Die Spiele und ihre Logos
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mmer zum Erscheinen der aktuellen Printausgabe der PAGE: »Die Fundstücke« von Jürgen Siebert. Freuen Sie sich über kühne Kommentare zu Trends, Entwicklungen, Ereignissen und dem ganz normalen Alltagswahnsinn eines Kreativen … Heute: Das Olympia-Logo.
Am Ende entschieden die Bilder über den Erfolg der größten Sportveranstaltung der Welt. Sie hatten die Stärke, die Menschen zu begeistern. Alle fühlten sich als Sieger: das Internationale Olympische Komitee, London und die englischen Gastgeber. Es begann schon während der Spiele von London 2012. Selbst unerbittliche Kritiker zeigten sich auf einmal versöhnlich. Das vorausgesagte große Verkehrschaos blieb aus, die Wettkämpfe waren fairer, spannender und sauberer als erwartet, sogar das Wetter spielte mit. Dazu waren die Feierlichkeiten im Olympiastadion nicht peinlich. Das musste selbst der große Designer und Stilkritiker Jonathan Barnbrook über Twitter zugeben: »Opening ceremony was superb. I really enjoyed it. Just the right balance between spectacle, irony, entertainment & inclusiveness.« Und wie hat sich die visuelle Identität von London 2012 bewährt?
Vor den Spielen waren das Logo und die Typografie der Veranstaltung heftiger Kritik ausgesetzt. Ich habe das Logo im Fontblog seit seiner Vorstellung vor fünf Jahren verteidigt: »Das London-2012-Logo ist ein Spiel, durchdacht inszeniert, mit eingebautem Skandalpotenzial.« Tatsächlich sah das Konzept des Designbüros Wolff Olins ursprünglich vor, dass sich »die Jugend der Welt« des London-Logos bemächtigt, es neu interpretiert, mit ihm spielt, damit die Bindung zu den Spielen stärker werde. Leider wurde dieser Mitmach-Ast in den Monaten darauf von den Veranstaltern abgesägt.
Ein Olympia-Logo zu entwerfen ist der Traumjob für ein Designbüro – und gleichzeitig die Hölle. Als Gestalter kann man bezüglich seiner Reputation nur verlieren. Die einen wollen Pinselstriche, die anderen etwas Geometrisches, mal mehr Farbe, mal weniger, Sportelemente ja oder nein, keine Heraldik, nichts Theatralisches … Es muss auf T-Shirts gut aussehen und Plüschtier-kompatibel sein. Experten behaupten, es habe in der Geschichte der Olympischen Spiele sowieso nur vier akzeptable Grafiklösungen gegeben. Diese teilen sich in zwei Gruppen: die ausgeklügelten, über Jahre entwickelten Systeme (Tokio 1964, München 1972) und die spontan-modischen Entwürfe, die bei Beginn der Spiele meistens schon wieder out of date sind (Mexico 1968, Los Angeles 1984).
Die britische Design Week lobte am Ende der Spiele die London-CI, weil sie herausfordernd und nützlich war: »Es klangen sowohl Dinge an, auf die wir Londoner stolz sind (Jugend, Energie, innovativer Spirit), aber auch Momente, die uns weniger stolz machen, wie Unordnung, Ruppigkeit und die Tatsache, dass manches schlicht nicht funktioniert in dieser Stadt.« Auch der Designer des Rio-2016-Logos, Fred Gelli von der brasilianischen Agentur Tátil, zollt der Londoner Identität Respekt. Das kantige Logo und die Schrift dazu repräsentierten ein neues London, mit einer frischen und frechen Energie. Das sei gut rübergekommen. Für Rio habe es ein völlig anderes Briefing gegeben. »Da 2012 eine führende, wegweisende Industriemetropole der Austragungsort war, stand das Rationale und Erklärende im Vordergrund. In unserem Fall repräsentiert das Logo eine offene, warme Kulturhauptstadt.«
Dem zerschmetterten Scherbenlogo von London setzen die Brasilianer ein fließendes Konzept entgegen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele wirbt ein 3-D-Logo für das Event, eine Logo-Skulptur. Die Inspiration lieferte ein Gebirgszug vor Rio de Janeiro, aus dem Tátil ein buntes Endlosband aus drei verschmolzenen Tänzern formte. Mit viel Fantasie lässt sich auch das Wort Rio herauslesen. Weil das plastische Zeichen schwerer zu reproduzieren ist, soll es die Haltbarkeit über die kommenden vier Jahre garantieren. Im Sommer 2016 wird es dann, so die Vorstellung, auf dem Höhepunkt seiner Kraft angekommen sein und vor allem in den audiovisuellen Medien – Fernsehen, Computer, Smartphone – Bestleistungen erzielen. Ein spannendes Konzept.
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