Warum Design durch die Digitalisierung an Bedeutung gewinnt, erklärt unser Kolumnist Jürgen Siebert.
Der Werbemarkt durchläuft einen fundamentalen Wandel. Schon seit einer Weile wird beklagt, dass Agenturen kaum noch Geld verdienen. Eine der Ursachen ist die Krise der klassischen Medien, denen im Zuge der Digitalisierung Zuschauer und Leser weglaufen. Dazu kommt, dass die Werbemillionen heute überwiegend zu Facebook und Google fließen.
Auch die Berater knabbern am Geschäft der Agenturen. Lange Zeit haben sie die Geschicke großer Unternehmen – und damit auch deren Marketing und Kommunikation – hinter den Kulissen gesteuert, noch bevor die Agenturen es mitbekamen. Diese sind dabei zu simplen Auftragsempfängern der Consultants geworden. Aktuelles Ziel der namhaften Beratungs- und IT-Konzerne ist es, die Wertschöpfungskette komplett zu bedienen, also Consulting plus Umsetzung aus einer Hand. Deshalb schlucken sie seit Monaten Dienstleister im großen Stil: McKinsey etwa schnappt sich die Designagenturen Luna und Veryday, IBM die Digitalagentur Aperto, und Accenture verleibte sich nach Fjord und SinnerSchrader nun auch noch Kolle Rebbe ein.
Was dabei auffällt: Während die Beratungsriesen um klassische Agenturen einen Bogen machen, richten sich ihre Begehrlichkeiten vor allem auf Webdienstleister und Digitalagenturen mit strategischer Beratungskompetenz – denn diese sind in der Lage, digitale Services und Produkte zu entwickeln, die ihren Kunden neue Erlösquellen und Märkte öffnen.
Die Digitalisierung hat aber nicht nur den Medienkonsum verändert, sondern auch die Einstellung zur Werbung. Adblocker und ein schneller Daumen auf dem Mobilgerät blenden nervige Anzeigen in Nullkommanichts aus. Aktuelle Browser verhindern standardmäßig das für digitale Werber essenzielle Abfischen des Userverhaltens. Die Verbraucher sind heute mündiger als je zuvor. Doch nur wenige Marken ziehen den konsequenten Schluss daraus, dass sich Umsätze nur mit den Nutzern und nicht gegen sie generieren lassen.
»Wenn du Design und Kommunikation richtig einsetzt, entsteht bestes Marketing, ganz ohne Mediabudget«
Und hier kommt das Design ins Spiel. Vor zwei Monaten hat IKEAs Designchef Marcus Engman das Möbelhaus verlassen, um unter der Devise »Design will kill Marketing« sein eigenes Beratungsbüro zu gründen. Mit ihm will er Firmen überzeugen, ihr Marketingbudget für das Wesentliche aufzuwenden: Design statt Massenwerbung. »Wenn du Design und Kommunikation richtig einsetzt, entsteht bestes Marketing, ganz ohne Mediabudget.«
Tatsächlich gibt es ein prominentes Vorbild für diese Strategie, ein Unternehmen, das seit seiner Gründung designgetrieben floriert: Apple. Dass Apple (auch) gutes Marketing betreibt, steht außer Frage, ist aber nicht die Grundlage für die Rekordumsätze des Konzerns, der sehr bedacht mit Werbegeldern umgeht. Stattdessen entwickelt Apple zuallererst gut gestaltete Produkte, denen die Firmenbosse persönlich – auf Keynotes und in begleitenden Videos – eine glaubwürdige Story mit auf den Weg geben, deren virale Kraft in allen Medien ihre Wirkung hinterlässt, ohne dass dies bezahlt werden muss. Gut gestaltet heißt übrigens nicht schön geformt, sondern: innovativ, leicht zu bedienen, den Benutzer im Fokus.
In einem von Verbrauchern gelenkten Markt ist Design zu einem maßgeblichen Kaufargument geworden. Mehr und mehr Kunden schenken den Designnarrativen große Aufmerksamkeit, sei es der Kickstarter-Kampagne eines Selfmade-Erfinders oder dem meditativen Monolog eines Jonathan Ive im neusten iPhone-Video. Die Menschen wollen die Intention und den Nutzen hinter den Produkten verstehen, bevor sie kaufen. Designer, nutzt diese Chance!
Das Agenturen Beratungsdienstleistungen anbieten wird der Disziplin Design nicht helfen. Von welchem Design reden wir eigentlich? Produkt-Design ist nicht Kommunikations-Design ist nicht Mode-Design und nicht Service-Design. Auf dem Beratungsmarkt tummeln sich genug kompetente Unternehmen und die haben vertriebs- und vermarktungstechnisch mehr auf dem Kasten als die meisten Agenturen. Diesen Marktanteile abzujagen würde eine grundlegende Änderung der jeweiligen Clientel vorraus setzen. Eine Pull-Strategie, wie Design sie fast immer begleitet, passt aber zu den wenigsten Unternehmen. Das Agenturen den Weg die Beratung wählen zeigt, dass diese nicht mehr wissen woher sie das Geld nehmen sollen, und sich mit den Geldern anderer Arbeit schaffen. Das sie dabei von größeren Unternehmen geschluckt werden ist vollkommen normal, wenn man hart um Kuchenkrümel kämpft. Mit einem Aufstieg des Designs oder gar einer Ablöung des Marketings hat das aber nichts zu tun.
MT schreibt
Au weia. Marcus Engmanns “Devise” macht einem ja echt Angst. Wenn ein ex DesignChef Marketing mit Kommunikation gleichsetzt, dann möchte man von ihm ja unebdingt kompetent beraten weren.
Das Agenturen Beratungsdienstleistungen anbieten wird der Disziplin Design nicht helfen. Von welchem Design reden wir eigentlich? Produkt-Design ist nicht Kommunikations-Design ist nicht Mode-Design und nicht Service-Design. Auf dem Beratungsmarkt tummeln sich genug kompetente Unternehmen und die haben vertriebs- und vermarktungstechnisch mehr auf dem Kasten als die meisten Agenturen. Diesen Marktanteile abzujagen würde eine grundlegende Änderung der jeweiligen Clientel vorraus setzen. Eine Pull-Strategie, wie Design sie fast immer begleitet, passt aber zu den wenigsten Unternehmen. Das Agenturen den Weg die Beratung wählen zeigt, dass diese nicht mehr wissen woher sie das Geld nehmen sollen, und sich mit den Geldern anderer Arbeit schaffen. Das sie dabei von größeren Unternehmen geschluckt werden ist vollkommen normal, wenn man hart um Kuchenkrümel kämpft. Mit einem Aufstieg des Designs oder gar einer Ablöung des Marketings hat das aber nichts zu tun.
Au weia. Marcus Engmanns “Devise” macht einem ja echt Angst. Wenn ein ex DesignChef Marketing mit Kommunikation gleichsetzt, dann möchte man von ihm ja unebdingt kompetent beraten weren.