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»Architekten und Gestalter sprechen eine ähnliche Sprache«

Gilles Bachmann und Helen Hüsser von Notice Design arbeiten gern und oft mit Architekten zusammen. Woran das liegt, erzählen sie im Interview.

Helen Hüsser Architekten-Erscheinungsbilder Interview

Gilles Bachmann und Helen Hüsser, Gründer der Designagentur Notice in Zürich, entwickeln häufig Visual Identities für Architekturbüros. Wir sprachen mit Helen Hüsser darüber, welche Trends und Eigenheiten sie dabei beobachten – und wo die Chancen für Gestalter liegen.

PAGE: Ihr habt schon für etliche Architekten Erscheinungsbilder entwickelt. Wie hat sich dieser Schwerpunkt ergeben?
Helen Hüsser: Wir haben über viele Jahre in Bürogemeinschaften mit Architekten gearbeitet. Außerdem sind wir mit einigen befreundet. Die ideelle Nähe zwischen Architekten und visuellen Gestaltern ist groß. Wir sprechen eine ähnliche Sprache und verstehen uns inhaltlich gut. Zudem zieht unser Portfolio offenbar immer weitere Aufträge an. Architekten haben wir kaum akquiriert, fast alle haben sich über Empfehlungen oder Netzrecherchen an uns gewandt.

Worauf legen Architekten besonders viel Wert, wenn es um ihre Identities geht?

Bei vielen Büros gilt das Credo: wenig Schnörkel, formal sachlich, farblich dezent. Ein eigentliches Logo oder eine Bildmarke wird kaum gewünscht, viele möchten einen Schriftzug ohne große gestalterische Eingriffe. Darum ist die Wahl der Typografie als stilbildendes Element entscheidend. Ein Grund für diese Zurückhaltung könnte sein, dass man sich nicht allzu sehr aus dem Fenster lehnen will und dass Trends und persönlicher Geschmack in der Branche eher negativ befrachtet sind. Da bleibt man lieber neutral. In Bezug auf die Positionierung und Eigenständigkeit ist diese Haltung nicht unbedingt ideal. Und manchmal vermissen wir etwas den Mut zum Ungewöhnlichen. Viele Büros treten zwar ästhetisch einwandfrei auf, reihen sich aber optisch ein unter die vielen anderen. Doch jede Branche hat ihre Eigenheiten, und bei den Architekten ist es eben dieser Hang zum Sachlich-Neutralen.

Der Schwarzweiß-Minimalismus hält sich unter Architekten relativ hartnäckig, oder? Welche neuen Trends seht ihr?

Wir beobachten seit ein paar Jahren einen Generationenwechsel. Davor war die Schwarz-Phase tatsächlich sehr dominant. Das hat sich mit den jungen Architekten gewandelt. Das Büro Mirlo Urbano, mit dem wir zusammenarbeiten, hat zum Beispiel von Anfang an ein Erscheinungsbild mit Ecken und Kanten begrüßt. Das Team war beratungsoffen und hat sich in eine eigenständige Richtung führen lassen. Ein Schuss gesundes Selbstvertrauen und Selbstironie spielt dabei mit – man muss nicht allen gefallen. Diese Haltung beobachten wir bei jüngeren Büros zunehmend.

Ist es schwer, Architekten für ungewöhnlichere Designs zu begeistern?

Überzeugungsarbeit leisten wir heute weniger bei formalen Themen, sondern eher bei der Kommunikation. Ein Großteil der Büros zeigt im Onlineauftritt das Portfolio, das Team und allenfalls ein paar Presseartikel. Weitere Inhalte finden sich kaum. Jede andere Branche macht sich größte Gedanken, mit welchem Content sie ihre Auftraggeber von sich überzeugen kann. Architekten sind da sehr zurückhaltend. Allerdings muss man einräumen, dass Entwurfsarchitekten, die ihre Aufträge aus Wettbewerben generieren, tatsächlich primär mit ihrem Portfolio punkten. Wir beobachten darum große Unterschiede zu denjenigen, die Direktaufträge erhalten. Letztere verstehen sich eher als Dienstleister und verhalten sich kommunikativ viel agiler.

Wie würdet ihr die Zusammenarbeit zwischen Architekten und Gestaltern beschreiben? Was ergänzt sich gut, wo liegen die Herausforderungen?
In ästhetischer Hinsicht ist es wunderbar. Begründungen und Herleitungen ästhetischer Natur werden sofort verstanden, man muss wenig Übersetzungsarbeit leisten. Es kann passieren, dass sich ein Architekt als Auftraggeber auch mal im Detail verirrt und das große Ganze aus den Augen verliert. Doch damit haben wir kaum Probleme, denn das Coachen des gestalterischen Prozesses ist eine zentrale Aufgabe in unserem Beruf. Eine interessante strukturelle Spezialität bei Architekturbüros beobachten wir seit Jahren – die demokratische Entscheidungsfindung. Anders als in vielen kleinen und mittleren Unternehmen anderer Branchen besprechen Architektenteams Entwürfe in größeren Gremien. Das kann eine Projekt schon mal in die Länge ziehen oder eine Idee verwässern. Doch alles in allem gehören Architekten zu unseren bevorzugten Auftraggebern bei Designprojekten, da wir den gemeinsamen gestaltenden Hintergrund und die Kollegialität sehr schätzen.

Ungewöhnliche Architekten-Erscheinungsbilder (auch von Notice Design!) zeigen wir hier.

Das Interview ist in PAGE 10.17 erschienen, die Ausgabe ist hier erhältlich.

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