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Agenturen besinnen sich wieder auf die eigenen Leute

Und stellen weniger von extern ein. Der Trend scheint aus der Not heraus geboren, bringt aber viele Vorteile mit sich. Welche das sind, verrät W&V-Kollege Conrad Breyer.

Von einer "Trendwende im Agenturmarkt" spricht W&V-Kollege Conrad Breyer
Von einer »Trendwende im Agenturmarkt« spricht W&V-Kollege Conrad Breyer

»KNSK beruft Friedrich Küpper zum Executive Creative Director«. Das meldete die Hamburger Agentur letztens in einer Pressemitteilung.

Friedrich wer? Küpper mag nicht zu den bekanntesten Kreativen der Republik gehören, aber das macht ihn für KNSK nicht minder wertvoll. »Friedrich ist nicht nur ein toller Kreativer, sondern auch ein hervorragender Stratege. Wo anderen der Kopf explodiert, fängt für ihn der Spaß erst richtig an«, sagt Florentin Hock, Geschäftsführer Kreation bei KNSK. Die Kolleg:innen schätzten ihn für seinen kreativen Anspruch und seinen unbedingten Willen, auch komplizierte Sachverhalte unterhaltsam auf den Punkt zu bringen. Der Mann muss großartig sein.

Hoch hinaus nach 14 Jahren

Etwas anderes noch ist an dieser Personalie interessant. Friedrich Küpper ist bereits seit 2010 bei KNSK beschäftigt. Nach 14 Jahren also wird er ins Kreativteam Hocks berufen.

Intern Karriere machen nach so langer Zeit?! Ist ungewöhnlich für eine Branche, die sich gerne mit Namen kreativer Stars schmückt, die sie teuer einkauft und dann in der Regel bald wieder ziehen lassen muss.

Die Meldung zu Küpper markiert in dieser Hinsicht eine Wende. Nicht bei KNSK wohlgemerkt: Da haben sie in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe interner Kräfte befördert. »Ich finde, es sollte viel mehr Energie in das Halten und Entwickeln unserer Talente fließen«, sagt Kim Notz, CEO der Agenturgruppe.

Rückbesinnung auf die eigenen Leute

Aber Friedrich Küpper ist eben nicht die einzige Neubesetzung, die uns in diesen Wochen erreicht. Besinnen sich Agenturen jetzt wieder auf ihre langjährigen Mitarbeiter:innen? Das wäre gut! Warum? Dazu gleich mehr.

Dieser Trend, sagt Marisa Brenner, Senior Human Resources Manager der McCann Worldgroup in Düsseldorf, habe an Bedeutung gewonnen. Auch ihre Agentur folge dieser Prämisse seit Langem und sie verweist auf ihren CEO.

KNSK beruft Friedrich Küpper zum Executive Creative Director
Friedrich Küpper | Foto: KNSK

Der sagt: »Seitdem ich vor zwei Jahren meinen Job angetreten habe, wollte ich mir unsere Talente genau ansehen, bevor ich Personalentscheidungen gefällt habe«, sagt Jan-Philipp Jahn, CEO von McCann Germany. »Von: ‘Wo sind die hidden gems, die ihr Licht vielleicht bislang unter den Scheffel gestellt haben?’ bis zu: ‘Wie können wir die High Performer weiter pushen?’ Es ist heutzutage ein essenzielles Element von Human Resources, auf Personalentwicklung zu setzen, statt nur auf Externe zu schielen.«

Die Gründe: Unter anderem Sparzwänge

Wie das kommt, ist schnell erklärt. Zwar erhole sich der Arbeitsmarkt seit einiger Zeit für Agenturen merklich, aber lange war der eben sehr angespannt. »Da musste man sich Gedanken machen, wie man Talente hält«, sagt Marisa Brenner.

In der aktuellen Wirtschaftslage ist das auch ein Kostenfaktor. Der Druck war immer da. Jetzt, da weniger Neugeschäft reinkommt, Bestandskunden ihre Budgets kürzen, Projekte verschieben oder gleich ganz absagen, müssen Agenturen sparen. Und jede:r weiß, wie teuer das Anheuern externer Arbeitskräfte ist. McCann-Chef Jahn spricht von 10.000 Euro, die es koste, jemand Neues zu finden, zu verpflichten und zu integrieren.

Die Vorteile: Vertrauen, Verlässlichkeit, Loyalität

Der Blick nach innen bringt aber auch handfeste Vorteile: Die Kunden sind glücklich, wenn sie weniger Fluktuation ertragen müssen, und ihre Ansprechpartner:innen deren Probleme kennen, vor allem: verstehen. Wer lange dabei ist, schafft das in der Regel besser.

Auch die Teams selbst sind zufriedener, weil sie sich nicht ständig auf neue Kolleg:innen einstellen müssen. »Am Ende spielen in unserem Job Vertrauen, Verlässlichkeit und Loyalität eine große Rolle«, meint Kim Notz.

Zudem deckt sich die Entwicklung mit den Wünschen der Belegschaft. In unsicheren Zeiten wie diesen wünschen sich viele Stabilität. Denn jeder Jobwechsel birgt finanzielle Risiken.

Außerdem motiviert die Aussicht auf eine interne Karriere ungemein, wie Tim Stübane erklärt, Mitgründer von The Goodwins in Berlin. »Auch wir setzen, wenn möglich, auf interne Power. Wie toll ist es, Mitarbeitenden persönliches Wachstum zu ermöglichen und dabei begleiten zu können!«

Am Ende entscheidet die Kultur

Nicht zuletzt fördert die Bindung von motivierten Key Playern die Kultur. Und Kultur ist, bei einem doch recht ähnlichen Geschäftsmodell, der einzige USP einer Agentur. »Es sind immer die Menschen, die eine Agentur ausmachen, man stellt ja nichts her«, sagt die Leadership-Beraterin Gianna Possehl von Basic Coaching & Consulting.

Und das ist gut: Zahlreiche Studien belegen, dass der wirtschaftliche Erfolg eines jeden Unternehmens eng mit dessen Kultur verknüpft ist.

Mangel an professionellem HR-Management

Allerdings fehlt es vielen Agenturen an strategischen Personalentwicklungsprogrammen. »Leadership« falle ja nicht vom Himmel, sagt Gianna Possehl. Es brauche die Tools, vor allem aber das Mindset, Dinge angehen, ausprobieren und ändern zu wollen. »Wir müssen eine Kultur des kontinuierlichen Lernens etablieren, auch um wettbewerbsfähig zu bleiben.«

Natürlich benötigt jede Agentur auch mal frisches Blut von außen, neuen Elan, andere Perspektiven. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie erfolgreich etwa neue Kreativchefs ganze Teams neu anzünden können – einfach, weil sie einen anderen Blick auf die Belegschaft haben.

Alte versus Neue: Die Balance macht’s

McCann war so ein Fall: Von Sebastian Hardieck über Götz Ulmer – jedes Mal hat sich die Kreativbilanz des Networks ein bisschen verbessert. In Cannes standen sie beim W&V-Ranking 2023 zuletzt auf Platz vier.

Allerdings hatte sich die Agentur nach Ulmers Ausstieg dann für eine interne (!) Neubesetzung der Stelle entschieden. Die drei Kreativen Donovan »Don« Bryan, Alexander Holtz und Evelyn Stifter führen seit Frühjahr 2023 die Kreation. Sie haben mit Ulmer eng zusammengearbeitet und bauen auf diesem Fundament auf. Weil sie Eigengewächse sind, trauen sich die Kolleg:innen auch, auf Augenhöhe mit ihren eigentlich ja Vorgesetzten umzugehen.

»Die ganze Agentur mit Don und Evelyn kreativ zu leiten, habe ich nicht kommen sehen«, sagt Alexander Holtz. Anfangs habe er zugesagt, ohne zu wissen, wie groß das Ausmaß der Aufgaben sein würde. Im vergangenen Jahr mussten sie erstmal die Grundlagen schaffen. Aber Holtz findet: »Das Modell ist den Versuch wert.«

(Text: Conrad Breyer)

Dieser Artikel erschien zuerst bei W&V, dem führenden Magazin für die Marketingbranche. W&V bietet Markenmacher:innen Wissen, Trends, Weiterbildung und Inspiration aus einer Hand. Schau doch mal bei W&V vorbei!

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