Juliana Danner hat eine neue Jobvermittlungsplattform für Kreative und Agenturen gegründet. Wir sprachen mit ihr darüber, was sie gegen Stellenanzeigen hat und was ON AND OFFER anders macht als andere Angebote.
Bei ON AND OFFER stehen die Fähigkeiten der Kreativen im Vordergrund. Durch diese Umkehrung des Stellenausschreibungsprinzips will Juliana Danner erreichen, dass Kreative und Agenturen besser zueinander finden. Damit will sie die Talentsuche in der Kreativbranche langfristig verändern. Und ganz nebenbei könnte die Plattform auch die Diversität in Agenturen fördern.
Warum hast du ON AND OFFER gegründet? Juliana Danner: Die Idee entstand aus meiner praktischen Arbeit heraus. Ich war lange als Kreative in Agenturen tätig und bin dann in die Personalberatung gewechselt. Ich kenne also beide Seiten. Irgendwann habe ich erkannt, dass es in der Kreativbranche weniger ein Ressourcenproblem gibt, sondern vielmehr ein Problem der falschen »Membran«: Die Leute kommen einfach nicht zueinander. Die Idee zu ON AND OFFER entstand also aus einem klaren Bedürfnis auf beiden Seiten. Ich habe mir den bestehenden Markt angeschaut und nirgends einen Ansatz gefunden, der meinen Vorstellungen entsprach. Also habe ich selbst gegründet.
Die Kreativbranche hat weniger ein Ressourcenproblem, sondern ein Problem der falschen »Membran«
Wie bringst du die beiden Seiten auf deiner Plattform zusammen?
ON AND OFFER setzt beim entscheidenden Nadelöhr an: der Stellenanzeige. Sie ist die größte Fehlerquelle bei der Talentsuche im Kreativbereich, weil es so viele Nuancen gibt: individuelle Skillsets, Persönlichkeit, Teamkompatibilität etc. Wie soll man all das in eine Stellenanzeige packen? Oft suchen Arbeitgeber einen Ersatz für jemanden, der gegangen ist. Entsprechend eng formulieren sie die Suche – und schließen damit viele aus, die vielleicht perfekt für die Stelle wären und darin neue Impulse setzen würden. Man kann es eigentlich nur falsch machen: Entweder ist die Stellenanzeige zu breit oder zu eng gefasst – und niemand fühlt sich wirklich angesprochen.
Deshalb gibt es das bei ON AND OFFER nicht. Letztlich muss man doch nur wissen, wer mit den benötigten Skills aktuell am Markt verfügbar ist. Gleichzeitig sieht man in dem Profil, was derjenige noch bietet – und findet vielleicht etwas, das man auch gut gebrauchen kann. Ich nenne das Unique Skillset Proposition: Kreative definieren sich über ihre Fähigkeiten und darüber, was ihnen Spaß macht – oder auch, in welche Richtung sie sich entwickeln wollen. Die Auswahl an Skills habe ich auf eine Reihe an Schlagwörtern runtergedampft, sodass alle User mit der gleichen Terminologie arbeiten – und dadurch leichter zueinanderfinden. Außerdem war mir wichtig, dass die Kandidaten entscheiden können, ob und wann sie angesprochen werden wollen. Denn Kaltakquise ist für alle Beteiligten meistens eher unangenehm.
Kaltakquise ist für alle Beteiligten meistens eher unangenehm
Im ersten Schritt sind die Profile also anonym?
Genau. Die Kreativen präsentieren sich allein mit ihren Fähigkeiten. Das dient zum einen als Sicherheit für Kandidaten, die den Markt sondieren wollen, ohne dass beispielsweise ihr aktueller Arbeitgeber davon erfährt. Zum anderen fördert es Diversität: Auftraggeber konzentrieren sich ausschließlich auf das Skillset – Aussehen, Alter, Herkunft, Geschlecht sind erstmal unbekannt. Ich hoffe, dass Arbeitgeber dadurch auch mal Kandidaten in Betracht ziehen, die sie sonst nicht näher angeschaut hätten. Auch wenn sie sie am Ende nicht einstellen, kann man damit immerhin einen Aha-Effekt erzeugen. Das ist der erste Schritt hin zu diverseren Teams.
ON AND OFFER ist weniger persönlich als die Beratung, die du bisher gemacht hast.
Ja, die persönliche Beratung fällt im ersten Schritt weg, aber das heißt nicht, dass es sie gar nicht mehr geben wird. Ich führe nach wie vor Kundengespräche und biete Beratung an, wo sie notwendig ist. Ich verstehe ON AND OFFER auch als eine Ansage an den Markt: Warum soll ein externer Dienstleister besser wissen, was eine Agentur braucht, als sie selbst? Ein geschulter Personalberater findet das zwar heraus, aber die Innensicht ist doch viel wichtiger! Die Agentur selbst muss wissen und definieren, nach welchen Profilen sie sucht. Externe Dienstleister sind eine schnelle, aber keine langfristige Lösung. Wenn man sich im Vorfeld nicht genug mit der Personalstrategie auseinandergesetzt hat, führt das oft zu falschen Entscheidungen. Für die Kandidaten gilt das genauso: Sie sollten nicht blind der Empfehlung eines Personalberaters folgen, sondern selbst bewusst entscheiden, was ihr nächster Schritt sein soll.
Warum soll ein externer Dienstleister besser wissen, was eine Agentur braucht, als sie selbst?
Dafür brauchen sie einen guten Überblick.
Deshalb ist mein Ziel eine komplette Markttransparenz. Der Kandidat kann schnell herausfinden, ob sein Profil gefragt ist – und wenn nicht, warum nicht. Wie kann oder muss er sich weiterentwickeln? Hier könnten später Beratungsmodule angedockt werden. Agenturen andererseits lernen, was sie bieten müssen, um Kreative für sich zu gewinnen. Und sie müssen verstehen, dass Personalsuche Zeit braucht. Ich will sie dazu animieren, in den Profilen und Skillsets herumzustöbern, um genau den richtigen Kreativen für eine Stelle oder ein Projekt zu finden. Klar braucht das Scouten Zeit, aber es ist so viel effektiver als eine Stellenanzeige, auf die sich entweder keiner oder die falschen Leute melden. Es ist an der Zeit, dass Personalabteilungen in Agenturen einen besseren Stand bekommen – und die Kreativdirektoren mit ihnen zusammenarbeiten.
Richtet sich ON AND OFFER auch an Freelancer?
Ja. Freelancing ist ein großer Trend, den ich unbedingt abbilden wollte. Heute kommt es oft weniger auf die Rahmenbedingungen an, sondern darauf, ob ein Angebot zu meinen Lebensbedingungen und Vorstellungen passt. Ich selbst habe phasenweise immer wieder als Freelancerin sowie als Festangestellte in Agenturen gearbeitet. Eine strikte Entscheidung für das eine oder das andere Modell ist heute nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr passt man die konkrete Entscheidung immer an die jeweilige Lebenssituation an. Es ist weniger eine Frage des Modells als eine Frage des Wohlbefindens.
Es ist an der Zeit, dass Personalabteilungen in Agenturen einen besseren Stand bekommen
Was glaubst du, wie sich der Markt in naher Zukunft entwickeln wird?
Sehr durchwachsen. Der Clash von old und new economy vollzieht sich auch in der Kreativbranche. Kleinere Agenturen und solche, die gerade starten, müssen innovativ sein und zeigen, warum sie interessanter sind als die großen, bekannten Agenturen und Spitzenreiter der Kreativrankings. Sie haben meist nicht die Möglichkeit intensives Personalmarketing zu betreiben. Da bewegt sich also sehr viel. Das erzeugt Druck bei den großen Agenturen, weil sie merken, dass Leute nicht mehr mit Geld und Renommee zu ködern sind, sondern viel mehr auf das Umfeld und die Arbeitsbedingungen achten. Die Zeit, dass ein Kandidat unendlich dankbar ist, in einer Agentur anfangen zu dürfen, ist vorbei. Und selbst wenn die Leute Schlange stehen, kann es sein, dass sie die Agentur nur als Karrieresprungbrett nutzen – und danach so schnell wie möglich wechseln.
Ich glaube, dass sich Recruiting im Kreativbereich radikal und nachhaltig verändern muss. Kreative und Agenturen sollen eigenverantwortlicher handeln, besseres Personalmarketing betreiben und aneinander wachsen können. Mit ON AND OFFER biete ich einen ersten Schritt in diese Richtung an.
Auch auf dem PAGE-Karriereportal#FindYourCompany finden Kreative spannende Arbeitgeber. Hier präsentieren sich nicht die Kreativen, sondern die Agenturen und Unternehmen in Text, Bild und Video.