Jürgen Siebert über die (unheimliche) Zukunft der Roboterkommunikation
Der erste Roboter, mit dem ich mich anfreundete, hieß »Der Magische Roboter«. Er war aus metallic-grünem Plastik, 10 Zentimeter hoch, hatte einen Stahlzeigestock in der Hand und rotierte auf einer Spiegelfläche. Um ihn herum eine Art Zifferblatt mit den 16 Antworten zu 16 Fragen, die auf der linken Spielhälfte kreisförmig angeordnet waren. Setzte man den Roboter auf eine Frage an (»Was ist der größte Feind der Schlange?«), drehte er sich mittels Magnetkraft auf die Antwort: »Der Mungo«. Ich hatte den Orientierungssinn des analogen Spiels schnell durchschaut und verblüffte meine Eltern mit der richtigen Antwort, bevor der Roboter zum Stillstand kam. Keine Spuren von Zufall oder Programmierung im Spielzeug der 1960er Jahre.
Am anderen Ende der Welt experimentierte zur gleichen Zeit der Informatiker Joseph Weizenbaum mit einem Roboter – Eliza –, um die Möglichkeiten der Menschen-Maschine-Kommunikation auf Basis natürlicher Sprache auszuloten. Eliza konnte dank Skripten verschiedene Gesprächspartner simulieren. Im Rückblick gilt sie als frühe Umsetzung des 1950 vorgeschlagenen Turing-Tests, der eine Maschine von einem Menschen unterscheiden sollte. Eliza hätte ihn nicht bestanden, da selbst einfache Fragen schon ausreichten, um sie als Maschine zu identifizieren … obwohl die Simulation eines Psychotherapeuten recht verblüffend gelungen sein soll.
Nach meiner Kindheit habe ich das Gebiet der Roboterkommunikation erst mal aus den Augen verloren. Die erträumte Hilfe ließ Jahrzehnte auf sich warten, der Begriff der Künstlichen Intelligenz wurde zum Phantom. Aber 2016 werden sie kommen, die Roboter, und sie werden unsere Kommunikation radikal verändern. Doch sie kommen anders als gedacht. Nicht auf Rädern, nicht aus Metall … sie kommen lautlos und unsichtbar. Aus der Cloud erscheinen sie uns, erschaffen aus Programmcode und ausgestattet mit Künstlicher Intelligenz, melden sie sich auf unseren Mobilgeräten als Gesprächspartner zu Wort. Und ich meine jetzt nicht Siri (Apple), Alexa (Amazon) oder Cortana (Microsoft).
Meine These: Messaging-Apps sind das neue Netz
Der große Hype in den Führungsetagen des Silicon Valley läuft unter dem Label »Messaging Bots«, was die Kombination von Nachrichtenplattformen mit automatisierten Dienstleistungen meint. Ganz weit vorne dabei: Google und Facebook. Aber auch WeChat, Line, WhatsApp, Snapchat und Slack entwickeln sich in diese Richtung. Dabei ist zu beachten, dass die Top 4 der Nachrichten-Apps (WhatsApp, Messenger, WeChat und Viber) aktuell rund 3 Milliarden Nutzern aufweisen. Das sind mehr Menschen, als jedes andere Medium zuvor an sich binden konnte, und sogar mehr als die Top 4 der sozialen Netze an Usern haben. These: Messaging-Apps sind das neue Netz … Social Media, Internet, E-Mail, Apps und Telefon waren gestern.
Wie kommen nun die Bots in den Nachrichtenkreislauf? Ganz einfach: als künstliche User, wie Eliza damals. Der schriftliche Dialog ist eine vergleichsweise leichte Tätigkeit, die Roboter durchaus beherrschen. Google programmiert seit einem Jahr an einem neuen Messenger, der demnächst zusammen mit künstlichen Nutzern ins Netz gehen soll, die für menschliche Nutzer Aufgaben erfüllen. Neben den von Google in die Welt gesetzten Bots können auch andere Unternehmen eigene an dieses System anschließen. Es wird also bald erste Bot-Stores geben.
Auch Facebook rüstet gerade um, im Moment stellt das Unternehmen in manchen Märkten bereits eine Kombination aus Künstlicher Intelligenz und menschlichen Diensten bereit. So können Nutzer mit Facebooks Messenger schon Kinokarten kaufen oder Tische in einem Restaurant reservieren. Content-Bots könnten bald aktuelle, lokalisierte Informationen wie das Wetter oder die Verkehrslage mitteilen, Banking-Bots nehmen eine Überweisung an und führen sie auch gleich aus. Wer braucht da noch Apps?
Und was heißt das für die Werbeindustrie? Experten prophezeien, dass eine Facebook-Nachricht im Bot-Zeitalter wie eine Nachrichtenseite aussehen könnte, inklusive Anzeigen. Derzeit fühlt sich das Bestellen einer Pizza über Facebooks Messenger noch wie etwas komplett Neues an. Aber die Bots werden immer zuvorkommender, allein durch die tägliche Menge an Daten, die sie klüger macht. Wir werden uns mit ihnen anfreunden. Genauso wie damals, mit dem magischen Roboter. Doch werden wir sie auch durchschauen? Hoffentlich.
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