»Ich mag es, dass die Projekte inhaltlich und formal so unterschiedlich sind«: Was Kommunikationsdesignerin Carmen Vierbacher und ihre Teamleiterin Veronika Kinczli noch an ihrem Job lieben – und was ihn ausmacht …
Kommunikationsdesign ist ein weites Feld, das von Agentur zu Agentur unterschiedlich interpretiert und mit Leben gefüllt wird. Veronika Kinczli, 34, und Carmen Vierbacher, 30, arbeiten als Senior Design Director respektive Communication Designer bei der Münchner Design- und Markenagentur hw.design und verraten, was der Beruf dort mit sich bringt.
Was macht Kommunikationsdesign für euch aus? Veronika Kinczli: Die Disziplin beinhaltet im Grunde alles, was kommuniziert – seien es physische Produkte, Drucksachen, Installationen im Raum, Websites oder Apps. Daher ist das Berufsfeld sehr vielseitig.
»Die Disziplin beinhaltet im Grunde alles, was kommuniziert – seien es physische Produkte, Drucksachen, Installationen im Raum, Websites oder Apps« Veronika Kinczli
Carmen Vierbacher: Kommunikationsdesigner ist ein sehr interdisziplinärer Beruf. Man muss in viele Richtungen denken – und vor allem medienübergreifend.
Wie seid ihr zu diesem Beruf gekommen – und zu hw.design? Kinczli: Ich habe Multi Media Art an der Fachhochschule Salzburg studiert. Der Studiengang ist sehr breit gefächert und umfasst neben Grafikdesign zum Beispiel auch Animation, Film und Audio. Bei einem Auslandssemester an der Westminster University in London konnte ich noch zusätzliche Erfahrungen sammeln. Nach dem Studium bin ich direkt zu hw.design gegangen. Heutzutage wechselt man ja eher schneller den Job, aber ich fühlte mich hier schon immer sehr wohl. Mir war vor allem wichtig, dass Design im Vordergrund steht – eine klassische Werbe- oder Brandingagentur kam für mich nicht in Frage. Die Arbeit hier ist sehr abwechslungsreich. Von Anfang an konnte ich an einer Vielzahl von Projekten arbeiten – Messen, Bücher, Kunstprojekte et cetera. Ich konnte mich ausprobieren und habe viel gelernt. Mit der Zeit bekam ich dann immer mehr Verantwortung und bin heute Senior Design Director.
Vierbacher: Ich habe eine Ausbildung zur Mediengestalterin gemacht und dabei festgestellt, dass man damit schnell an Grenzen gerät. Man bekommt zwar einen guten Einblick in die Technik, arbeitet aber wenig kreativ und konzeptionell. Also habe ich anschließend Kommunikationsdesign an der HAW Hamburg und am Shenkar College of Engineering and Design in Tel Aviv studiert. Nach meinem Studium habe ich bei xhoch4 in München und Studio Andreas Heller in Hamburg gearbeitet und bin dann Mitte 2016 als Kommunikationsdesignerin zu hw.design gekommen.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei euch aus? Gibt es den überhaupt? Kinczli: In dem Sinne, dass man jeden Tag das Gleiche macht, auf keinen Fall. Es kommt immer darauf an, in welcher Projektphase man gerade steckt. Die Inhalte erstrecken sich von der Konzeption und Ideenfindung über Gestaltung und Layout bis zur Umsetzung im Druck und so weiter. Natürlich gibt es auch viele Meetings, Abstimmungstermine oder Präsentationen beim Kunden. Ab und zu betreuen wir außerdem Shootings. Erst kürzlich war ich zum Beispiel in Italien bei einem Shooting auf einem Weingut. Das macht viel Spaß, ist aber auch anstrengend.
Du betreust Projekte also von Anfang bis Ende? Kinczli: Genau. Als Senior Design Director betreue ich alle Steps in unterschiedlichen Intensitäten – je nachdem was gerade erforderlich ist und wie das Projektteam zusammengesetzt ist.
»Briefings sind heute oft sehr unkonkret, sodass man am Anfang tiefer einsteigen und den Auftraggeber mit einbinden muss« Veronika Kinczli
Wer gehört denn generell zu so einem Projektteam? Kinczli: Das hängt natürlich von der Größe des Projekts ab. Neben uns Kommunikationsdesignern ist immer ein Projektmanager dabei, der die Koordination übernimmt und Timing sowie Kosten im Blick hat. In manchen Projekten unterstützt uns zudem eine Strategin oder auch das Digitalteam. Dann kommt punktuell unser Spezialist für alle Produktionsthemen dazu, der uns etwa bei Fragen rund um den Druck unterstützt. Außerdem gibt es eine Reinzeichnung und die Litho-Abteilung, die sich um Fotos kümmert.
Wo ist der Kommunikationsdesigner in so einem Team verortet? Kinczli: Das hängt von der Position ab. Als Senior Design Director arbeite ich überwiegend konzeptionell. Ich entwickle gemeinsam mit meinem Team Ideen und die Gestaltung und betreue die Umsetzung bis zum Schluss. Dabei bin ich immer die letzte Instanz bevor etwas raus zum Kunden geht. In meiner Position ist es sehr wichtig, alles im Blick zu haben, immer den aktuellen Stand zu kennen und zu wissen, was wann fertig sein muss, damit man das Team entsprechend leiten und steuern kann. Der Junior oder Kommunikationsdesigner ist je nach Erfahrung für bestimmte Teilaufgaben eines Projektes verantwortlich.
An welcher Art von Projekten arbeitet ihr konkret? Kinczli: Für den international tätigen Korkenhersteller Vinventions haben wir gerade ein Logosystem entwickelt und die Marke strategisch neu positioniert. Neben dem Unternehmenslogo gehörten dazu auch sechs Produktlogos, die durch eine übergreifende Idee verbunden sind. Das war eine große Herausforderung – auch weil das Projekt von einem internationalen Team begleitet wurde. Nun sind wir dabei, diverse Umsetzungen, wie ein animiertes Logo, die Bildwelt und das Corporate Design zu entwickeln.
Mit welchen Programmen und Tools arbeitet ihr regelmäßig? Vierbacher: Wir arbeiten zu 80 Prozent mit InDesign, dazu kommen Photoshop, Illustrator und Sketch sowie Keynote für Präsentationen. In der Zusammenarbeit mit Kunden müssen es auch mal Word und Excel sein.
Wie organisiert ihr die Zusammenarbeit mit Kunden? Kinczli: Auch das variiert von Auftrag zu Auftrag. Bei großen Projekten, die ein halbes Jahr oder länger dauern, sind regelmäßige Jours fixes nötig, um den Kunden einzubinden und mitzunehmen. Manchmal erarbeiten wir auch Aufgabenstellungen und Konzepte in gemeinsamen Design-Thinking-Workshops. In diesem interaktiven Format finden wir heraus, was den Kunden beschäftigt und was er genau braucht. Briefings sind heute oft sehr unkonkret, sodass man am Anfang tiefer einsteigen und den Auftraggeber mit einbinden muss. Dafür eignen sich Workshops am besten, und viele unserer Kunden freuen sich sehr über dieses Angebot. Es ist eine tolle Gelegenheit, um frei und offen über Themen zu sprechen. So lassen sich neue Ideen und Herausforderungen gemeinsam angehen, und man schaut über seinen Tellerrand hinaus.
Präsentiert ihr auch vorm Kunden? Kinczli: Das machen entweder wir, der Projektmanager oder auch die Geschäftsführung – je nach Auftrag. Dabei kommt es auch immer darauf an, wie tief man als Kommunikationsdesigner im Projekt steckt. Wenn ich ein Projekt von Grund auf begleitet habe und leite, gehe ich natürlich mit zum Kunden und präsentiere es, weil ich am besten im Thema bin.
Welche Kompetenzen muss ein Kom- munikationsdesigner mitbringen – fachlich und persönlich? Vierbacher: Man darf auf keinen Fall ein Ego-Typ sein, sondern muss gut im Team arbeiten können. Manchmal braucht man auch Ausdauer. Als Kommunikationsdesigner darf man sich nicht unterkriegen lassen oder es persönlich nehmen, wenn Ideen oder Konzepte abgelehnt werden oder geändert werden müssen. Am besten fragt man sich selbst immer wieder, ob man die beste Lösung für den Kunden gefunden hat – oder ob man es noch mal anders angehen sollte. Manchen Bewerbern fehlt auch technisches Know-how. Man sollte schon wissen, wie Dinge funktionieren, was technisch machbar ist und was nicht. Das gilt besonders für den digitalen Bereich. Letztlich muss eine Idee oder ein Konzept heute auf allen Kanälen funktionieren – egal ob ich meinen Schwerpunkt in Print oder Digital habe.
»Man darf auf keinen Fall ein Ego-Typ sein, sondern muss gut im Team arbeiten können« Carmen Vierbacher
Kinczli: Für uns ist es ganz wichtig, dass Leute einfach Lust an Gestaltung und Design haben. Es macht viel mehr Spaß mit Kollegen zu arbeiten, die Design leben, die immer wieder Neues ausprobieren und an guten Ideen arbeiten möchten. Design und Designqualität beziehungsweise außergewöhnliches Design sind in unserer Agentur sehr hoch aufgehängt. Wir wollen ungewöhnliche Lösungen entwickeln, die auch für unsere Kunden etwas Besonderes sind.
Wie weit sollte die Technikkenntnis gehen? Müssen Berufseinsteiger programmieren können? Vierbacher: Wenn man im Onlineteam arbeitet, schadet es natürlich nicht, aber es ist keine Voraussetzung. Für die richtige Programmierung arbeiten wir mit externen Partnern zusammen. Bei uns geht es eher um Ideen und Kreation, nicht um die technische Entwicklung.
Traditionell gibt es ja eine Trennung zwischen Print- und Digital Design. Existiert die noch oder ist das passé? Kinczli: Das hängt ehrlich gesagt oft mit dem Alter eines Gestalters zusammen. In meiner Ausbildung hat Online noch keine so große Rolle gespielt wie heute. Ich bin deshalb eher printorientiert und arbeite bei hw.design im Printteam, wie Carmen auch. Aber die Leute, die jetzt von der Uni kommen, sind meistens in beiden Bereichen versiert und einsetzbar.
Wie eng ist der Austausch zwischen Print- und Online-Team? Kinczli: Die beiden Bereiche arbeiten sehr eng zusammen. Idee und Konzept kommen mal von der einen, mal von der anderen Seite oder werden von Anfang an gemeinsam erarbeitet. Die Umsetzung erfolgt dann in den jeweiligen Teams – aber stets in enger Absprache mit den Kollegen.
Hw.design bringt das Printmagazin »nomad« heraus. Seid ihr daran beteiligt? Kinczli: Ja! Gemeinsam mit Frank Wagner habe ich das Magazin vor eineinhalb Jahren entwickelt und ins Leben gerufen. Wir beide betreuen »nomad« maßgeblich. Die gesamte Gestaltung kommt von mir. Es war schon immer ein Traum von mir ein Magazin zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Es macht riesigen Spaß, all die Themen und Beiträge zu recherchieren. Man bekommt viel neuen Input, was irrsinnig toll ist. Und das Heft am Kiosk zu sehen, ist immer wieder ein schönes Gefühl.
Was gefällt euch an eurem Beruf besonders? Vierbacher: Ich mag es, dass die Projekte inhaltlich und formal so unterschiedlich sind und man in alle Richtungen denken kann. Ob Print, Digital oder Kommunikation im Raum: Es gibt keine Grenzen!
Kinczli: Ja, die Vielfalt ist etwas Besonderes an unserem Job. Man kann in so viele Branchen und Themen eintauchen – zum Beispiel in die Funktionsweise eines Zementwerks! Oft muss man sich in ganz neue, mitunter sehr komplexe Sachverhalte eindenken und Konzepte dafür entwickeln. Außerdem können wir immer wieder neue Medien und Technologien ausprobieren. Es wird nie langweilig.
»Wenn man gut sein möchte, muss man schon viel Zeit investieren« Veronika Kinczli
Gibt es auch negative Aspekte? Kinczli: Wenn man gut sein möchte, muss man schon viel Zeit investieren. Und manchmal ist es frustrierend, wenn Kunden nicht mutig genug sind für innovative und kreative Lösungen.
In welche Richtung wird sich der Beruf eurer Meinung nach entwickeln? Kinczli: Digitalthemen werden natürlich immer wichtiger. Doch auch hochqualitative Printprodukte sind nach wie vor gefragt. Viele Menschen sehnen sich nach der Haptik und Qualität guter Druckerzeugnisse. Spannend ist auch, dass die Onlinegestaltung immer einfacher und zugänglicher wird. Die Qualität steigt außerdem stetig, etwa dank Web-Fonts, was das Medium viel spannender macht als früher.
Vierbacher: Interdisziplinäres und ganzheitliches Denken wird auch in unserem Job immer wichtiger. Eine Idee muss auf jedes Medium anwendbar sein und überall funktionieren.
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