PAGE online

»Das Konstrukt Accenture Song funktioniert«

David Droga ist seit August 2021 CEO von Accenture Song. Wir sprachen mit ihm darüber, warum es wichtig ist, dass ein Kreativer diesen Posten innehat – und welche Rolle Design in dem Unternehmen spielt.

David Droga im Gespräch mit PAGE
David Droga im Gespräch mit PAGE Bild: Paul Carrera für Accenture Song

David Droga ist einer der meist ausgezeichneten Werber der Welt – mit 54 hat er sogar schon zwei Auszeichnungen für sein Lebenswerk. Umso überraschender war es für viele, dass er 2019 nicht nur seine sehr erfolgreiche Agentur Droga5 an Accenture verkauft hat, sondern dass er 2021 CEO von Accenture Song wurde (damals noch Accenture Interactive), unter dessen Dach das Beratungsunternehmen seine Kreativagenturen weltweit bündelt.

Wir trafen ihn in den Räumlichkeiten von Accenture Song in Hamburg Ottensen (ehemals SinnerSchrader), als er auf einer Stippvisite bei den deutschen Standorten war, und sprachen mit ihm darüber, warum er Accenture Song für das Modell der Zukunft hält – und warum er nicht einfach in Rente gegangen ist.

Inhaltsverzeichnis

PAGE: Sie sind jetzt seit eineinhalb Jahren CEO von Accenture Song. Ist es so, wie Sie es sich vorgestellt haben? Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?

David Droga: Ich lerne immer noch jeden Tag dazu. Die Größenordnung ist immens. Manche Dinge bewegen sich sehr dynamisch und schnell, bei anderen würde ich mir ein bisschen mehr Tempo wünschen. Es ist toll zu sehen, wie groß und divers unser Team weltweit ist und welchen Impact wir über verschiedene Kunden hinweg haben. Ich habe meine Zeit in der Werbung sehr genossen, aber es ist auch eine tolle Erfahrung, jetzt dieses größere Spielfeld zu haben. Für mich ist es gut, wieder aufgeregt und ein bisschen eingeschüchtert zu sein.

Wie tief steigen Sie in die Märkte ein? Kennen Sie die einzelnen Agenturen?

Ich versuche mein Bestes. Ich bin immer noch sehr an unseren Kunden und unserem Output interessiert. Gleichzeitig muss ich als CEO natürlich das große Ganze im Blick haben. Mein Job ist es, dass wir als Einheit gut strukturiert sind und zusammenarbeiten. Im Leadership-Team tauschen wir uns deshalb regelmäßig aus. Dazu gehören auch Trips wie dieser, bei dem ich verschiedene Standorte besuche.

Accenture Song und Droga5

Es ist jetzt ein Jahr her, dass Accenture seine Kreativagenturen unter dem Namen Accenture Song zusammengefasst hat. In Deutschland gingen damals traditionelle Namen wie SinnerSchrader, Kolle Rebbe und Mackevision verloren. Das hat bei vielen für Bestürzung gesorgt, einige haben die Agenturen verlassen.

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass dieser Schritt richtig und wichtig war. Die Umstellung ist noch nicht komplett abgeschlossen. Es ist eine Sache, den Namen und das Logo zu ändern. Es ist eine andere Sache, alle auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Ich verstehe, dass das für viele Menschen emotional ist, denn wir hatten sehr starke lokale Marken. Ich respektiere das und weiß das Engagement zu schätzen. Aber mein Job ist es Entscheidungen zu treffen, von denen ich denke, dass sie das Beste für unser Business sind. Und ich glaube, dass wir als starke Einheit mehr bewegen können als die einzelnen Marken in ihren jeweiligen Gewerken und Märkten. Außerdem ist es ein viel klareres Angebot für unsere Kunden.

Wieso darf Droga5 seinen Namen behalten?

Das hat nichts mit meinem Nachnamen zu tun, falls Sie das denken. Sondern damit, das Droga5 die einzige globale Marke in diesem Konstrukt ist – und dazu sehr bekannt. Wenn Accenture Song sich so weiterentwickelt wie gewünscht, ist es nicht auszuschließen, dass auch Droga5 darin aufgehen wird. Da ist nichts in Stein gemeißelt. Die Zahlen zeigen übrigens, dass das neue Konstrukt funktioniert: Vor der Umstellung auf Accenture Song hatten wir 12,5 Mrd. Umsatz, das letzte Geschäftsjahr haben wir mit 16 Mrd. abgeschlossen. Ich bin überzeugt, dass das auch daran liegt, dass wir jetzt als ein einheitliches Serviceunternehmen auftreten. Kunden kümmern sich nicht um einzelne Gewerke, sie wollen eine end-to-end-Expertise und konsistenten Output. Das bekommen sie bei uns.

Von außen ist es nicht ganz leicht zu durchschauen, wie das Konstrukt funktioniert. Treten die einzelnen Agenturen noch als Dienstleister auf oder sind sie eher der kreative Arm im Beratungsangebot von Accenture?

Sie sind jetzt wesentlich integrierter. Jede hat nach wie vor ihre Expertise, bietet diese aber nicht mehr als Stand-alone an. Sie stehen alle unter derselben Gewinn-und-Verlust-Rechnung und sind deshalb keine Konkurrenten mehr. Mit diesem Konstrukt richten wir uns nach den Bedürfnissen des Kunden, der sich ein möglichst nahtloses Angebot von uns wünscht.

Das gilt dann hauptsächlich für große Kunden, die mehrere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, oder?

Im Grunde ja. Aber jedes Unternehmen ist heutzutage ein Digitalunternehmen. Und CMOs sind nicht mehr nur für klassisches Marketing zuständig, sondern letztlich für alle Kunden-Touchpoints. Accenture vereint alle Skills, die es dafür braucht: Design und Kommunikation ebenso wie Data- und Technologie-Kompetenz. Für mich ist das eine tolle Möglichkeit, um Kreativität in Wert zu setzen. Wir gestalten nicht mehr nur das Interface oder eine Kampagne, sondern wir sind viel mehr involviert und decken als Accenture Song alle möglichen Facetten ab.

Kultur und Design bei Accenture Song

Die gemeinschaftliche Arbeit mit der Unternehmensberatung liegt nicht allen Kreativen. Clashen die Kulturen nicht zu sehr?

Für mich geht es dabei eher um die Frage, ob man sich weiterentwickeln möchte oder nicht. Ich habe den Deal mit Accenture damals nicht gemacht, weil ich wollte, dass Droga5 so bleibt, wie es war. Ich wollte ausloten, wohin sich die Kreativindustrie entwickeln kann. Das ist eine Art Obsession von mir: Ich möchte wissen, wo die Reise hingeht. Und ich setze auf Leute, die diese Obsession teilen. Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin dankbar für alle, die unsere Agenturen mit aufgebaut und entwickelt haben. Und ich respektiere die Entscheidung, diesen Weg nicht mitzugehen. Aber unser Job ist es dafür zu sorgen, dass unsere Kunden relevant bleiben. Was gestern funktioniert hat, reicht heute und morgen nicht mehr.

Welche Rolle spielt Design bei Accenture Song?

Design ist eine unserer vier Säulen, neben Kommunikation, Data Intelligence und Technologie. Wir beschäftigen tausende von Designer:innen, die das komplette Spektrum von Business Design über digitales Produktdesign bis hin zu Grafikdesign abdecken. Ich glaube, die Zeit für Design war nie besser als heute. Dinge nicht nur funktional zu gestalten, sondern simpel, nutzbar, schön und sinnstiftend, ist heute wichtiger denn je. Meine Aufgabe bei Accenture Song ist es, Design den nötigen Einfluss zu verschaffen, damit es nicht nur eine schöne Tapete ist.

Was sind Ihre langfristigen Pläne für Accenture Song?

Ich möchte zeigen, wie mächtig Technologie und Kreativität zusammen sind. Mein Ziel ist, dass wir der beste Problemlöser für unsere Kunden sind, dass wir ihr Geschäft positiv beeinflussen und gleichzeitig verantwortungsbewusst gegenüber der Gesellschaft und dem Planeten handeln. Denn nur so werden wir die besten Leute aus den verschiedenen Bereichen für uns gewinnen. Ich möchte, dass die besten Designer:innen, die besten Entwickler:innen und die besten Geschichtenerzähler:innen wissen, dass sie bei uns nicht am Kindertisch sitzen, sondern echten Impact haben.

Nick Law, Sean Lyons – Sie scheinen beim Recruiting von hochkarätigen Talenten sehr erfolgreich zu sein.

Ich würde gerne sagen, dass das an meinem unwiderstehlichen Charme liegt. Aber es ist eher so, dass diese Leute erkannt haben, was sie hier erreichen können. Es ist sicherlich um einiges anstrengender als in der gewohnten Umgebung zu bleiben, also dem Designstudio oder der Werbeagentur. Dafür hat man bei Accenture Song die Chance, ganze Industrien zu verändern. Das bringt natürlich auch Druck mit sich – aber ich liebe das. Und es geht eben nicht nur um Skalierbarkeit und Rentabilität, sondern auch darum, Qualität und Integrität nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Diversität der Projekte, an denen wir arbeiten, ist einfach unschlagbar.

[Hier geht es zu unserem Interview mit Nick Law.]

KI in der Kreativbranche

Kreative Arbeit steht gerade von ganz anderer Seite unter Druck: generative KI. Was glaube Sie, wie diese Technologie die Kreativbranche verändern wird?

Das Tempo, in dem sich die Technologie entwickelt, ist unglaublich. Ich bin begeistert und gleichzeitig ein bisschen nervös. Aber letztlich ist und bleibt KI ein Tool. Man kann das Ganze entweder verängstigt vom Rand beobachten oder man beschäftigt sich damit, wie man es einsetzen und beeinflussen kann. Was kreativen Output betrifft, wird KI den mittelmäßigen Durchschnitt ersetzen. Was sie aber nicht kann, sind Nuancen und Originalität. Kreativität findet immer einen Weg, Dinge interessanter zu machen. Natürlich wird KI einen immensen Einfluss auf Coding und Content-Erstellung haben. Es liegt an uns, unseren Platz dabei zu finden.

Und wie wirkt sich KI auf das Geschäft von Accenture aus?

Accenture war in diesem Bereich schon lange unterwegs, bevor alle darüber sprachen. Wir beraten vor allem unsere Kunden, welche Chancen und Risiken KI für ihr Geschäft bedeutet. Für unseren Output bei Accenture Song bedeutet es, dass wir manchen Content schneller erstellen können – aber KI wird die High-End-Produktion nicht ersetzen.

Diversität bei Accenture Song

Wie schätzen Sie den deutschen Kreativmarkt ein? Wollen Sie weitere Agenturen übernehmen?

Ich finde die kreative Arbeit beeindruckend, die hier entsteht. Die Deutschen haben nicht nur gute Ideen, sie können sie auch gut umsetzen. Was weitere Akquisitionen angeht: Ich glaube, im Bereich Kreation sind wir derzeit gut aufgestellt. Interessanter wären momentan Unternehmen aus der Sparte Data Intelligence. Wir schauen uns auch andere Branchen an – aber darüber kann ich noch nicht sprechen. Generell haben wir bereits das größte und diverseste Spektrum an Fähigkeiten im Markt – und können intern vieles weiter ausbauen.

Apropos Diversität: Im Leadership-Team von Accenture Song ist es darum eher schlecht bestellt.

Das ist ein Thema, über das wir intern viel gesprochen und auch schon Schritte unternommen haben. Im vergangenen Jahr haben wir Veränderungen vorgenommen und innerhalb der nächsten sechs Monate wird es hier weitere Veränderungen geben – nicht nur, was den Frauenanteil angeht. Gerade Kreativität ist etwas, das von einer Vielzahl an Perspektiven lebt. Im gesamten Unternehmen ist die Diversität sehr viel besser abgebildet – Accenture engagiert sich sehr für Inklusion und Vielfalt, aber was die Führungsebene von Accenture Song angeht, haben wir Nachholbedarf, ja.

David Droga: Karriere und Pläne

Sie haben schon einige Jahre in der Kreativbranche verbracht und haben bereits zwei Auszeichnungen für Ihr Lebenswerk bekommen. Haben Sie das Gefühl, angekommen zu sein – oder überraschen Sie uns demnächst mit einem erneuten Wechsel?

Ich habe meinen Werdegang nie geplant, sondern hatte einfach immer den Wunsch, etwas von Relevanz zu tun. Ich messe meinen Erfolg nicht an Auszeichnungen – was nicht heißt, dass ich mich nicht darüber freue. CEO von Accenture Song zu werden war eine Möglichkeit, mich nochmal herauszufordern. Viele meiner Freunde konnten es nicht fassen, dass ich nicht in Rente gegangen bin. Ich kann es selbst kaum fassen! Aber ich finde es wichtig, dass eine kreative Person diesen Posten innehat, denn wir stoßen oft an eine Decke, wenn es um Positionen in der Unternehmensführung geht.

Sie haben den Posten also im Namen aller Kreativen angenommen.

Kreative sollten ein Mitspracherecht auf C-Level haben. Wir geben nicht nur andere Antworten – wir stellen andere Fragen. Wir messen den Wert unserer Arbeit nicht an Zahlen und Dollars, sondern an der Qualität des Outputs und seinem kulturellen Einfluss. Solange ich das Gefühl habe, dass ich in dieser Position etwas bewegen kann und die nötige Unterstützung bekomme, werde ich das auch weiterhin machen.

David Droga in der Hamburger Speicherstadt
David Droga in der Hamburger Speicherstadt. Dort befindet sich ein weiterer Standort von Accenture Song (ehemals Kolle Rebbe) Bild: Paul Carrera für Accenture Song

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren