellte die teilnehmenden Gestalter während des Projekts zwei Tage pro Woche frei, die Studierenden konzentrierten sich über die übliche Semesterstruktur hinaus für ein Jahr auf das Thema.

Zum Projektprogramm des Human Factor Lab gehörte eine mehrtägige Rechercheexkursion inklusive Kundeninterviews in Berliner Bankfilialen, geleitet von erfahrenen Neugelb-Researchern, genauso wie ein einwöchiger Innovationsworkshop in Porto, wo die Gruppe intensiv und außerhalb des Tagesgeschäfts an Produkt- und Serviceideen arbeitete. Die Prototyping- und Umsetzungsphase verlief in zweiwöchigen Sprints in den Räumlichkeiten von Neugelb in Frankfurt am Main. Das große Finale fand dann im Juli 2019 im 38. Stock des Commerzbank-Towers statt, wo die Studierenden ihre Konzepte und Prototypen vor dem Marketingvorstand der Bank präsentierten.

Das Finale: Im Juli 2019 präsentierten die Teams ihre Ergebnisse im Commerzbank Tower in Frankfurt. Hoch über der Stadt im 38. Stock schnupperten die Studierenden erstmals Konzernluft. (Foto: Michael Eiden)

Win-win-win

Von der Kooperation profitierten sowohl die Agentur und die Hochschule als auch die Commerzbank. Neugelb nutzte den direkten Kontakt zur jungen Zielgruppe, um deren Konsumverhalten im Finanzbereich besser zu verstehen und um Impulse der Nachwuchsdesigner aufzunehmen. Zudem konnten sich die Mitarbeiter als Gastdozenten an der Hochschule Darmstadt in Themen wie User Experience Design und digitalem Prototyping professionalisieren und ihr Selbstverständnis stärken.

Die Studierenden erhielten ihrerseits detaillierte Einblicke in Agentur- und Kundenprozesse, vertieften ihr Verständnis für unternehmerische Abläufe und konnten ihr Theoriewissen aus dem Studium in einem professionellen Umfeld gemeinsam mit erfahrenen Designern anwenden. Die Bank erhielt wiederum konkrete Entwürfe für neue Soft- und Hardware-Entwicklungen. Entstanden sind Konzepte für nahtloses Banking, für Service-Tracking und für einen personalisierten digital-analogen Finanzassistenten.

Smamo

Visualisiertes Sparen

Finanzdienstleistungen laufen heute zumeist virtuell ab – es gibt kaum noch analoge Touchpoints abseits des Geldautomaten. Dadurch verlieren vor allem jüngere Menschen den direkten Bezug zu ihren Geldangelegenheiten. Die Sensibilisierung für den richtigen Umgang mit den eigenen Finanzen findet oft zu spät statt, was verheerende Folgen für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge hat – das ergab unter anderem eine Jugendstudie des Altersvorsorge-Anbieters MetallRente sowie eine Online-Umfrage des Projektteams. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse entwickelten Senior-UX-Designerin Franziska Gronwald und Visual-Designerin Federica Deschino von Neugelb zusammen mit den Studierenden Darleen Mittelstädt, Sinem Kicirti und Benedikt Schneeberg diverse Personas, User Storys, eine Customer Journey Map – und am Schluss den persönlichen Finanzassistenten Smamo (ein Kofferwort aus »Smart Money«).

Smamo ist ein integriertes Hardware-Software-Produkt, das mit dem Online-Banking-Account der Commerzbank verknüpft ist und in Echtzeit persönliche Sparziele visualisiert. Mithilfe der digitalen App lassen sich Langzeit- und Kurzzeitsparziele – zum Beispiel ein börsengehandelter Fond (ETF) oder ein Rennrad – einrichten, verwalten und analysieren.

Smamo – Team
Zur Projektarbeit gehörte sowohl der Bau eines analogen Prototyps als auch die Entwicklung einer ausführlichen User Journey. – Bild: Michael Eiden
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Smamo – Fonds
Zum Smamo-Konzept gehört neben dem analogen Objekt natürlich auch ein digitaler Account, der zum Beispiel per Mobile-App abrufbar ist. Er gibt Einblick in den aktuellen Stand von Langzeitund Kurzzeitsparzielen.
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Smamo – App
Zum Smamo-Konzept gehört neben dem analogen Objekt natürlich auch ein digitaler Account, der zum Beispiel per Mobile-App abrufbar ist. Er gibt Einblick in den aktuellen Stand von Langzeitund Kurzzeitsparzielen.
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Smamo – Kurzziel
Zum Smamo-Konzept gehört neben dem analogen Objekt natürlich auch ein digitaler Account, der zum Beispiel per Mobile-App abrufbar ist. Er gibt Einblick in den aktuellen Stand von Langzeitund Kurzzeitsparzielen.
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Smamo – Werkstatt
Zur Projektarbeit gehörte sowohl der Bau eines analogen Prototyps als auch die Entwicklung einer ausführlichen User Journey. – Bild: Michael Eiden
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Smamo – Raum
Das Smamo-Objekt an der Wand zeigt mittels Licht den individuellen Sparverlauf an. Wie eine Batteriestandsanzeige füllen sich die Blätter des lampenähnlichen Objekts – ganz subtil und nur für den Nutzer erkennbar.
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Das Software-Interface wird durch ein analoges Produkt ergänzt, das die Erfüllung der Sparziele sichtbar macht. Das schmale, weiße Smamo-Objekt kann an die Wand gehängt oder auf dem Tisch aufgestellt werden, seine Lichtanzeige gibt Aufschluss über den persönlichen Finanzstand. Das tut es aber so dezent, dass nur der Nutzer es versteht. Dies soll den persönlichen Bezug zu den eigenen Finanzen fördern und zum Sparen motivieren. Neben dem Interface entwarf die Projektgruppe auch das physische Produkt, das sie als Modell anfertigte und mit Usern testete.

Service-Tracking

Interne Bankprozesse nachvollziehen

Wann kommt meine neue Kreditkarte? Wie geht es mit meiner Eigenheimfinanzierung weiter? Als Bankkunde tappt man immer wieder im Dunkeln, was die internen Abläufe in Geldinstituten oder den aktuellen Stand von Finanzaufträgen angeht. Dabei wünschen sich Menschen gerade bei so sensiblen Themen wie den eigenen Finanzen eine ausführliche und transparente Kommunikation – sonst drohen Unsicherheit und Vertrauensverlust. Mit dieser Problematik beschäftigten sich UX-Designerin Sandy Kauer und Senior Visual Designer Murilo Fonseca von Neugelb Studios sowie die Studierenden Felicia Burger, Denise Genctürk und Yifeng Lin.

Ihre Lösung ist ein besseres Service-Tracking, das Bankprozesse verständlich abbildet und kommuniziert. Zum Beispiel bietet das von ihnen konzipierte System eine Übersicht der bisherigen Aktivitäten bei der Commerzbank sowie einen Schritt-für-Schritt-Finanzplan oder eine vereinfachte Terminvereinbarung mit dem persönlichen Bankberater. Dieser profitiert ebenfalls vom Tracking-System, da er vergangene Gesprächsthemen und Produktempfehlungen schnell einsehen kann.

Service Tracking – Team
Die Teams arbeiteten ein Jahr lang an ihren Projekten – unter anderem bei einem einwöchigen Workshop in Portugal. Am Ende waren kaum noch Unterschiede zwischen Agenturmitarbeitern und Studierenden zu erkennen. – Bild: Michael Eiden
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Service Tracking – Historie
Wann war ich das letzte Mal in der Bank? Wo stehe ich bei meinem Finanzplan fürs Eigenheim? Wann hat mein Bankberater Zeit für mich? Fragen wie diese beantwortet die Service-Tracking-App schnell und übersichtlich.
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Service Tracking – Werkstatt
Auch für dieses Projekt ging es in die Werkstatt, um einen Prototypen für des Möbelaufsatzes zu bauen. – Bild: Michael Eiden
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Service Tracking – Filiale
Das Team entwickelte einen Möbelaufsatz, der das Beratungsgespräch in der Filiale transparenter macht. Auf ihn lassen sich Smartphones und Tablets platzieren und miteinander verbinden, sodass der Bankberater nicht mehr hinter seinem Monitor verschwindet.
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Service Tracking – Präsentatiom
Bei der finalen Präsentation im Commerzbank-Tower demonstrierte das Team Ulrich Coenen, dem Bereichsvorstand Marketing & Digital Banking, einen Möbelaufsatz, der das Beratungsgespräch in der Filiale transparenter macht. Auf ihn lassen sich Smartphones und Tablets platzieren und miteinander verbinden, sodass der Bankberater nicht mehr hinter seinem Monitor verschwindet. – Bild: Michael Eiden
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Zu dem Konzept gehört auch ein Sitzmöbelaufsatz für die Filiale, der zwischen Berater und Kunde platziert wird und auf dem man zwei Smartphones und ein Tablet platzieren kann. So können die Gesprächspartner gleichzeitig auf den Screen gucken wie auch gemeinsam das System bedienen – und sitzen dabei bequem neben-, aber nicht zu eng beieinander.

Seamless Banking

Digital und analog vernetzen

Die Commerzbank bietet ihren Kunden eine Vielzahl von analogen und digitalen Touchpoints. Diese sind allerdings noch nicht optimal miteinander vernetzt und arbeiten teils unabhängig voneinander. So kann es sein, dass ein Kunde beim Berater in der Filiale noch einmal die gleichen Angaben machen muss wie zuvor im Onlineformular. Das nervt. Mit der Frage, wie ein nahtloses Service-Erlebnis aussehen könnte, beschäftigten sich die Senior Visual Designer Cristina Talpa und Felix Lebedinzew von Neugelb zusammen mit den Studierenden Victoria Lemke und Jonas Engelhardt.

Ihre Idee: Eine Banking-ID (Arbeitstitel MoneyID) – ein universeller persönlicher Account für alle Channels und Touchpoints mit der Commerzbank, wie Browser, App, Bankautomat et cetera. Eine zentrale Datensicherung in der Cloud sorgt dafür, dass der Nutzer jeden Kanal autonom bedienen kann, während im Hintergrund alle Informationen und Aktivitäten zentral getrackt und synchronisiert werden. Das muss natürlich gut abgesichert sein: An Devices wie Smartphone, Laptop und Smartwatch verifiziert sich der Nutzer per Fingerabdruck oder Gesichtserkennung. Diese biometrischen Verifizierungsverfahren sind sowohl sicherer als auch zeitsparender. Auch die Banking-ID-Card verfügt über einen integrierten Fingerabdruck-Scanner.

Seamless Banking – Team
Das Team bei der Arbeit. – Bild: Michael Eiden
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Seamless Banking – Hero
Ob Laptop, Smartphone, Tablet, Smartwatch oder Bankkarte: Die MoneyID ermöglicht den Zugriff auf den persönlichen Bank-Account von überall – dank zentraler Datenspeicherung in der Cloud und abgesichert durch biometrische Verifzierungsverfahren.
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Seamless Banking – Filiale
Auch in der Filiale wird der Kunde am Eingang automatisch anhand seiner MoneyID identifiziert und persönlich in Empfang genommen.
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Seamless Banking – Card
Die Bankkarte wird acuh vom Smartphone erkannt und per Fingerabdruck freigeschaltet.
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Seamless Banking – Automat
Die Bankkarte wird am Geldautomaten erkannt und per Fingerabdruck freigeschaltet.
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Seamless Banking – Bump
Bankkunden können sich auch zusammentun, um ein gemeinsames Konto zu eröffnen.
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Sowohl die Devices als auch die Bankkarte lassen sich durch ein NFC-basiertes Bump-to-connect-Verfahren miteinander verbinden. So könnten Nutzer etwa auch gemeinsame Konten anlegen oder verwalten. Darüber hinaus dient die Banking-ID der besseren Identifikation in der Filiale: Der Kunde wird automatisch schon am Eingang erkannt, sodass die Mitarbeiter ihn entsprechend empfangen und an den zuständigen Kollegen oder den passenden Schalter weiterleiten können.

Dieser Artikel ist Bestandteil der PAGE Connect Initiative und entstand in Zusammenarbeit mit Neugelb Studios. Mehr zum Thema Digital System Design lesen Sie in unserem eDossier, das Sie hier herunterladen können.

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